„Künstliche Intelligenz ist ein moderner Mythos“
Roland Peball befasst sich in seiner Dissertation mit der Frage, wie wir medial und öffentlich über Künstliche Intelligenz diskutieren. Aus Analysen von Onlinekommentarforen gewinnt der Kulturwissenschaftler interessante Einblicke zum „Mythos Künstliche Intelligenz“. Nun steht seine Arbeit knapp vor dem Abschluss, im Portrait berichtet er über bisherige Erkenntnisse.
„Künstliche Intelligenz ist eine Art moderner Mythos. Der Begriff eröffnet uns einen großen Spielraum für Interpretationen. Einerseits ist die Rede von einem nützlichen Werkzeug, andererseits von einer unheimlichen, beinahe mystischen Macht, die knapp davor ist, uns zu beherrschen oder gar zu vernichten. Beide Erzählungen existieren parallel nebeneinander, oft sogar in ein und demselben Post“, so Roland Peball, Universitätsassistent am Institut für Kulturanalyse. Er hat einen Korpus von rund 3.000 Online-Artikeln aus Österreich, die nach dem Launch von ChatGPT erschienen sind, durchforstet und dann rund 50 Beiträge mit den dazugehörigen Forendiskussionen diskursanalytisch untersucht.
Bezüge findet Roland Peball auch zu klassischen Mythen, wie dem von Prometheus. Prometheus entwendet den Göttern das Feuer und bringt es – als Urheber der Zivilisation und Kultur – den Menschen. Er begeht damit den Frevel, natürliche Begrenzungen zu sprengen. Dafür werden er und die gesamte Menschheit bestraft. „Damit impliziert ist die Vorstellung menschlicher Hybris, die uns im KI-Diskurs immer wieder begegnet: Wir schaffen mit dieser Technologie etwas, das über uns hinauswächst, so eine verbreitete Erzählung“, erklärt Roland Peball. Hinzu komme, so Roland Peball weiter, eine oft negative Haltung den Menschen an sich gegenüber in vielen Diskussionen: „Menschen zerstören den Planeten, die Umwelt, und letztlich sich selbst. Sie sind dumm und hochmütig. Diese Urteile betreffen in den Forendiskussionen mal uns alle, mal nur bestimmte Akteur:innen. Das Fazit solcher Kommentare ist oft: Wenn die KI uns auslöscht, haben wir das ohnehin verdient. Das ist eine zynische und zutiefst bedenkliche Haltung gegenüber dem Humanen.“ Implizit verweise diese Haltung auf Diskurse des Transhumanismus und technologischen Posthumanismus, die sowohl popkulturelle als auch technoökonomischen Erzählungen über KI geprägt hätten.
KI würde in solchen Diskursen als ‚Lösung‘ der ‚Probleme‘ des Mensch-Seins erzählt und das klassisch humanistische Konzept des Menschen infrage gestellt. Die Maschine sei hier das Maß aller Dinge, der Mensch hingegen ein Auslaufmodell. Andererseits gäbe es auch kritisch posthumanistische Lesarten: „Der prototypische Mensch im klassischen Humanismus meint nicht alle Menschen, sondern vornehmlich den westlich-europäischen, weißen Mann. Die Frage ist daher: Sollen wir das Mensch-Sein insgesamt neu denken? Ergibt sich aus den aktuellen Kontroversen um KI die Chance, Grenzen und Dichotomien aufzulösen, die sich bisher hartnäckig gehalten haben?“ Dadurch, dass die Tech-Giganten des Silicon Valley aktuell der konservativen MAGA-Bewegung in den USA den Rücken stärken, zeige sich für Roland Peball allerdings: „Der moderne Mythos der Künstlichen Intelligenz dient gerade auch der ideologischen Reproduktion von alten Dichotomien, wie beispielsweise Herr-Sklave, Mensch-Maschine, Kultur-Natur oder Mann-Frau. In aktuellen Debatten sehen wir eine reaktionäre Renaissance solcher Polarisierungen. Die Vertreter der Tech-Branche agieren hier, ihren Fortschrittsbehauptungen zum Trotz, nicht progressiv, sondern rückwärtsgewandt.“
Für Roland Peball stellt sich an dieser Stelle die Frage: „Wer hat die Deutungshoheit darüber, wie technischer Fortschritt erzählt wird?“ Von besonderem Interesse sind für ihn die Auswirkungen der Erzählungen, die von diesen großen Playern ausgehen: „Uns wird suggeriert, dass die aktuellen Entwicklungen unhintergehbar sind. Dabei gilt doch: KI ist wie jede Form von Technik etwas, das von uns geschaffen und von uns eingesetzt wird. Es ist daher unsere Entscheidung, was wir daraus machen.“ Dass die Ängste vor dem disruptiven Potenzial der Künstlichen Intelligenz und deren Konsequenzen etwa am Arbeitsmarkt nicht jede:n gleichermaßen betreffen, sei aber offensichtlich: „Es haben nicht alle den gleichen Zugang zu Informationen. Und es sind auch nicht alle Jobs gleichermaßen gefährdet.“
Die Arbeit an seiner Dissertation will Roland Peball im Sommer 2025 abschließen. Damit geht die nächste große Etappe seines akademischen Werdegangs zu Ende. Dieser führte ihn zunächst vom Bachelor- zum Masterstudium der Angewandten Kulturwissenschaft in Klagenfurt. In dieser Zeit war er auch Studienassistent und Projektmitarbeiter am Institut für Kulturanalyse unter Klaus Schönberger. Nach Abschluss des Doktorats möchte Roland Peball weiterhin in der Hochschullehre tätig sein. Um in der Wissenschaft bleiben zu können, strebt er zudem die Mitarbeit in zukünftigen Projekten an. Dass mit dem spannenden Feld der Kulturwissenschaften auch eine gewisse berufliche Unsicherheit einhergehen würde, war ihm schon zu seiner Studienzeit bewusst. Der Blick auf unterschiedliche Lebensweisen durch die Brille der Kultur ist für ihn jedoch lohnend: „Das betrifft nicht nur ‚Kulturen‘, die weiter weg sind, sondern insbesondere auch uns selbst: Du, ich, die Nachbarn, und die Art, wie wir leben und die Welt begreifen. Das bleibt für mich ungemindert spannend.“
Auf ein paar Worte mit … Roland Peball
Wann haben Sie zuletzt über Ihre Forschung mit jemandem außerhalb der Scientific Community gesprochen?
Vor einiger Zeit mit Bekannten in der Hundefreilaufzone Annabichl, Klagenfurt.
Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?
Kaffee. Es gibt kein Leben ohne Kaffee…
Wer ist für Sie die größte Wissenschaftler:in der Geschichte und warum?
Das sind zu viele und aus zu vielen Disziplinen. Aktuell begeistere ich mich speziell für Donna Haraway, deren ganz eigene subversive Verwendung des Mythischen ich sehr inspirierend finde.
Was bringt Sie in Rage?
Kleinigkeiten, speziell die technischen Tücken des Materials.
Und was beruhigt Sie?
Ein gutes Buch, gutes Essen, Rundenstrategiespiele am Computer und mein Hund.
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Nein
Wovor fürchten Sie sich?
Dem Tod, der langen Nacht, wobei eher dem Prozess des Älterwerdens und Sterbens und der Einsamkeit, die damit oft einhergeht.
Worauf freuen Sie sich?
Den Abschluss meiner Dissertation und dann vielleicht doch einmal wieder einen richtigen Urlaub mit meiner Freundin machen zu können.