Kannibalismus im Mittelalter – Fakten & Phantasien

In meiner Dissertation wird das Phänomen Kannibalismus für die mittelalterliche Epoche untersucht. Die Betrachtung des Themas Kannibalismus geht weit über den rein physischen Vorgang hinaus. Meine kulturgeschichtliche Studie wird den Verknüpfungen mit den Bereichen Ernährung, Medizin, Krankheit und Tod, Religion, Magie und Aberglauben, Mythen und Märchen sowie Stereotype und Ausgrenzung besondere Aufmerksamkeit widmen.

In meiner Arbeit stehen Kannibalismusphantasien und gezielte Kannibalismusvorwürfe im Fokus. Die Vorwürfe sollten vor allem dazu dienen bestimmte Individuen und Gruppen der Gesellschaft auszugrenzen und deren Verfolgung zu legitimieren. Weitere Kapitel der Studie sollen zudem mögliche Hungerkannibalismus-Fälle während des Mittelalters untersuchen sowie zum Thema medizinischer Kannibalismus Stellung nehmen.

Die geschichtswissenschaftliche Forschung zu Kannibalismus konzentrierte sich in den letzten Jahrzehnten vor allem auf die Neuzeit. Im deutschsprachigen Raum sind vor allem Gesamtüberblicke zum Thema Kannibalismus erstellt worden sowie einige Fachaufsätze, beispielsweise zum medizinischen Kannibalismus. Die englischsprachige Forschung hat zudem einzelne literaturwissenschaftliche Untersuchungen zu bieten, welche sich auch mit dem mittelalterlichen Kannibalismus beschäftigen. Die Bearbeitung einiger Fragestellungen zum Thema Kannibalismus im Mittelalter verspricht besonderes Innovationspotential: die Frage nach den Rahmenbedingungen/den jeweiligen Kontexten der Kannibalismusfälle und –vorwürfe; die Betrachtung der Motive der Autoren der jeweiligen Schriftquellen; die Frage, wie sich die Einstellung der mittelalterlichen Menschen zum Thema Kannibalismus während des Mittelalters entwickelt/verändert hat; die Untersuchung der Rolle der christlichen Kirche für das Feld der Kannibalismusvorwürfe usw.

Insgesamt bedarf es weiterer intensiver Anstrengungen seitens der geschichtswissenschaftlichen Forschung, um das Wissen über Kannibalismus im Mittelalter zu verbessern. Dadurch kann und soll eine Perspektivenerweiterung zur Untersuchung des Lebens der Menschen dieser Epoche erarbeitet werden. Diesem Ziel ist meine geplante Studie besonders verpflichtet.