„Lässigkeit – im Umgang mit dem Gesetz und mit komplexen Fällen.“
Dies braucht man laut Olaf Riss, unserem neuen Professor für Privatrecht, als Jus-AbsolventIn. Wir haben mit ihm über seine Beweggründe nach Klagenfurt zu kommen gesprochen und warum man gute JuristInnen immer brauchen wird.
Was waren Ihre Beweggründe, den Ruf an die Universität Klagenfurt anzunehmen?
Ist es glaubwürdig, wenn ich sage, dass die Lebensqualität und die Freizeitmöglichkeiten rund um den Wörthersee überhaupt keine Rolle gespielt haben? (lacht) Die Möglichkeiten sind hier natürlich großartig, gerade was Freizeit und Sport betrifft. Und ich bin sehr gerne im Wasser und auf dem Wasser. Aber in erster Linie hat das neue Masterstudium Wirtschaftsrecht den Ausschlag dafür gegeben, dass ich an die Universität Klagenfurt gewechselt bin. Mich hat es einfach gereizt, von Beginn an bei etwas Neuem mitzumachen. Als die Uni Klagenfurt und die Uni Wien dieses Masterstudium gemeinsam designt haben, gab es ein ganz konkretes Ziel: Die Absolventen, die wir ausbilden, sollen punktgenau den Anforderungen entsprechen, die Juristen heute in der Wirtschaftswelt erfüllen müssen.
Welche Anforderungen sind das? Wie wollen Sie den Studierenden diese Kenntnisse vermitteln?
Nachdem ich ja selbst einige Zeit lang als Rechtsanwalt tätig war, habe ich wahrscheinlich eine ganz gute Vorstellung davon, was wir unseren Jus-Absolventen mitgeben sollten, bevor sie sich auf dem Arbeitsmarkt bewähren müssen. Juristisches Arbeiten ist eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit. Das gilt heute mehr denn je. Will man als Jurist erfolgreich sein und Spaß an der Arbeit haben, braucht man eine gewisse Souveränität – man könnte auch sagen: Lässigkeit – im Umgang mit dem Gesetz und mit komplexen Fällen.
Was ich damit sagen will: In unserem Beruf hat man fast jeden Tag ein neues rechtliches Rätsel zu lösen, eine Aufgabe, mit der man vorher noch nie zu tun hatte. Und dabei geht es nicht selten noch dazu um große Beträge. So etwas darf einen guten Juristen nicht aus der Ruhe bringen, sonst kann er komplexe Fälle nicht lösen.
Aber sind Computer nicht bessere und schnellere „Juristen“ als Menschen? Autofahren können sie ja auch schon.
Der Jurist von heute kann unmöglich alle Rechtsvorschriften kennen. Da sind wir gegenüber der KI (Anm: künstliche Intelligenz) im Nachteil. Das stimmt. Detailwissen ist in unserem Beruf aber ohnehin wenig gefragt. Wichtig ist vielmehr das Wissen über die Struktur der Rechtsordnung. Genau das lernt man bei uns. Und dadurch unterscheidet sich der gute Jurist von allen anderen, die mit dem Internet und den Suchmaschinen umgehen können. Fast jeder, der über einen Internetzugang verfügt, kann innerhalb weniger Minuten recherchieren, welche Rechte er hat, wenn in seiner Mietwohnung die Heizung ausfällt. Oder wie man den Unterhaltsanspruch berechnet, den ein Kind gegen seine Eltern hat. Im Internet finden Sie dann aber keine seriöse Antwort mehr darauf, was Sie tun können, wenn sich herausstellt, dass in Ihrem Dieselauto eine Motorsteuerung verbaut ist, die den Abgasausstoß in bestimmten Situationen manipuliert. Können Sie dann auch den Hersteller des Autos klagen oder nur denjenigen, der Ihnen das Auto verkauft hat? Der, der Ihnen das Auto verkauft hat, wusste aber vielleicht selbst gar nichts von dieser unzulässigen Motorsteuerung… Und wo können Sie dann diesen deutschen Hersteller klagen? Vor einem österreichischen Gericht oder nur in Deutschland? Gilt deutsches oder österreichisches Schadenersatzrecht? Das sind keine erfundenen Fälle und keine theoretischen Fragen. Das ist das echte Leben. Und dennoch betreten wir damit völliges juristisches Neuland. Hier kommt nur ein guter Jurist weiter, der eben – wie gesagt – Souveränität und eine gewisse Kreativität mitbringt. Wir haben uns vorgenommen, Absolventen auszubilden, die das können. Und zwar nicht irgendwie können, sondern exzellent können. Es wird noch lange dauern, bis die KI soweit ist, dass sie genauso kreativ und souverän mit dem Gesetz umgehen kann wie wir.
Gute Juristen wird es also immer brauchen?
Also, da würde ich jetzt keine Wette abschließen. (lacht) Irgendwann einmal leben wir vielleicht in einer schönen, friedlichen und harmonischen Welt, in der wir keinen einzigen Juristen mehr brauchen. Auf dem Raumschiff Enterprise gibt es auch keine Juristen, glaube ich… Naja, bis wir soweit sind, dauert es bestimmt noch ein wenig.
Und warum haben Sie dem Anwaltsberuf den Rücken gekehrt?
Ich denke gern an diese Zeit zurück. Der Rechtsanwaltsberuf ist ein wirklich schöner Beruf. Man genießt sehr viele Freiheiten. Man kann seine Arbeitsumgebung und seine Aufgaben zu einem großen Teil selbst gestalten. Ich habe mich dann allerdings doch wieder der Universitätslaufbahn zugewandt. Hier ist es etwas einfacher, sich die Rechtsprobleme aus einer ganz neutralen Position anzusehen.
Vielen Dank für das Gespräch! Wir wünschen Ihnen einen tollen Start an der Universität Klagenfurt und natürlich auch viele schöne Stunden am Wörthersee.