Individuelle Öffis? – Mathematiker entwickeln Optimierungsalgorithmen für individualisiertes öffentliches Verkehrsangebot
Öffentliche Verkehrsmittel, deren Haltestellen dort liegen, wo ich sie brauche und die abfahren, wann ich sie brauche, sind vielleicht bald nicht mehr Utopie, sondern Realität. Der Mathematiker Christian Truden konnte zeigen, dass ein solches Angebot wesentlich effizienter als das herkömmliche, an fixe Linien und Fahrpläne gebundene öffentliche Verkehrssystem ist. Am Freitag erhielt er für seine Masterarbeit mit dem Titel „Local Search Heuristics for the Capacitated Vehicle Routing Problem with Structured Time Windows“ den Anerkennungspreis des List Förderpreises 2018.
„Während herkömmliche öffentliche Verkehrssysteme an fixe Fahrpläne und Linien gebunden sind, werden beim so genannten Individual Public Transport (IPT) sowohl die Fahrpläne als auch die Routen jedes einzelnen Fahrzeugs in Echtzeit an den aktuellen Bedarf der NutzerInnen angepasst“, erklärt Christian Truden. Die Nutzerinnen und Nutzer geben ihr gewünschtes Reiseziel beispielsweise per App vor Antritt der Fahrt bekannt. Dann errechnet das System, welches Verkehrsmittel idealerweise die Nutzerin oder den Nutzer an der Haltestelle abholt und zum Ziel bringt. Truden erklärt weiter: „Ein solches System kann sowohl mit konventionellen Autobussen umgesetzt werden, als auch mit Elektrofahrzeugen sowie mit selbstfahrenden Bussen. Auch gemischte Fahrzeugflotten sind möglich.“ Ziel ist die Verbesserung des Mobilitätsangebots, aber auch eine Verringerung unnötigen Verkehrsaufkommens: „Aufgrund der dynamischen Fahrplangestaltung kann die Anzahl der Haltestellen deutlich erhöht werden, da nur noch die Haltestellen angefahren werden, bei denen tatsächlich Fahrgäste zu- oder aussteigen.“
Das diesem Prozess zu Grunde liegende Optimierungsproblem ist das so genannte „Capacitated Vehicle Routing Problem with Time Windows“. Dem Forschungsteam ist es gelungen, Algorithmen zu entwickeln, die das Anwendungsproblem in Echtzeit annähernd optimal lösen können. So sollen sowohl Kundenwünsche gut bedient als auch vorhandene Fahrzeugflotten gut genutzt werden können.
Christian Truden, geboren 1990, ist Doktorand am Institut für Mathematik. Die Forschungsgruppe zu Optimierung, der er angehört, führte von Jänner 2016 bis Dezember 2017 ein großes Forschungsprojekt in Kooperation mit Satalia (NP Complete Ltd), die in London ansässig ist, durch. Das Team arbeitete unter anderem an einer Echtzeit-Vehicle-Routing-Lösung für eine der weltgrößten Supermarktketten, einer Raumplanungs- und Stundenplanoptimierungslösung für das University College London (UCL), sowie einer Personalplanungslösung für eines der führenden Unternehmen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung. Christian Truden war bisher maßgebend an der Entwicklung von Heimzustellungslösungen für eine der weltweit führenden Lebensmittelketten und für den größten Möbeldirektvertrieb in Großbritannien beteiligt. Außerdem entwickelt er Algorithmen und Software zur Lösung von anwendungsrelevanten Optimierungsproblemen in den Bereichen Produktion und Logistik.
Die List Group, ein führender österreichischer Betreiber von Parkgaragen in Österreich, Deutschland, Ungarn, Slowenien und Kroatien, schreibt ihren Förderpreis für Beiträge zur Verbesserung der städtischen Verkehrs- und Parkraumsituation seit 2007 aus. Ziel der privaten Initiative ist es, Studierende, Kreative und junge WissenschaftlerInnen zur Beschäftigung mit dem Thema Stadtverkehr zu motivieren. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird jährlich verliehen. Der Jury gehören führende Fachleute für Verkehrsplanung, Parkgaragen, des ÖAMTC, der Wirtschaftskammer, der Stadt Wien und ein Kommunikationsfachmann an.