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Dr. Rosita Anna Ernst absolvierte an der AAU das Diplom- und Doktoratsstudium Psychologie und war lange Zeit in der ÖH engagiert, auch als ÖH-Vorsitzende. Heute ist sie Teamleiterin bei der Caritas und betreibt in Wien eine eigene Praxis als systemische Familientherapeutin und Kinder- und Jugendtherapeutin. Im Interview erzählt sie, warum „anders sein“ ein großer Gewinn für sie war, wie sie das Studium auf ihre heutige Tätigkeit vorbereitet hat und wie man in der Mensa römisch kocht.
Fällt Ihnen eine nette Anekdote aus Ihrer Studienzeit ein?
Irgendwann hab ich mal einen Kurs „Römisch Kochen“ bei einem Professor der Geschichte belegt. Das war echt super, am Ende der LV haben wir in der Mensa gefüllte Eier mit Koriander und Rindfleisch mit Rosinen gekocht.
Wie hat sich Ihre Karriere entwickelt?
Nach dem Studium bin ich nach Wien gezogen und habe anfangs als Betreuerin von psychisch erkrankten Erwachsenen gearbeitet. Dann wollte ich mich beruflich verändern und habe mich in der Caritas als Psychologin für psychisch erkrankte Senioren beworben. Im Rahmen dieser Tätigkeit ist auch ein Buch entstanden und dank dieses Buches wurde ich von der Sigmund Freud Privatuniversität Wien eingeladen, ein Seminar über Gerontopsychotherapie zu halten.
Nach meiner Absolvierung des Fachspezifikums wollte ich mich beruflich verändern und fand eine Stelle als Teamleiterin, ebenfalls in der Caritas.
Was sind Ihre Arbeitsaufgaben?
Mein Aufgabenbereich umfasst die fachliche Anleitung der Mitarbeiterinnen, das Berichtwesen sowie administrative Aufgaben. Wenn ich nicht bei der Caritas bin, dann arbeite ich in meiner Praxis. Vor mehr als zwei Jahren habe ich das Fachspezifikum beendet und arbeite nun auch als systemische Familientherapeutin.
Gibt es Situationen, in denen Sie ans Studium zurückdenken?
Ja, viele. Ich denke öfter daran zurück, was ich vor Jahren an der Uni gelernt habe. Gerade die Lehrveranstaltungen der Gruppendynamik helfen mir, die Dynamiken in Teams oder in den Familien wahrzunehmen und es auch objektiv zu betrachten. Jede Rolle ist nur eine Rolle und kann sich ändern.
Warum haben Sie an der AAU studiert, was waren damals Ihre Beweggründe?
Klagenfurt war für mich die ideale Stadt um zu studieren. Sie ist nicht zu groß und nicht zu klein. Ich glaube, an einer größeren Uni hätte ich mich sehr unwohl gefühlt, da ich mich schwer zurechtgefunden hätte. Das Institut war klein und man kannte die Professor*innen und viele der Jahrgangskolleg*innen, das hat mir sehr gefallen.
Würden Sie heute noch einmal Psychologie studieren?
Wenn es das gleiche Studium nochmals geben würde, dann würde ich es studieren. Ich habe mir den Studienplan angesehen und bemerkt, dass es nicht mehr dasselbe ist, wie es vor vielen Jahren war. Viele Professor*innen sind natürlich schon in Pension, viele LV-Inhalte aus meiner Zeit sind verschwunden, aber der große Unterschied ist natürlich, dass das Studium in Bakkalaureat und Master geteilt wurde. Ich glaube, da geht viel Wichtiges verloren.
Würden Sie wieder an der AAU studieren?
Ja, ich würde gerne wieder an der Universität Klagenfurt studieren. In Wien arbeite ich natürlich mit Psycholog*innen der Wiener Universität zusammen. Da merkt man, dass man als Psychologin aus Klagenfurt „anders“ ist. Wir haben andere Schwerpunkte gehabt. Ich glaube, dieses „anders sein“ war ein großer Gewinn für mich.
Was war „anders“?
Die hohe Praxisorientierung. In Therapie habe ich immer wieder junge Psychologiestudierende und die berichten darüber, was sie zu lernen haben. Mir geht dies oft an der Praxis vorbei. Wir hatten auch mehr Praktika zu absolvieren, was kein Nachteil war. Ein guter Theoretiker ist noch kein guter Praktiker.
Als Psychotherapeutin erinnere ich mich außerdem immer wieder an die Lehrveranstaltung von Frau Prof. Menschik, wie sie uns die verschiedenen Methoden der systemischen Theorie praktisch gezeigt hat. Vor zwei Jahren habe ich die Zusatzausbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin begonnen und vor einem Jahr die Zusatzausbildung zur Führungskraft. In beiden Curricula wurde noch einmal deutlich, wie praktisch und arbeitsnahe mich die Uni schon auf das Berufsleben vorbereitet hat.
Gibt es noch etwas, das Sie aus Ihrer Studienzeit besitzen?
Ja, ich besitze noch immer meinen orangenen Studentenausweis und natürlich meine ganze psychoanalytische Literatur, die für das Studium zu lesen war.
Was hat Sie in Ihrer Studienzeit noch geprägt?
Meine Zeit als ÖH-Vorsitzende! Damals glaubte ich auch, dass man vieles leicht verändern kann. Ich hatte jedoch übersehen, dass man nur dann etwas verändern kann, wenn man gute, kreative, weitblickende und auch kritische Mitarbeiter*innen hat. Ich glaube, da habe ich viel Positives, aber auch Negatives erlebt, was mir jetzt natürlich hilfreich ist.
Was würden Sie heutigen Studierenden mit auf den Weg geben?
Nach rechts und nach links sehen. Es gibt immer mehr als nur das Studium.