Klimawandel, Demographie und Gesundheit – Herausforderungen für die Zukunft
Über seine Ergebnisse sprach Willi Haas mit ad astra.
Der Forscher Willi Haas beschäftigt sich unter Berücksichtigung demographischer Veränderungen mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit. Er berechnet, wie anfällig unsere Gesellschaft für bestimmte, nachteilige Klimawandelfolgen ist, und untersucht, welche Adaptionsmaßnahmen und Optionen zur Verfügung stehen, um diese Auswirkungen abzumildern. Die Hochrechnungen für Österreich ergeben, dass es rund um die Jahre 2030 und 2050 jährlich etwa 3.000 zusätzliche Todesfälle allein durch Hitzewellengeben wird, vorausgesetzt, es werden keine zusätzlichen Anpassungsmaßnahmen getroffen. In ungünstigen Entwicklungsszenarien und ungünstigen Jahren ist sogar eine Verdreifachung dieser Zahl möglich. In einem von ihm geleiteten Assessmentreport für Österreich soll bis zur UN-Klimakonferenz COP 2018 der Sachstand zum Thema Gesundheit, Demographie und Klimawandel bewertet werden.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Gesundheit aus?
Der Klimawandel wirkt sich bereits heute auf die Gesundheit aus, zum Beispiel, wenn Hitzeextreme auftreten. In Österreich leben wir ja grundsätzlich in einer gemäßigten Klimazone, in der etwa Temperaturschwankungen noch leichter tolerierbar sind. Aber in manchen Regionen haben immer schon recht hohe Temperaturen vorgeherrscht. Durch eine Klimaerwärmung von ein bis zwei Grad im Jahresmittel können eventuell ganze Landstriche unbewohnbar werden. Soweit ist es zwar heute noch nicht, aber die Belastungen für die Menschen in solchen Regionen sind heute schon sehr hoch. Die Bandbreite der Wetterschwankungen wird zudem weiter zunehmen – inklusive einer vermehrten Anzahl von unmittelbar aufeinander folgenden extremen Hitzetagen.
Und wie sieht es konkret in Österreich aus?
Hierzulande ist mit weniger drastischen Auswirkungen zu rechnen. Die massivsten und deutlichsten Folgen des Klimawandels spüren wir in Hitzewellen. An Hitzetagen sind die Mortalitätsraten gegenüber „normalen“ Tagen erhöht, dieses Phänomen nennt man Übersterblichkeit. Dagegen müssen wir etwas tun, sonst werden sich die Auswirkungen in Zukunft noch verstärken. Vermehrtes Auftreten von Überflutungen, Muren und Starkregenereignissen können auch akute Folgen für die Gesundheit mit sich bringen. Das Zusammenwirken von Luftverschmutzung und Temperaturerhöhung ist auch in österreichischen Städten ein Thema, sollte die Luftqualität nicht deutlich verbessert werden. Eine veränderte Ausbreitung von Krankheitsüberträgern und in der Folge vermehrte Infektionserkrankungen könnte Österreich auch betreffen. Zudem könnte die Allergenbelastung durch eine Verlängerung der Pollensaison und das verstärkte Auftreten allergener Pflanzen zunehmen. Die Temperaturerhöhung könnte auch lokal zu einer Verschlechterung der Trink- und Badewasserqualität führen.
Wie müssen wir uns das in Zukunft vorstellen?
Schlimm wird es, wenn Hitzewellen eine gewisse zeitliche Dauer überschreiten. Die Modellrechnungen weisen durchaus auf dramatische Szenarien hin. Stellen Sie sich vor, es hat 30 Tage lang Temperaturen von 30 Grad, mit Spitzenwerten weit darüber. Wir sprechen hier also von extremen Hitzebelastungen. Ältere Personen, die sich bis 2050 zahlenmäßig verdoppeln, sind besonders vulnerabel. Für solche Überlagerungen von Phänomenen gibt es bei uns noch keinerlei Erfahrungen. Eine Übertragung von Erfahrungswerten aus anderen Ländern ist nicht so einfach möglich, weil es dort schon seit Jahrhunderten eine Anpassung an das jeweilige Klima gegeben hat. Wir sind aber physiologisch, kulturell und mit unserer Infrastruktur an ein anderes Klima angepasst. Da muss man also erst Erfahrungswerte sammeln. Auch das frühe Auftreten von Hitzewellen im Jahresverlauf ist bei einem Wetterumschwung schwieriger zu ertragen. Für unsere Berechnungen haben wir also die Vergangenheit ausgewertet: wir haben uns angeschaut, wie Temperaturen, die einen gewissen Schwellwert übersteigen, mit einer Zunahme in den Todesfallstatistiken korrelieren. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass dieser Rückblick so einfach auf die Zukunft übertragen werden kann. Es werden beeinflussende Effekte hinzukommen, die wir jetzt noch nicht einmal kennen. Ich würde also sagen, unsere Rechnungen sind eher konservativ.
Was kann man denn konkret dagegen unternehmen?
Da gibt es tatsächlich einige Handlungsstrategien, manche mit großem Potenzial. Es geht darum, wie rechtzeitig sie umgesetzt werden. Handelt man erst, wenn größere Ereignisse eintreten, oder ergreift man Präventivmaßnahmen? Diese reichen von der Frühwarnung, direkter Betreuung von besonders betroffenen Personen, Beschattungsmaßnahmen bis hin zur Raumplanung.
