Neue, ungewohnte Denkansätze und Sichtweisen auf Probleme des alltäglichen Handelns
Christian Dayé unterrichtet Soziologie an der Alpen-Adria-Universität. In seiner Lehrveranstaltung legt er besonderen Wert auf die Kunst des Eigenständigen Denkens, die durch seine Lehrmethoden und Ansätze gefördert wird. Die schönsten Momente sind für ihn, wenn seine Begeisterung für das Fach auf die Studierenden übergeht.
Sie unterrichten Soziologie, was erwartet Studierende in dieser Lehrveranstaltung?
Neue und ungewohnte Denkansätze und Sichtweisen auf Probleme des alltäglichen Handelns. Die Soziologie versucht, hinter die Selbstverständlichkeiten zu blicken, mit denen wir unseren Alltag meistern. Dort hofft sie, Strukturen und Mechanismen zu finden, die unser Handeln und unsere Entscheidungen prägen, oftmals ohne dass uns das bewusst ist. Was ich den Studierenden in meinem Soziologieseminar vermitteln möchte, ist eigenständiges Denken und an soziologischen Konzepten orientiertes Analysieren von sozialen Situationen des Alltags bzw. des gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Lebens. Ob das gelungen ist, ob also die Studierenden es sich zutrauen, mit soziologischen Begrifflichkeiten eigenständig zu arbeiten, zeigt die abschließende Seminararbeit.
Was mögen Sie besonders am Unterrichten an der AAU?
Im Vergleich zu den anderen Lehrstationen in meiner bisherigen Karriere, ist die Lehrsituation in Klagenfurt ist insofern spezifisch, da ich Soziologie an einer Universität unterrichte, an der man gegenwärtig nicht Soziologie studieren kann. Die meisten SeminarteilnehmerInnen studieren Angewandte Betriebswirtschaftslehre, wo das Soziologieseminar ein Pflichtfach im Studienplan ist. Deshalb mutiert das Soziologieseminar manchmal ein wenig zur „Werbeveranstaltung“ für mein Fach. Das mag ich natürlich, denn ich selbst stehe der Soziologie immer noch mit großer Begeisterung gegenüber. Die schönsten Momente in der Lehre sind aber die, in denen ich merke, dass diese Begeisterung ansteckend auf die eine oder den anderen Studierenden gewirkt hat.
Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade an der Uni unterrichten?
Ich verbringe sehr viel Zeit mit forschungsrelevanten Dingen, das heißt ich lese recht viel und betreibe eine Reihe von Publikationsprojekten. Vor einigen Wochen habe ich ein Buchmanuskript abgeschlossen, das sich mit der Entwicklung von sozialwissenschaftlichen Prognosemethoden in den USA zur Zeit des Kalten Kriegs befasst. Es liegt gerade zur Begutachtung bei einem US-amerikanischen Verlag. Parallel dazu gebe ich gemeinsam mit einem Grazer Kollegen ein Lehrbuch heraus, das Meilensteine der Soziologie heißen wird und im kommenden Jahr erscheinen wird. Forschungsrelevant ist aber auch die Arbeit in Organisationen. So bin ich gegenwärtig Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie sowie in kleineren Fachverbänden im In- und Ausland.
In welchem Forschungsbereich liegt Ihre Leidenschaft?
Prinzipiell finde ich, wie oben schon angeklungen ist, in allen Bereichen der Soziologie interessante Ansätze. In den letzten Jahren hat sich allerdings eine Spezialisierung auf die Gebiete Wissenschaftssoziologie, Wissenssoziologie, Geschichte der Sozialwissenschaften und Soziologische Theorie ergeben. Gegenwärtig interessiere ich mich auch sehr für wirtschaftssoziologische Themen, weil ich denke, dass es hier gerade zur Wissenssoziologie etliche Überschneidungen und Synergien geben kann. So sind zum einen Informations- und Wissensvorsprünge wirtschaftlich sehr wichtig, und man kann sich fragen, welche wissenssoziologischen Konzepte hier zur Klärung dieser Phänomene und Prozesse beitragen können. Andererseits sehen wir auch eine Verwirtschaftlichung (und partielle Vermarktlichung) von Wissensproduktion, so dass auch hier eine Synthese von unterschiedlichen soziologischen Literaturen neue Erkenntnisse bringen kann.