Lena Leitner – Die Taufe.
Lena Leitner
Die Taufe
Auf dem Foto sieht man zwei Mädchen, beschützt von ihrem Vater und ihrer Mutter. Die jüngere Tochter wird heute getauft, es ist meine Mutter. Ihr Name wird Maria sein. Ihr ganzer Name, Maria Schmidt, sie ist die dritte Generation von Mädchen, die diesen Vor- und Familiennamen tragen.
Die erste war meine Urgroßmutter, Maria Schmidt, dann meine Großmutter, die auch Maria Schmidt hieß, und nun wird auch dieses kleine Mädchen, meine Mutter, diesen Namen ebenfalls bekommen. Die Taufe fängt um 13:30 im Stephansdom an. Nach der Taufe wird es im Innenhof meiner Großeltern ein lustiges Fest geben.
Meine Großmutter hat überhaupt keine Ahnung was sie anziehen soll. Sie steht vor dem Spiegel, doch nichts fällt ihr ein. Schließlich entscheidet sie sich für eine graue Bluse und eine Perlenkette, nobel nobel. Ihre Töchtern ziehen weiße Kleider und ihr Ehemann einen dunklen Anzug an.
Es ist 13:00, alle sind aufgeregt. Nur noch dreißig Minuten. Meine Großeltern, ihre Töchter und ein paar Gäste werden von einem bunten Bus zum Stephansdom gebracht.
Die erste Maria Schmidt, meine Urgroßmutter ist auf dem Bild nicht sichtbar, sie lebt bei Ihrem Sohn, meinem Großvater. Ihre Traurigkeit ist immer spürbar. Sie war Jüdin, ist knapp den Nazis entkommen, hat zwar überlebt, aber viele Familienmitglieder und Freunde verloren. Sie ist fast immer still und entzogen. Meine Großmutter, die zweite Maria Schmidt, ist auf dem Foto erkennbar, sie wird eine unpolitische, manchmal lustige aber oft sehr schwierige Mutter.
Meine Großeltern haben meine Mutter zum Taufbecken begleitet. Das kleine Mädchen strahlte wie die Sonne. Alle in der Kirche standen auf um Respekt und Ehrfurcht zu zeigen. Die Taufe dauerte ungefähr eine halbe Stunde, nach der Taufe gab es ein Fotoshooting und dann fuhren alle zum Haus meiner Großeltern. Es ist ein schöner und angenehmer aber auch stressiger Sonntag für meine Großeltern.
Sie besitzen eine Bäckerei und Konditorei, dadurch ist es viel leichter für sie Essen zu organisieren und ein tolles Buffet aufzubauen. Im Innenhof standen zwei lange Tische mit weißen Tischtüchern, dekoriert mit Blumen und Obst.
Die Erwachsenen und die Kinder hatten jeweils einen eigenen Tisch damit zwischen allen Kontakt und Freude entstehen kann. Es ist 15.08, alle genießen das Fest. Für die Kinder wurden lustige Spiele vorbereitet und die Erwachsenen konnten in Ruhe
ihre schönen, brillanten und langen Gespräche führen. Es ist Abend geworden, die Gäste haben sich verabschiedet, und alle fanden die Taufe und das Fest wunderbar. Am Ende dieser Feier entstand auch das beigelegte Foto mit meiner Mutter.
Ich bin die vierte Frauengeneration die den Namen Maria Schmidt übernehmen sollte. Meine Mutter hat jedoch entschieden, dass diese Namenstradition unterbrochen wird und ich nicht Maria Schmidt heißen soll.