Ackerland | Foto: Iakov Kalinin/Fotolia.com

1 von 3 Hektar Ackerland für EU-Konsum liegt außerhalb der EU

Biomasseprodukte wie Nahrung, Textilfasern oder Bioenergie werden weltweit gehandelt. Damit einher geht eine Verschiebung des Drucks auf die Ökosysteme. Am Institut für Soziale Ökologie arbeitet man an einem besseren Verständnis der Dynamiken von Landnutzung.

Herr Erb, Land wird nicht überall gleichermaßen intensiv genutzt. Wo wird besonders viel oder besonders wenig angebaut?

Ein Beispiel ist die Europäische Union, eine Region, die weltweit zu den am intensivsten genutzten Regionen gehört. Allerdings nimmt nach einer Phase der extremen Steigerung die Landnutzungsintensität heutzutage kaum mehr zu – obwohl der Konsum nach wie vor steigt. Der Grund dafür ist, dass viele Güter vermehrt importiert werden. Ungefähr einer von drei Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, die die EUKonsumation abdeckt, liegt außerhalb der EU-Grenzen. Im Gegensatz dazu wird nur einer von zehn Hektar der EU-Flächen für Exporte genutzt. Der Großteil kommt aus Lateinamerika.

Was bedeutet das für Lateinamerika?

Dort wächst der Druck auf die Ökosysteme. Insgesamt entstehen durch die Globalisierung engere Kopplungen zwischen den Kontinenten: So könnten zum Beispiel Restriktionen für die Agrarwirtschaft oder Veränderungen bei der Bioenergie-Nachfrage in Europa oder in den USA zu großflächigen Abholzungen in Lateinamerika oder im sub-saharischen Afrika führen. Uns geht es darum, Landnutzungsintensität und deren Veränderung darzustellen und Ursachen und Auswirkungen dieser Intensivierung zu erklären.

Wie misst man diese Effekte?

Wir nutzen dafür unter anderem den Indikator „eHANPP“. Der Begriff steht für „embodied human appropriation of net primary production“. Mit diesem Wert lassen sich die Landnutzungseffekte auf den globalen sozialökologischen Biomassestoffwechsel berechnen und auf den Konsum von Produkten beziehen. Generell gibt es aber noch große Wissenslücken darüber, welche Mechanismen bei der Dynamik der Landnutzung zusammenwirken. So studieren wir die Entwicklungen der Intensität der Inputs (z. B. Dünger, Wasser), die Intensität des Outputs (z. B. Erträge) und die Konsequenzen für das Ökosystem, wie die Kohlenstoffspeicherung oder die Biodiversität. Es braucht also eine systematische Entwicklung von Indikatoren, die alle Dimensionen abdecken.

Wie gehen Sie dabei vor?

Viele unserer Untersuchungen haben eine historische Dimension. Diese erlaubt es uns, langfristige Veränderungen von sozialökologischen Systemen in Hinblick auf die Landnutzungsintensität zu untersuchen und so auch die angewandten Indikatoren zu hinterfragen.

Letztlich geht es Ihnen aber auch um ein Umdenken, oder?

Das Verständnis für die komplexen räumlichen und zeitlichen Dynamiken von Gesellschaft-Natur-Interaktionen soll natürlich auch die Basis für Lösungen für problematische Entwicklungen darstellen. Letztlich geht es um einen Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft des Systems Erde.