Wieso ist Hitze in urbanen Bereichen ein gravierenderes Phänomen als in ländlichen Gebieten?
Gerade in urbanen Gegenden gibt es so genannte Hitzeinseln. Das sind bestimmte Flächen, Häuser, Wohnungen, ja sogar Räume, in denen sich die Hitze besonders staut. So bilden sich mikroklimatische Kleinräume mit besonders hohen Temperaturen. Faktoren, die solche Hitzeinseln fördern, sind wenig Grünflächen, hoher Versiegelungsgrad, wenig Durchzug von Luft, wenig Beschattung und hohe Wärmespeicherkapazität des Umfelds.
Welche Maßnahmen kann man auf der Metaebene treffen? Wie können Stakeholder reagieren?
Es gibt eine ganze Reihe an Möglichkeiten. Frühwarnsysteme sind zum Beispiel kurzfristig und einfach umzusetzen, es gibt sie auch schon in allen Bundesländern. Aber auch hier gibt es noch Verbesserungsbedarf. Diese Systeme sind sehr stark internetbasiert, damit werden gerade ältere Personengruppen schlecht erreicht. Was es bräuchte, ist ein Gesundheitssystem, das nicht darauf wartet, dass jemand krank wird. Ein umgekehrter Zugang sollte einen weit höheren Stellenwert bekommen: man müsste sich im Vorfeld von Ereignissen schon Gedanken machen, welche Personen wo besonders betroffen sein könnten, und auf diese aktiv zugehen, sie unterstützen und betreuen. So wie unser derzeitiges Gesundheitssystem finanziert und aufgestellt ist, ist so etwas kaum möglich. Die Systemstruktur ist nicht darauf ausgerichtet, Gesundheit durch mehr Bewegung, gesunde Ernährung oder gute Luftqualität zu fördern, sondern darauf, durch Krankenbehandlung Gesundheit wieder herzustellen.
Welche Rolle hat die Raumplanung?
Eine sehr wichtige: in der Grünraumgestaltung müssen sich viele Städte wesentlich verbessern. In verdichteten Räumen ist der Grünraumanteil derzeit viel zu gering. Hier geht es nicht nur um die Verringerung von Mortalitätsraten, sondern auch um eine höhere Lebensqualität. Im Vergleich zu den Schäden, die auftreten können, wäre das auch ökonomisch rentabel.
Kann es denn auch positive Aspekte geben?
Wenn wir rechtzeitig reagieren, dann gibt es nicht nur Gefahren, sondern auch positive Aspekte, so genannte Co-Benefits. Einer dieser Aspekte betrifft die Mobilität und Gesundheit in Städten. Eine Umsetzung ist hier relativ einfach, weil sie auf bereits bekannte Maßnahmen zurückgreifen kann. Viele Stadtverwaltungen setzen auch schon die richtigen Impulse, wobei hier eine entschiedenere und gezielte Intensivierung noch viel größere Vorteile bringt. Eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs und neben einer Verbesserung des öffentlichen Verkehrs eine Steigerung des Fußgänger- und Radfahrerverkehrs hätten gleich zwei Vorteile. Einerseits geht die Luftverschmutzung zurück, andererseits wird durch ein Mehr an Bewegung die Gesundheit verbessert.
Wie kann so ein Wandel funktionieren?
Moralische Appelle bringen nicht viel. Vor allem die Attraktivitätssteigerung von gesunden und klimafreundlichen Fortbewegungsmodi gegenüber klimabelastenden ist vielversprechend. Die Rahmenbedingungen müssen so verändert werden, dass die Menschen sich gerne umstellen und die gewonnene Lebensqualität genießen können. Der Charme dabei ist, dass man mit der Umsetzung quasi sofort anfangen kann. Es gibt nämlich keine technologischen Fragen, die hier noch geklärt werden müssten.
Gibt es noch andere Bereiche mit solchen Co-Benefits?
Ja, die Ernährung. Wir essen zu viel Fleisch. Die Fleischproduktion ist inklusive Vorleistungen wie Futtermittel mit Emissionen und hohem Flächenverbrauch verbunden. Auch der Landnutzungswechsel spielt hier eine große Rolle: gebundener Kohlenstoff in Wäldern wird durch das Abholzen freigesetzt, so genannte Kohlenstoffsenken verschwinden damit. Dies ist weltweit nach wie vor der Fall und steht durch die globale Vernetzung des Agrarmarktes auch mit der österreichischen Produktion im Zusammenhang. Änderungen in der Landwirtschaft sind aber mit einer Reihe von politischen Herausforderungen verbunden. Eine Lösung wäre, dass Produktionsänderungen für die Landwirte nicht mit Einkommenseinbußen einhergehen. Würde man gleichzeitig die Qualität auch für importierte Fleischprodukte deutlich anheben, könnten landwirtschaftliche Betriebe mit einer verringerten Produktion, aber durch höhere Preise den gleichen Umsatz machen.
für ad astra: Annegret Landes
Zur Person
Willi Haas ist Sozial- und Humanökologe am Institut für Soziale Ökologie. Der Assessmentreport wird vom Klima- und Energiefonds im Rahmen des „Austrian Climate Research Programme“ gefördert.