„Jeder denkt, dass die Mentees von den MentorInnen lernen, aber MentorInnen lernen auch unglaublich viel von den Jungen.“
Mit diesen Worten beschreibt Peggy Cunningham, Professorin an der Dalhousie University Halifax, die Mentoring-Beziehung zu ihrem Schützling Sarah-Desirée Schäfer, die an der Alpen-Adria-Universität in den Wirtschaftswissenschaften forscht. Peggy Cunningham hat ihre Eindrücke bei der Auftaktveranstaltung des zweiten Durchgangs des Young Scientists Mentoring geschildert. 11 Mentees sind im Studienjahr 2017/18 im Programm und werden im Rahmen dessen vom Vizerektorat für Forschung und vom Forschungsservice bei der Vernetzung mit etablierten Forscherinnen und Forschern außerhalb der Alpen-Adria-Universität unterstützt. Vizerektorin Friederike Wall erläutert im Interview, warum Mentoring für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler so wichtig ist und welche weiteren Pläne es gibt.
Warum brauchen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein externes Mentoring?
Es geht um dreierlei: Erstens ist jungen Forscherinnen und Forscher zu raten, eigene Netzwerke in ihrer Scientific Community aufzubauen. Zweitens wollen wir ihnen ermöglichen, eine zusätzliche Perspektive auf ihre Arbeit auch von akademischen BegleiterInnen außerhalb unseres Hauses einzuholen. Und drittens sollen sie noch stärker das Empfinden entwickeln, auch außerhalb und unabhängig von dem Verhältnis zu ihrem hiesigen Betreuer bzw. zu ihrer Betreuerin gute Kontakte in der Scientific Community zu haben.
Bei der Auftaktveranstaltung betonten viele, dass der Aufbau eines Netzwerks so wichtig sei. Ist es heute überhaupt noch denkbar, als junge Wissenschaftlerin oder als junger Wissenschaftler ohne Netzwerk erfolgreich zu werden?
Es gibt bestimmt Einzelne, die so genial sind, dass sie alles selbst aus sich heraus schöpfen können und kein Netzwerk um sich herum brauchen. Für die meisten gilt aber das, was schon seit Jahrhunderten im Wissenschaftsbetrieb wichtig ist: Der gedankliche Austausch bringt den Einzelnen und die Wissenschaft insgesamt voran. Schon vor langer Zeit sind Forscher von einer Universität zur nächsten gereist (Stichwort „fahrende Scholaren“), um sich auszutauschen. Heute brauchen wir dafür nur in Flugzeuge zu steigen.
Netzwerke sind nicht nur für den gedanklichen Austausch sinnvoll, sondern auch, weil die Spielregeln des Wissenschaftsbetriebs Kooperationspartnerschaften an vielen Stellen zwingend vorsehen. Wofür braucht man diese Netzwerke im Detail?
Man braucht sie an vielen Stellen. Wenn ich auf EU-Ebene ein Forschungsprojekt einreichen will, muss ich gut vernetzt sein und entsprechende Kooperationen anbahnen. Auch für die Publikationstätigkeit kann es sinnvoll sein, gemeinsam mit anderen an Themenstellungen zu arbeiten; in manchen Fächern gilt es sogar fast als verdächtig, wenn nur ein Autor oder eine Autorin genannt wird. Außerdem gibt es auch Reputationseffekte: Die Reputation der Person, mit der man kooperiert, strahlt auch auf einen selbst zurück. Kann man nun zeigen, dass man mit einflussreichen Personen im eigenen Fach zusammengearbeitet oder gar gemeinsam publiziert hat, kann dies im reputationsgetriebenen Wissenschaftsbetrieb sehr unterstützend sein.
Was bietet die Alpen-Adria-Universität ihren Nachwuchs-ForscherInnen mit dem Young Scientists Mentoring an?
