Mit Mathematik und Statistik ein 3D-Bild einer Fabrik bauen
Das BMW Group Produktionsnetzwerk umfasst über 30 Produktionsstandorte weltweit. Wo genau welche Maschine steht oder wo an der Decke eine Sprinkleranlage hängt, ist bis jetzt nicht digital erfasst. Christina Petschnigg ging für ihr Dissertationsprojekt zu BMW nach München, um eine Methodik zu entwickeln, mit der diese Digitalisierung umgesetzt werden kann. Das Doktoratsstudium ist mittlerweile abgeschlossen und Christina Petschnigg bringt ihre Expertise nun bei Infineon in Villach ein.
„Ein Laserscanner nimmt Punktwolken auf, die den Zustand der Werke abbilden. Mit Hilfe von mathematischen Modellen, so genannten deep neural networks, ist es uns gelungen, Objekte zu erkennen und daraus automatisiert ein Simulationsmodell abzuleiten. Am Ende stand uns dann ein 3D-Modell einer BMW-Fabrik zur Verfügung“, erklärt Christina Petschnigg in ihrer Arbeit, für die sie in den vergangen 3,5 Jahren in München gelebt hat.
Die 3D-Modelle sind für Produktionsstätten dieser Größenordnung für vielerlei sinnvoll: Soll die Fabrik für den Bau eines anderen Automodells umgebaut werden, kann man den Umbau vorher simulieren und überprüfen, ob er auch effizient umsetzbar ist. Außerdem lassen sich Produktionsabläufe auf Basis dieser Modelle optimieren.
Die Schwachstelle an dieser Vorgehensweise: Die Laserscanner müssen derzeit händisch mit großem Aufwand durch die Produktionshallen gefahren werden. „Aktuell braucht man einen Menschen, der die Punktwolken aufnimmt. Für die Zukunft habe ich mich aber auch gefragt: Welche Voraussetzungen braucht man im Werk, um diesen Schritt zu automatisieren?“, erklärt sie weiter.
Christina Petschnigg war bei BMW angestellt; betreut wurde sie von Jürgen Pilz (Institut für Statistik an der Universität Klagenfurt). Danach wechselte Christina Petschnigg zu Infineon nach Villach, wo sie in der Digitalisierung der Supply Chain arbeitet. „Was kann man aus Maschinen herauslesen? Wie sind die Lagerbestände? Wie kann man diese effizienter erfassen?“, das sind Fragestellungen, mit denen sich Christina Petschnigg nun befasst.
Der Werdegang von Christina Petschnigg zeigt die Vielfalt der Anwendungsbereiche der Mathematik auf. Sie hat in Klagenfurt sowohl das Bachelor- als auch das Masterstudium in Technischer Mathematik absolviert. „Als ich an die Universität kam, hatte ich eine andere Vorstellung davon, was mich erwarten würde. Das Studium an sich war dann doch abstrakter. Mir war dabei anfangs aber nicht bewusst, welches riesige Spektrum an Möglichkeiten sich dadurch bietet. Von der Finanzwelt über den Hoch- und Tiefbau, von der Physik bis zur Informatik: die beruflichen Möglichkeiten sind vielfältig“, erklärt sie uns.
An der Mathematik mag sie vor allem die Logik: „Alles folgt einer Logik, nichts weicht davon ab. Es gibt keine Ausnahmen. Sobald ich etwas verstanden habe, muss ich nichts mehr auswendig lernen. Entscheidend ist das Interesse: Wer das nicht hat, sieht nur griechische Buchstaben.“ Christina Petschnigg war die erste in ihrer Familie, die eine akademische Ausbildung in Angriff nahm. Schon früh war sie im Bereich IT in Forschungsprojekten tätig. Während ihres Masterstudiums arbeitete sie bei Joanneum Research im Bereich Robotics. Ihr Hauptinteresse liegt im Bereich der anwendungsnahen Forschung, weswegen sie auch gerne das Angebot einer Industriepromotion von BMW in Anspruch nahm. Aber „man weiß Kärnten erst zu schätzen, wenn man die Nachteile einer Millionenstadt gesehen hat. Während man um 18 Uhr in München noch im Stau steckt, schwimmt man in Kärnten schon in einem See“, so das Fazit der Rückkehrerin mit internationaler Erfahrung im Gepäck.
Auf ein paar Worte mit … Christina Petschnigg
Hatten Sie bei Ihrer Ausbildung einen Plan B und welcher wäre das gewesen?
Ich hatte keinen wirklichen Plan B, da ich mich immer schon für Mathematik und Physik interessiert habe.
Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Ja, sie fragen mich oft nach meiner Arbeit und haben auch ein generelles Verständnis, was ich mache.
Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?
Ich überprüfe meine E-Mails und meinen Outlook-Kalender, um zu sehen, was der Tag für mich bereithält.
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Ja, nur so kann ich mich richtig entspannen und meine Batterien wieder aufladen.
Welche*n Wissenschaftler*in in der Geschichte bewundern Sie besonders und warum?
Während meiner Recherchen stieß ich auf Katherine Johnson. Für mich ist sie eine herausragende Persönlichkeit. Sie war eine der ersten afroamerikanischen Wissenschaftlerinnen bei der NASA und berechnete unter anderem die Flugbahn für die Apollo-11-Mission zum Mond. Man darf nicht vergessen, dass zu dieser Zeit der Zugang zu höherer Bildung für Frauen und Afroamerikaner besonders schwierig war. Allen Widrigkeiten zum Trotz erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Was bringt Sie in Rage?
Unklare Gebrauchsanweisungen.
Und was beruhigt Sie?
Ausgedehnte Wanderungen und See-Besuche.
Warum fürchten sich viele vor der Mathematik?
Ich denke die Mathematik kann sehr abstrakt wirken, wenn man Probleme hat, das zugrunde liegende Regelwerk zu verstehen.
Worauf freuen Sie sich?
Zeit mit meiner Familie zu verbringen.
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