IfEB Spotlight April 2025: Anna Krivograd „Das Phänomen ‚RückfluterInnen'“
„Das Phänomen ‚RückfluterInnen‘ – Herausforderungen, Chancen und Gelingensbedingungen einer erfolgreichen Transition von Volkschule in die erste Sekundarstufe“
Welches Thema bearbeitest Du und was bedeutet es für Dich?
In meiner Masterarbeit habe ich mich mit den Themen schulische Transitionsprozesse und Bildungsentscheidungsprozesse auseinandergesetzt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Wirkungsweisen von Schulformwechseln außerhalb der im Bildungssystem vorgesehenen Übergangspunkte. In Österreich werden Schüler:innen, die innerhalb der Sekundarstufe I von einer allgemein höher bildenden Schulform in eine Pflichtschule wechseln als ‚Rückfluter:innen‘ bezeichnet. Dem liegt meist eine falsche Schulentscheidung zugrunde, die nachträglich durch die Maßnahme des Schulformwechsels korrigiert wurde. Dies geht jedoch mit vielfältigen personellen, sozialen und umweltlichen Veränderungen einher, die sich nicht zuletzt auch in unterschiedlicher Weise auf die Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung und infolgedessen auch auf das (schulische) Selbstkonzept oder den Attributionsmustern von Erfolg und Misserfolg auswirken können. Daher habe ich in meiner Arbeit Herausforderungen, Chancen und Gelingensbedingungen erfolgreicher Übergänge sowie diverse Einflussfaktoren auf Bildungsentscheidungsprozesse und Wirkungsweisen eines Schulformwechsels in Kärnten untersucht.
Ich empfinde dieses Thema vor dem Hintergrund der steigenden Übergangszahlen auf höherbildende Schulen in der Sekundarstufe I von besonderer Relevanz, da insbesondere das österreichische Schulsystem mit seiner vergleichsweise frühen Selektion in eine dichotome Sekundarstufe in vielen Fällen den weiteren Bildungs- und Lebensweg der Schüler:innen maßgeblich mitbestimmt. Durch die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Schulform wird gleichzeitig der Weg zu einem bestimmten Abschlusszertifikat eröffnet, was infolgedessen auch den Zugang zu postsekundären Bildungsbereichen ge- oder auch verwehrt. Grundsätzlich gibt es in Österreich jedoch keine formalen Barrieren im Bildungssystem, das bedeutet, ein höherer Bildungsabschluss steht im Prinzip allen Menschen offen. Aufgrund sozialer Herkunftsmerkmale (Sprache, Bildungshintergrund und Berufsstatus der Eltern, usw.) und den daraus resultierenden (Bildungs-)Ungleichheiten kann die dem Bildungssystem vermeintlich zugrunde liegende Chancengleichheit jedoch kritisch hinterfragt werden.
Wie ist dieses Thema mit Deinem Studium verbunden?
Die Themen soziale Ungleichheit, Bildungsungleichheit und Chancengerechtigkeit begleiten mich bereits seit längerer Zeit im Studium. Während meines Studiums der Diversitätspädagogik habe ich unterschiedliche Facetten der Diversität in Schule und Gesellschaft kennengelernt.
Besonders interessiert haben mich schlussendlich Formen der sozialen (Bildungs-)Ungleichheit im Zusammenhang mit schulischen Bildungserfolg sowie deren Bedingungen und Auswirkungen auf unterschiedliche Bereiche der persönlichen und bildungsbezogenen Entwicklung. Speziell letztere wurden im Studium nur punktuell behandelt, weswegen ich mich dazu entschieden habe, meine Kompetenzen in diesem Bereich im Rahmen der Masterarbeit zu vertiefen. Darüber hinaus plane ich auch dieses Thema weiterhin für meine Dissertation beizubehalten und mithilfe einer interdisziplinären Betrachtungs- und Herangehensweise das Forschungsfeld in Österreich zu ergänzen und erweitern.
Wie gehst Du im Forschungsprozess vor?
Im theoretischen Teil meiner Arbeit habe ich mich intensiv mit bereits vorhandener Literatur und Forschung zu schulischen Transitionsprozessen, Bildungswegentscheidungen und Schulformwechsel beschäftigt. Darüber hinaus wurden auch einige psychologische und psycho-soziale Aspekte, die in einem Zusammenhang mit schulischen Transitionsprozessen sowie Bildungserfolg stehen, in die Arbeit miteinbezogen. Dazu zählen beispielsweise das (schulische) Selbstkonzept oder unterschiedliche Erklärungsmuster bei erlebtem (Miss-)Erfolg.
Im empirischen Teil wurden auf Basis von Daten eines Kooperationsprojekts von der Bildungsdirektion Kärnten und der Pädagogischen Hochschule Kärnten acht vertiefende Leitfadeninterviews mit Mittelschullehrkräften aus Kärnten geführt, die anschließend mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet wurden. Zentral ging es dabei darum, wie der Transitionsprozess für Kinder von der Volksschule in die erste Sekundarstufe aus Perspektive von Mittelschullehrkräften gelingen kann und welche Aspekte und Herausforderungen dabei entscheidend sind. Vor diesem Hintergrund wurde in weiterer Folge die Rückfluter:innen-Problematik in Mittelschulen in Kärnten aufgegriffen und diverse Umgangsformen und Unterstützungsmöglichkeiten herausgearbeitet.
Was möchtest Du anderen Studierenden an Erfahrungen und Tipps mitgeben?
Einerseits ist natürlich die Themenfindung von zentraler Bedeutung, da man sich doch über einen längeren Zeitraum intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt. Unabhängig davon, ob man bereits ein Thema gefunden hat, ist meiner Meinung nach auch das Lesen von möglichst viel Literatur und Studien besonders wichtig, um sich eine stabile theoretische Basis aufzubauen. Auch wenn man nicht alles in die Arbeit übernimmt, ist es dennoch wertvolles (Hintergrund-)Wissen, welches den Forschungs- und Schreibprozess (mit-)gestaltet. Des Weiteren kann es sehr sinnvoll sein – insbesondere bei Schreibblockaden oder Schwierigkeiten – die Angebote des Schreibcenters in Anspruch zu nehmen, egal in welcher Phase des Schreibprozesses man sich befindet.