Kooperation fördert Motivation bei Lehrkräften
Studien zur Motivation von Schülerinnen und Schülern gibt es reichlich. Zur Frage, wie Lehrpersonen motiviert sind, werden und bleiben, gibt es allerdings noch wenig empirisches Wissen. Florian Müller (Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung) füllt mit seiner Forschung diese Lücke und hat nun gemeinsam mit Daniela Martinek und Franz Hofmann zu dieser Frage einen Sammelband herausgegeben.
Der unmotivierte Lehrer, der hauptsächlich seine Ferien genießt, ist zum medialen Topos geworden. Woher rührt dieser Ruf?
Jeder Mensch hat Erfahrung mit Schule gemacht, sei es dadurch, dass er oder sie selbst SchülerIn war oder Kinder hat, die in die Schulen gehen. So fühlen sich auch weite Bereiche der Bevölkerung als Expertinnen und Experten für das Thema Schule und meinen zu wissen, was einen guten oder einen schlechten Lehrer ausmacht. Hinzu kommt, dass jeder und jede auch Erfahrung mit schlechten und unmotivierten Lehrpersonen gemacht hat. Davon ausgehend wird verallgemeinert. Der mediale Diskurs verschärft das negative Image dann noch weiter. Dies ist ein Erklärungsstrang, warum der Lehrberuf unter denjenigen mit dem schlechtesten Ruf gereiht ist.
In skandinavischen Ländern ist das Image deutlich besser. Warum?
Dort hat Bildung einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Und Schule sieht dort de facto auch anders aus und bemüht sich dezidiert darum, die Chancengleichheit in der Gesellschaft zu erhöhen. Wo man bei uns schlechte Erfahrungen verallgemeinert, sind es dort positive Eindrücke, die auf das Gesamtbild von Schule extrapoliert werden. Zudem ist in Skandinavien der Zugang zur Lehramtsausbildung – im Sinne einer Bestenauslese – hoch selektiv, es landen nur die Geeignetsten 10 bis 20 Prozent eines Jahrgangs in diesem Beruf. Ein solch selektiver Zugang zum Beruf erhöht auch gleichzeitig das Image.
Was weiß die Wissenschaft denn über die Motivation von Lehrerinnen und Lehrern?
Während es sehr viele Arbeiten zur Motivation von Schülerinnen und Schülern gibt, wissen wir noch relativ wenig über die Motivation von Lehrpersonen. Da wir annehmen, dass die Motivation von Lehrpersonen einen hohen Einfluss auf das Lernen der SchülerInnen hat, ist dieses Forschungsfeld besonders lohnend.
Ist die Motivation eine Frage der Persönlichkeit?
Zum einen, ja. Es gibt Lehrergruppen, die aufgrund ihrer Persönlichkeit besonders gut in den Lehrberuf passen. Das sind Menschen, die sich generell gut selbst steuern können, die soziales Interesse und soziale Kompetenzen haben, denen die Initiierung und Begleitung von Lernprozessen von einzelnen SchülerInnen am Herzen liegen. Wir gehen davon aus, dass bis zu 20 Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer aufgrund der Persönlichkeitspassung bedingt geeignet sind. Zum anderen ist aber entscheidend, wie die Arbeitsbedingungen an der Schule gestaltet sind.
Was wirkt dort motivationsfördernd und –hemmend?
Nach der theoretischen Konzeption der Selbstbestimmungstheorie der Motivation, die wir verwenden, sind drei Faktoren dafür entscheidend, dass Lehrpersonen motiviert bleiben. Es braucht das Gefühl der sozialen Zugehörigkeit in der Schule sowie kooperative Arbeitsbeziehungen, wenn auch vielleicht nur mit wenigen Kolleginnen und Kollegen. Der zweite Punkt ist das Erleben von Kompetenz und die Unterstützung der professionellen Entwicklung. Wenn Lehrerinnen und Lehrer den Eindruck haben, sich selbst weiterzuentwickeln und wenn sie von KollegInnen, der Schulleitung oder durch andere Unterstützungssysteme in ihrem beruflichen Weiterkommen gefördert werden, steigert das die Motivation. Als dritte Komponente gilt das Erleben von Autonomie. Lehrerinnen und Lehrer müssen das Gefühl haben, halbwegs autonom handeln zu können. Das haben sie derzeit vielerorts nicht, weil sie sich – trotz objektiver Autonomie – häufig fremdbestimmt fühlen. Hier gilt es aber auch für jede Lehrperson, die eigenen Autonomiespielräume an der Schule zu erkennen, auszuloten und zu nutzen. Ansonsten ist es schwer, selbstbestimmt motiviert zu bleiben.
Was ist entscheidender für die Motivation: der Druck von außen oder die alltäglichen Erlebnisse in der Schule?