Wir haben finanzielle Ressourcen, die vor allem für die Auslandsaufenthalte zum Austausch mit den Mentorinnen und Mentoren genutzt werden können. Das Forschungsservice unterstützt dabei administrativ. Darüber hinaus sieht sich der Forschungsrat an, ob die Einreichungen als aussichtsreiche Mentoring-Konstellationen eingeschätzt werden können. Zurückhaltend sind wir jedoch bei der unmittelbaren Gestaltung der Mentoring-Beziehung selbst: Das organisieren die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – gemeinsam mit ihren hiesigen BetreuerInnen – selbst, weil wir aufgrund der Fachspezifika von zentraler Stelle hier nicht sinnvoll tätig werden können.
Derzeit läuft die zweite Runde. Wie wird es in Zukunft weitergehen?
Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten möchten wir das Programm gerne weiter fortführen, weil wir aus dem ersten Durchgang sehr gutes Feedback hatten und sich beobachten lässt, welch einen hohen Beitrag zum wissenschaftlichen Werdegang unserer Mentees daraus erwächst. Was wir gelernt haben ist allerdings, dass nicht alles, was in klassischen Mentoring-Projekten vorgesehen ist, auch zwingend für unser Setting passt. So haben wir gemeinsame Retreats unserer Mentees gestrichen, weil in unserem Setting die Zweier-Beziehung zwischen MentorIn und Mentee wichtiger ist als eine Gruppenbildung unter den TeilnehmerInnen am Programm. Für die Zukunft haben wir uns vorgenommen, dass wir den Mentees auch stärker die Teilnahme an Weiterbildungen, zum Beispiel zu Fragen wie „Wie gehe ich eine wissenschaftliche Karriere an?“ oder „Wie verhalte ich mich optimal in einem Berufungsverfahren?“, ermöglichen wollen, sei es hierzulande oder auch bei externen Anbietern wie dem deutschen Hochschulverband.
Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfinden die Möglichkeiten ihrer beruflichen Weiterentwicklung häufig als prekär. Wie schätzen Sie dies ein?
Ich kann die Kritik an manchen aktuellen Karrieremodellen nachvollziehen. Was ich jedoch zu bedenken geben möchte, ist, dass die Situation in Österreich häufig noch besser ist als anderswo. Während hierzulande zumindest die frisch Habilitierten, die eine entsprechende Qualifizierungsvereinbarung erfüllt haben, auf die Übernahme als assoziierte ProfessorIn an derselben Institution zählen können, ist man in Deutschland relativ bald nach der Habilitation üblicherweise arbeitslos und muss sich andernorts um eine Universitätsprofessur bewerben – schon allein um den Kühlschrank füllen zu können. Junge Menschen stehen vor einer sehr kompetitiven Gesamtsituation, auf die wir unsere Nachwuchs-WissenschaftlerInnen möglichst gut vorbereiten wollen. Ich sehe darin eine zentrale Verantwortung einer Universität.
Zum Abschluss die Frage: Wie erging es der Jungwissenschaftlerin Friederike Wall einst, als sie ihre Karriere startete? Hatten Sie eine Mentorin oder einen Mentor?
Ich hatte einen sehr begeisterten Wissenschaftler als akademischen Lehrer, der viel von seiner Begeisterung übertragen hat, aber auch sehr konsequent auf die Selbstorganisation durch seinen wissenschaftlichen Nachwuchs vertraute. Insbesondere in der Habilitationsphase war man sehr auf sich gestellt. Heute kann ich sagen: Alle aus unserem damaligen Team wurden erfolgreich, aber es war nicht immer leicht. Der Umgang mit dem eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs ist auch eine Generationsfrage. Herr Kollege Reinhard Neck hat bei der sub-auspiciis-Promotion von Philipp Hungerländer sinngemäß gesagt: „Die Jungen müssen besser sein als die Alten, sonst gibt es keinen wissenschaftlichen Fortschritt.“ Heute ist dieses Denken immer mehr verankert und wir arbeiten mit den jungen Forscherinnen und Forschern auf Augenhöhe zusammen.