„Lernen hat immer auch einen kulturellen Aspekt.“

Über drei Jahre vernetzten sich Lehrende von Universitäten, Hochschulen und Schulen im Rahmen des internationalen Erasmus+-Projekts ARTIST. Ziel war es, naturwissenschaftliche Bildung mit Aktionsforschung zu verknüpfen. Am Projekt nahmen zehn Partner aus Ländern in Europa und Asien (Deutschland, Österreich, Irland, Georgien, Türkei, Philippinen und Israel) teil. Wir haben mit dem österreichischen Projektleiter Franz Rauch (Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung) über das Projekt gesprochen.

Herr Rauch, welchen Sinn macht es, wenn sich LehrerbildnerInnen aus inner- und außereuropäischen Staaten miteinander austauschen?

Rauch: Unterschiedliche kulturelle Kontexte bringen Impulse. Wenn man aus seinem eigenen Bildungskontext heraustritt und neue Erfahrungen macht, stößt man auf neue Anlässe und Herausforderungen, was das Lernen betrifft. Lernen hat für mich immer auch einen kulturellen Aspekt. Nehmen wir als Beispiel die arabischen Schulen rund um Haifa, die am Projekt teilgenommen haben. Diese stehen allein aufgrund ihrer historischen kulturell-religiösen Kontexte vor ganz anderen Hürden, wie wir sie kennen.

Mit dem Projekt wollen Sie Science Education an Aktionsforschung knüpfen. Was können wir uns darunter konkret vorstellen:

Rauch: Aktionsforschung für den naturwissenschaftlichen Unterricht zielt darauf ab, Unterrichtspraxis in den naturwissenschaftlichen Fächern durch Zyklen von Planung und Veränderung, Beobachtung/Forschung, Reflexion und Revision zu verbessern. Die Praktikerinnen und Praktiker,  werden von Forscherinnen und Forschern begleitet oder kooperieren mit ihnen. Die Zusammenarbeit ermöglicht die nötige Tiefe der Reflexion und Analyse. In unserem Projekt arbeiten LehrerbildnerInnen, aber auch externe Institutionen, zusammen mit akademisch Forschenden an innovativen Projekten im Bereich der naturwissenschaftlichen Bildung.

Welche externen Einrichtungen waren involviert?

Rauch: Das waren verschiedene Unternehmen, in Irland beispielsweise aus der Industrie, in Georgien aber auch Weinbauhöfe oder Labore, die sich um die Weiterentwicklung von Phagen – Viren, die der Bekämpfung von Infektionskrankheiten ohne Antibiotika dienen – bemühen. Bei uns in Österreich haben wir mit dem außerschulischen Experimentierlernort NAWIMIX der PH Kärnten im Lakeside Park kooperiert.

Es gibt zahlreiche Projekte wie diese, die Impulse und Weiterentwicklung für den Naturwissenschaftsunterricht hervorbringen wollen. Wie nachhaltig können solche Projekte wirken?

Rauch:  EU-Projekte haben häufig auch einen Forschungsfokus. Es ist essenziell, dass gewonnene Erkenntnisse einen systematischen Forschungs- und Reflexionsprozess durchlaufen sind. In Zeiten von Fake News ist es gerade die Glaubwürdigkeit von Wissen, die wir hochhalten müssen. Diese Förderschienen halten aber auch dazu an, die Ergebnisse zu implementieren. Die Verankerung kann beispielsweise durch das Einfließen in Rahmenvorgaben wie Curricula, aber auch auf einer Policy-Ebene, erfolgen. Wir arbeiten mit internationalen Partnern mittlerweile an weiteren EU-Projektanträgen, in denen die gewonnen Erkenntnisse  in neue Fragestellungen einfließen.

Was ist Ihr wissenschaftlicher Output aus dem Projekt?

Rauch:  Erasmus ist als europäisches Austauschprogramm bekannt. In der Förderschiene Erasmus+ kann aber auch eine starke Forschungskomponente einfließen. Beispielsweise haben wir mit ARISE ein wissenschaftliches Open-Access-Journal gegründet. Darüber hinaus sind Publikationen in renommierten Formaten entstanden.

 

Zur Person

Franz Rauch ist Vorstand des Instituts für Unterrichts- und Schulentwicklung und außerordentlicher Professor für Schulpädagogik. Er war selbst sechs Jahre lang als Lehrer (Biologie und Umweltkunde) an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen tätig. Seit 1990 ist er Lehrbeauftragter an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen, seit 1996 arbeitet er am Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung, wo er sich 2002 habilitierte. Seit 2011 ist Franz Rauch Projektleiter mehrerer EU-Projekte. Aus dem Projekt ARTIST (Action Research to Innovate Science Teaching & Career Orientation) ging das neue wissenschaftliche (double-blind peer review) Journal „ARISE – Action Research and Innovation in Science Education” hervor, das Franz Rauch als Mitherausgeber mitgestaltet.