Literatur der Kärntner Slowen*innen im Wandel: Wie kann man eine Literatur beschreiben, die sich aufmacht, zunehmend Grenzen zu überwinden?
Felix Oliver Kohl, Erwin Köstler, Andreas Leben und Dominik Srienc legen mit ihrer Monographie „Überregional, mehrsprachig, vernetzt: Die Literatur der Kärntner SlowenInnen im Wandel“ den Versuch vor, eine Literatur zu beschreiben, die beweglicher geworden ist und sich nicht mehr so klar wie bisher durch den Lebensort ihrer Autor*innen, durch die Sprache oder durch Themensetzung lokalisieren lässt.
Die letzte Bestandsaufnahme der Literatur der Kärntner Slowen*innen stammt aus dem Jahr 1998 in Form eines Buches, das der Literaturwissenschaftler Johann Strutz herausgegeben hat. Das Autorenteam, das nun einen neuen Überblick vorlegt, hat im Rahmen eines FWF-Projekts den Zeitraum seit 1991 unter die Lupe genommen. „1991 sehen wir deshalb als Zäsur, weil in diesem Jahr die Literaturzeitschrift mladje eingestellt wurde, die für viele Kärntner-Slowenische Autor*innen ein wichtiges Forum war“, erklärt Dominik Srienc, der am Robert-Musil-Institut für Literaturforschung arbeitet.
Seither habe sich – auch für die Autor*innen – viel verändert: Jugoslawien ist zerfallen, Österreich und Slowenien sind Teil der Europäischen Union, das Verhältnis zwischen deutschsprachigen und slowenischsprachigen Kärntner*innen hat auf vielen Ebenen Auf und Abs erfahren. „In den letzten Jahren ist die Literatur, die wir untersucht haben, noch vielsprachiger geworden: Die Autor*innen schreiben slowenisch und/oder deutsch, aber auch auf Englisch oder Französisch. Zwar verschweigen sie ihre Sozialisation und Herkunft nicht, aber diese spielen für ihr Selbstverständnis nicht mehr die vordringliche Rolle“, so Srienc weiter. Übersetzungen sind im hiesigen Literaturbetrieb nach wie vor wichtig, denn sie erschließen für die jeweiligen Autor*innen und Übersetzer*innen neue literarische Handlungsräume.
Wie aber benennt man eine Literatur, für die Sprache, ethnische Zugehörigkeit und regionale Verbundenheit keine verbindlichen Kriterien mehr sind? Dominik Srienc führt dazu aus: „Wir haben viele Daten gesammelt, die zeigen, wie vielfältig und vernetzt die Arbeit der Autor*innen heute ist. Sie und ihre Literatur sind ausgesprochen beweglich. Sie lassen sich nicht mehr unter das Etikett einer Minderheitenliteratur zwingen, sie wohnen vielfach nicht in Kärnten, sie nutzen verschiedene Sprachen und Medien und all das spielt auch in ihre Themenwahl hinein.“ Bemerkenswert ist, dass viele deutschsprachige Autor*innen Themen aufgreifen, die mit den Kärntner Slowen*innen zu tun haben. Neu ist auch, dass schreibende Migrant*innen hierzulande Fuß fassen. So lebt beispielsweise der Shootingstar der mazedonischen Literatur Davor Stojanovski bei Ludmannsdorf/Bilčovs – und gewinnt auch in Kärnten mehr und mehr Aufmerksamkeit.
Kohl, F.O., Köstler, E., Leben, A. & Srienc, D. (2021). Überregional, mehrsprachig, vernetzt: Die Literatur der Kärntner SlowenInnen im Wandel. Wien: Präsens Verlag. (http://www.praesens.at/praesens2013/?p=7791)