Unsere Untersuchungen zeigen recht deutlich: Intrinsisch motiviert zu sein bedeutet, dass ich meinen Beruf mit einer gewissen Freude, einer Begeisterung und mit Interesse ausübe. Diese Grundstimmung lässt sich schwer von Einflussfaktoren aus dem System beeinflussen, sondern wird vielmehr von den alltäglichen Beziehungen an der Schule bestimmt. Wie erlebe ich das Miteinander mit SchülerInnen und KollegInnen? Das ist entscheidender.
Um motiviert zu sein und zu bleiben, braucht man doch auch Erfolgserlebnisse. Wo sehen Lehrkräfte ihre Erfolge?
Vor allem in der Wirkung auf die Schülerinnen und Schüler: Eine Schülerin hat verstanden, wie man besser einen Aufsatz schreiben kann oder wie man addiert. Das sind die kleinen alltäglichen Wirksamkeiten. Diese unmittelbaren Rückmeldungen motivieren. Das Anforderungsprofil an die Lehrerinnen und Lehrer hat sich in den letzten Jahren allerdings auch deutlich verändert, nicht zuletzt durch neue gesellschaftliche Anforderungen. Vielerorts gibt es einen Shift in Richtung Sozialarbeit, dazu braucht es aber auch andere Interessen, Voraussetzungen und Kompetenzen. Man muss Klassen gut führen, sich selbst gut steuern können, krisenfest sein, mit Konflikten umgehen usw. Wer das nicht kann, wird sich auch nicht als kompetent erleben. Dazu braucht es neue Konzepte und Ideen, wie man sich für diese Herausforderungen rüsten kann.
Reagiert die Lehreraus- und –fortbildung entsprechend darauf?
Ich habe den großen Verdacht, dass wir an den Bildungseinrichtungen, und da müssen wir selbstkritisch die Universitäten und die Pädagogischen Hochschulen in den Blick nehmen, unsere Lehrerinnen und Lehrer zu wenig darauf vorbereiten und sie im Beruf zu wenig unterstützen. Ja, wir brauchen eine solide wissenschaftsbasierte Lehrerbildung, aber das Profil muss dringend erweitert werden. Wenn wir das nicht tun, habe ich die Sorge, dass wir viele unmotivierte und enttäuschte Lehramtsstudierende und Lehrkräfte haben werden, worunter dann alle Beteiligten im Bildungssystem leiden. Und das hat besonders in einem Land wie Österreich, das in internationalen Vergleichsstudien mittelmäßig abschneidet und in dem Bildung weitgehend vererbt wird, besonders negative Folgen. Die Schere zwischen gut und schlecht Gebildeten droht noch weiter aufzugehen.
Zur Person
Florian H. Müller ist seit 2010 außerordentlicher Universitätsprofessor im Fach Erziehungswissenschaft am Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung der Universität Klagenfurt. Er studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München und war langjähriger Projektmitarbeiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Bundeswehr München. Florian Müller ist Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (ÖFEB) und forscht vor allem zu Lernmotivation und Interessenforschung, LehrerInnenausbildung und LehrerInnenfortbildung sowie Lehren und Lernen in der Hochschule.
Zum Buch
Wie können Lehrer/innen ihre berufliche Motivation erhalten? Wie kann die Motivation zu unterrichten bei (angehenden) Lehrpersonen gesteigert werden?
Dieses Buch bietet Einblicke in die Bedeutung der Selbstbestimmungstheorie nach E.L. Deci und R.M. Ryan und der Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen (PSI-Theorie) von J. Kuhl für angehende und im Beruf stehende LehrerInnen. Es wird kompakt in diese beiden Theorien eingeführt und deren Relevanz für die Lehrerbildungsforschung sowie für die Berufspraxis aufgezeigt. Empirische Studien beleuchten das Zusammenwirken von personen- und umweltbezogenen Bedingungen, Prozessen und Wirkungen von Lehrermotivation und Selbststeuerung. Das Ziel dieses Bandes ist es nicht nur, die individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse von (zukünftigen) LehrerInnen wissenschaftlich in den Fokus zu nehmen, sondern auch praktische Implikationen für die bedarfsorientierte Entwicklung der Motivation und der Selbststeuerungskompetenzen von LehrerInnen aufzuzeigen. Die empirischen Befunde können sowohl die LehrerInnenausbildung als auch die Angebote in der Fort- und Weiterbildung bereichern.
Martinek, D., Hofmann, F. & Müller, F.H. (Hrsg.) (2018). Motivierte Lehrperson werden und bleiben. Analysen aus der Perspektive der Theorien der Persönlichkeits-System-Interaktionen und der Selbstbestimmung. Salzburger Beiträge zur Lehrer/innen/bildung (Bd. 3). Münster: Waxmann. (open access)
Mit Beiträgen u.a. von Irina Andreitz, Barbara Hanfstingl und Florian H. Müller aus dem Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung.