„Journalismus ist ein wichtiger Teil der Demokratie“
Jürgen Klatzer ist seit Jänner 2025 als Politikredakteur beim FALTER tätig und hat an der Universität Klagenfurt Medien- und Kommunikationswissenschaften studiert. Im Alumni-Porträt spricht der gebürtige Südkärntner mit uns über (Politik-)Journalismus und Demokratie, über sein Studium an der Universität Klagenfurt und warum man gerade als First Academic studieren sollte.
Wollten Sie schon immer Journalist werden, Herr Klatzer?
Nein, eigentlich nicht. In den Journalismus bin ich eher zufällig durch ein Praktikum beim KURIER geraten. Dabei habe ich nicht nur gemerkt, dass mich die Arbeit interessiert und mir das Schreiben liegt, sondern auch, dass am Ende des Monats Geld auf dem Konto ist – was für mich damals nicht unwichtig war. Nach dem Praktikum wurde mir zuerst eine befristete Stelle angeboten, danach eine unbefristete. Inzwischen bin ich seit zwölf Jahren in der Branche.
Nach beruflichen Stationen beim KURIER und ORF sind Sie seit Jänner beim FALTER im Bereich Innenpolitik tätig. Was reizt Sie an Ihrer neuen Tätigkeit besonders?
Einerseits lerne ich viele Persönlichkeiten aus der Politik kennen und erhalte Informationen aus erster Hand – das finde ich als wissbegieriger Mensch besonders spannend. Andererseits reizt es mich, diese Inhalte so aufzubereiten, dass Leser sagen: durch diesen Artikel habe ich etwas gelernt. Mein Fokus liegt auf der Hintergrundberichterstattung: Wie funktioniert A? Was passiert bei B? Welche Folgen hat das für C, wenn in A etwas schiefläuft?
In Österreich wurde vor Kurzem eine neue Regierung angelobt. Was wünscht man sich als Politikredakteur von einer neuen Regierung?
In meiner Rolle als Politikredakteur habe ich keine persönlichen Wünsche an eine neue Regierung. Mir ist es wichtig, präsent zu sein, über die Regierung und den Nationalrat zu berichten und diese kritisch von außen zu beobachten. Der Zugang zur Politik wird erleichtert, wenn man als Journalist bekannter ist. Persönliche Wünsche an die Politik zu haben, wäre aus meiner journalistischen Sicht nicht vertretbar. Für mich steht eine unparteiische, kritische und ausgewogene Berichterstattung im Vordergrund.
In einer Demokratie hat der Journalismus über die Verbreitung von Informationen hinausgehende Funktionen. Inwiefern würden Sie sagen, dass journalistische Arbeit, wie Ihre, zur Demokratie in Österreich beiträgt?
Journalismus ist ein wichtiger Teil der Demokratie. Natürlich ist es unsere Aufgabe, die Politik zu kontrollieren und Missstände aufzuzeigen. Aber es geht genauso darum, das Positive und das Potenzial in der Politik sichtbar zu machen. Dabei reicht es nicht aus, nur Nachrichten zu verbreiten, sondern es muss schon eine „Geschichte“ erkennbar sein – das ist der Kern des Journalismus. Für diese Geschichte recherchiere ich manchmal so tief, dass ich eine Story verwerfe, weil sie einfach nichts hergibt.
Wann gibt eine Story nichts (mehr) her?
Wenn eine Geschichte „zu Tode“ recherchiert wird und sie dadurch an Klarheit verliert, zum Beispiel. Anfangs scheint es eine klare Trennung zwischen Gut und Böse zu geben, doch je tiefer man eintaucht, desto mehr erkennt man: es ist differenzierter. Vereinzelt löst sich eine Geschichte einfach auf – dann muss man loslassen, so frustrierend das auch ist. In den meisten Fällen bleibt aber etwas hängen, das es wert ist, erzählt zu werden.
Sie haben an der Universität Klagenfurt ein Bachelor- und Masterstudium der Medien- und Kommunikationswissenschaften absolviert. Wie hat Sie die Universität auf Ihren Job vorbereitet?
Die Universität hat mir vor allem kritisches Denken beigebracht, das ist im Journalismus essenziell. Ich hinterfrage viel, manchmal vielleicht zu viel – das kann auch ein Nachteil sein. Besonders in den Medien- und Kommunikationswissenschaften geht es darum, Strukturen und Mechanismen zu durchleuchten, und genau das hilft mir in meinem Job. Ein Studium eröffnet im Journalismus zudem mehr Berufschancen und ermöglicht es, fachlich fundierter mitzureden. Heute werden höhere Qualifikationen erwartet, was den Beruf insgesamt anspruchsvoller macht – aber auch inhaltlich besser.
Gibt es etwas, das Sie aus Ihrer Studienzeit nie vergessen werden?
Ja, mein erstes Seminar in Cultural Studies: Prof. Rainer Winter saß vorne mit einem Kaffeebecher auf dem Pult, las entweder einen Text vor oder forderte uns auf, ihn selbst zu lesen und darüber zu diskutieren. Ich habe den Text nicht verstanden. Gar nicht. Cultural Studies war für mich eine völlig neue Welt, und diese Lehrveranstaltung hat mir das deutlich gezeigt. Aber am Ende gab es eine glückliche Fügung: Ich habe Cultural Studies lieben gelernt – wegen der Spannung, der neuen Perspektiven und vor allem wegen des kritischen Denkens.
Im letzten Studienjahr 2023/24 betrug der Anteil an First-Generation-Studierenden an der Universität Klagenfurt wieder über 50 Prozent. Sie haben ebenso als Erster in Ihrer Familie zu studieren begonnen. Wie war das für Sie?
Ich war der erste in meiner Familie, der überhaupt eine weiterführende Schule besuchte. Ein Studium war für mich so weit entfernt wie ein Journalistenjob in Wien. Deshalb war der Start an der Uni auch schwierig. Ich kannte mich nicht aus und niemand konnte mir helfen – weder beim Studienförderungsantrag noch beim Curriculum. Wenn in der Familie niemand studiert hat, fehlt einem einfach die Orientierung. Warum ich mich trotzdem fürs Studium entschieden habe? Eigentlich hatte ich mich nach der Handelsakademie bei einer Bank beworben und wurde nicht genommen. Das Studium wurde sozusagen mein Plan B. Inhaltlich kam ich gut zurecht, aber anfangs merkt man, dass andere sich besser im Unialltag auskennen – das kann einschüchternd und frustrierend sein. Man wächst zwar hinein, hat aber einen gewissen Startnachteil.
An der Universität Klagenfurt gibt es seit 2018 mit BeFirst! ein Angebot, das sich speziell an First Academics richtet und sie in vielerlei Hinsicht unterstützt. Was würden Sie zukünftigen Studierenden, die aus Familien ohne akademischen Hintergrund kommen, gerne mit auf den Weg geben?
Nutzt alle Unterstützungsangebote – sei es von der ÖH oder von Programmen wie BeFirst! Oft braucht man nicht nur fachliche Tutorien, sondern auch jemanden, der erklärt, wie die Uni funktioniert. Zu meiner Zeit gab es solche Angebote noch nicht, und ich dachte, ich komme allein zurecht. Aber das war mühsam und hat viel Energie gekostet. Heute würde ich es anders machen und kann nur empfehlen, jede Hilfe anzunehmen – das erleichtert den Einstieg enorm.
Sie leben inzwischen seit vielen Jahren in Wien. Wie war es für Sie, von Kärnten wegzugehen?
Ich bin zuerst für meinen ersten Master nach Linz gegangen – dieser Schritt fiel mir leicht, obwohl ich üblicherweise ständig grüble. Ich wollte einfach weg und etwas Neues ausprobieren. Warum genau kann ich nicht sagen. Aber ich bin froh, dass ich es gemacht habe. In Klagenfurt habe ich schlussendlich (mit viel Pendeln) ein weiteres Masterstudium absolviert, in Wien lebe ich jetzt seit über zehn Jahren – mit Familie und Kind kommt man schnell an.
Ihr Lieblingsort in Kärnten ist…
Der Klopeinersee.
Was machen Sie zum beruflichen Ausgleich?
Ich gehe sehr gerne laufen – am liebsten in Richtung Schönbrunn oder der Donau entlang.
Journalist zu sein bedeutet für mich…
Viele spannende Themen aufzugreifen und ein geregeltes Einkommen zu haben.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Klatzer.
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