Neues Forschungsprojekt: Stabilität der Geldnachfrage besser verstehen
Sowohl das Europäische System der Zentralbanken als auch die US-Notenbank FED haben ihre geldpolitischen Strategien überprüft. Ein wesentliches Element für das Verständnis der Wirkungsmechanismen von Geldpolitik ist die Geldnachfrage, im Gefolge der Wirtschafskrisen der letzten 15 Jahre insbesondere die Stabilität der Geldnachfrage.
Martin Wagner, Professor für Makroökonomik und quantitative Wirtschaftsforschung am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Klagenfurt und Chief Economic Advisor der slowenischen Notenbank, und sein Team werden in einem vom Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank geförderten Projekt die Bestimmungsfaktoren sowie die Stabilität der Geldnachfrage im Detail empirisch analysieren und die dafür notwendigen ökonometrischen Verfahren entwickeln.
Die zentralen Aufgaben von Notenbanken sind die Gewährleistung von Preisstabilität – im Euroraum definiert als Inflationsrate von 2% pro Jahr – sowie, für die EZB als sekundäres Ziel, die Unterstützung der wirtschaftlichen Aktivität und Stabilität. Ein detailliertes Verständnis darüber, wie stark und mit welcher zeitlichen Verzögerung geldpolitische Maßnahmen, bspw. Veränderungen der Leitzinssätze oder Anleihenkäufe und -verkäufe, ist von entscheidender Bedeutung für effektive Geldpolitik.
Unter Geldnachfrage im weiteren Sinn verstehen Ökonom*innen, je nach Definition, die Nachfrage nach Bargeld, Sichteinlagen und Termineinlagen. „Betrachten wir ein Beispiel: Wenn eine Geschäftsbank einer Person oder einer Firma einen neuen Kredit gewährt, wird die Geldmenge erhöht, da der neuen Kreditverbindlichkeit ja gleichzeitig ein gleich großes Guthaben bei der Bank gegenübersteht, welches dann – wofür auch immer – verwendet wird. Dieser Prozess heißt Geldschöpfung“, erklärt Martin Wagner. Die Nachfrage nach Krediten hängt nicht zuletzt von den Konditionen, insbesondere den Zinsen, ab, zu denen Kredite verfügbar sind. Analoge Überlegungen gelten auch für die Einlagen bei Banken. Martin Wagner fährt fort: „Die Kreditzinsen der Geschäftsbanken – und natürlich auch die Einlagezinsen bei Geschäftsbanken – hängen unter anderem von den Refinanzierungskosten der Banken untereinander und bei der Notenbank ab. Daher besteht ein Zusammenhang zwischen Leitzinssätzen und Kredit- und Einlagezinssätzen und damit der wirtschaftlichen Aktivität.“
„Seit circa 10 bis 15 Jahren, nicht zuletzt seit der globalen Finanzkrise, stellen sich vermehrt Fragen, ob die Geldnachfrage stabil ist“, erläutert Martin Wagner, „weil eine instabile Geldnachfrage es den Notenbanken erschwert, ihre Maßnahmen optimal zu gestalten. Eine Maßnahme, die früher in einer vergleichbaren Situation einen bestimmten Effekt hatte, könnte jetzt einen anderen, vielleicht sogar einen nicht gewünschten Effekt haben“.
Die zwei Ziele des Projektes sind: Erstens, entsprechende ökonometrische Verfahren zu entwickeln, die er erlauben, die Stabilität und im Falle von Stabilität, die Ursachen der Stabilität zu identifizieren. Martin Wagner sagt hierzu: „Diese neu entwickelten Verfahren wollen wir in weiterer Folge, nach Abschluss dieses Projektes, auch auf andere zentrale makroökonomische Beziehungen, wie etwa die sogenannte Phillipskurve, die den Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenquote und der Inflationsrate beschreibt, anwenden. Das zweite Projektziel ist die Durchführung einer sehr umfangreichen empirischen Analyse der Geldnachfrage für eine große Anzahl von Ländern und über unterschiedliche Epochen, um möglichst umfassendes Wissen über die möglichen Instabilitäten und ihre Ursachen zu erhalten. Dies soll dazu dienen, die Effizienz geldpolitischer Maßnahmen in der Zukunft zu erhöhen. Zunächst, meint Martin Wagner abschließend, sei aber die erste Hürde „geeignete Mitarbeiter*innen für dieses anspruchsvolle Projekt zu gewinnen, das ist fast noch schwerer als die Projektarbeit selbst“. Das Projekt soll im ersten Halbjahr 2022 starten und 3,5 Jahre laufen.