Globale Steuergerechtigkeit: Risiken für Konzerne
Konzerne verlagern ihre Unternehmensgewinne häufig in jene Länder, in denen die geringste Steuerbelastung entsteht, und das nicht immer auf legalem Wege. Die Doktorandin Tamara Karlovsky bemüht sich in ihrer Dissertation darum, die straf- und haftungsrechtlichen Konsequenzen zu klären.
Wenn wir in Österreich in einer internationalen Kaffeehauskette unseren Kaffee genießen, muss hierzulande zwar Umsatzsteuer entrichtet werden, aber ob auch der damit erwirtschaftete Gewinn entsprechend besteuert wird, ist von vielen Faktoren abhängig.
Konzerne sind stets bemüht, die Gewinne jener Gesellschaften, die in Hochsteuerländern – zu welchen auch Österreich zählt – ansässig sind, niedrig zu halten. Da kann es dann schon mal vorkommen, dass Markenlizenzen auf in Steueroasen befindliche Gesellschaften übertragen werden, um die Gewinne der österreichischen Vertriebsgesellschaft mit Hilfe horrender Lizenzzahlungen an die Oasengesellschaft niedrig zu halten. „Je nachdem, wie hoch man die Lizenzgebühr ansetzt, kann man den Gewinn zwischen den Ländern hin- und herschieben.“ so die Rechtswissenschaftlerin Tamara Karlovsky (Institut für Rechtswissenschaften).
Im Rahmen ihrer Dissertation möchte sie klären, wer innerhalb bestehender Konzernstrukturen für derlei Steuerpraktiken zur Verantwortung gezogen werden könnte: Inwieweit kann eine Muttergesellschaft strafrechtlich für Steuerhinterziehungen ihrer Tochtergesellschaft belangt werden und inwiefern besteht die Möglichkeit, die Muttergesellschaft für Steuerschulden ihrer Tochtergesellschaft in Anspruch zu nehmen, wenn diese nicht solvent ist?
Vielen der damit in Zusammenhang stehenden rechtlichen Fragestellungen wurde in der Vergangenheit kaum Beachtung geschenkt. Aufgrund der grenzüberschreitenden Sachverhalte waren die Entdeckungswahrscheinlichkeit niedrig und die Ermittlungsmöglichkeiten der österreichischen Behörden beschränkt. Aufgrund des enormen Steuervolumens, welches Österreich sowie anderen Staaten verloren geht, ist jüngst ein Problembewusstsein entstanden, welches eine wachsende Zusammenarbeit im Hinblick auf die Lösung dieser komplexen Problemfelder auf internationaler Ebene, wie beispielsweise innerhalb der OECD und der EU, zur Folge hatte.
Die aktuellen Entwicklungen tragen auch viel zur Begeisterung Tamara Karlovskys für dieses Thema bei. Recht ist für sie allgegenwärtig: „Die Gesellschaft nimmt sehr wenig wahr, wie stark das Recht unseren Alltag prägt. Ein wesentlicher Teil unseres Lebens bzw. unserer Handlungen wird von Gesetzen und Verordnungen reguliert.“ Die Juristin hat nach ihrem Studium an der Universität Wien in einer Anwaltskanzlei gearbeitet: „Oftmals sind es für den Mandanten auch aus persönlicher Sicht Ausnahmesituationen, in denen er oder sie Rechtsbeistand sucht. Besonders in solchen Situationen bin ich gerne mit rechtlichem Rat zur Seite gestanden.“ In die Wissenschaft ging Karlovsky, weil man hier auch den Raum und die Zeit hat weiterzudenken: „Es gilt, was im Gesetz steht, aber ob man das für ‚gerecht‘ empfindet ist eine andere Frage. Die Wissenschaft bietet einem die Möglichkeit, die gesetzten Normen zu hinterfragen, Probleme aufzuzeigen und Lösungsvorschläge zu entwickeln und dabei auch Gehör zu finden.“
Gleichzeitig ist sie eine freudvolle Lehrende, die mit großem Enthusiasmus Wissen vermittelt und sich auch leidenschaftlich mit Studierenden über unterschiedliche Ansichten zu juristischen Problemen austauscht. „Das Schönste ist, wenn man Studierende durch ihr Studium begleitet und erkennt: Aus dem oder aus der wird was werden!“ Besonders viel Potenzial sieht sie bei den Alumni des Studiums „Wirtschaft & Recht“, das es ihrer Meinung nach nur in Klagenfurt in dieser Form gibt: „Wir haben Studienzweige, die maßgeschneidert für zukünftige WirtschaftsprüferInnen oder SteuerberaterInnen sind. Das ausgewogene Verhältnis zwischen betriebswirtschaftlichem und rechtlichem Wissen, welches hier vermittelt wird, ist einzigartig. Hinzu kommen die hohe Qualität in der Lehre und ein ausgezeichnetes Betreuungsverhältnis. Wir unterstützen unsere Masterstudierenden bei der Suche nach Praxisplätzen und bieten beste Chancen, ein Auslandssemester zu absolvieren.“ Nach ihrem Doktorat, das sie Ende dieses Semesters abschließen möchte, würde Tamara Karlovsky sehr gerne wieder zurück in die „Anwaltei“.
Auf ein paar Worte mit … Tamara Karlovsky
Was hätten Sie in den letzten Jahren gemacht, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?
Ich hätte weiterhin in der Rechtsanwaltskanzlei gearbeitet, mittlerweile die Rechtsanwaltsprüfung abgelegt und wäre jetzt Rechtsanwältin.
Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Ja, die grundsätzlichen Dinge, aber sicher nicht alle juristischen Feinheiten.
Was machen Sie im Büro morgens als erstes?
Ich trinke mit meiner Kollegin Kaffee. Der damit einhergehende persönliche, aber vor allem fachliche Austausch, lässt uns nicht nur motiviert, sondern auch inspiriert in den Tag starten.
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an die Arbeit zu denken?
Definitiv! Wer nicht auch mal abschalten kann, kann dann, wenn es notwendig ist, nicht an seine Grenzen gehen.
Was bringt Sie in Rage?
Ineffizientes Arbeiten und mangelnder zwischenmenschlicher Respekt.
Und was beruhigt Sie?
Immer wieder meine Kollegin.
Wer ist für Sie die größte WissenschaftlerIn in der Geschichte und warum?
Hans Kelsen ist mit Sicherheit ein herausragender Rechtswissenschaftler. Mit seiner „Reinen Rechtslehre“ hat er einen bedeuten Beitrag zur rechtstheoretischen Aufarbeitung des Geltungsgrundes des Rechts geleistet. Zudem ist er es, dem wir verdanken, dass Österreich das erste Land mit einer eigenständigen Verfassungsgerichtsbarkeit war.
Wovor fürchten Sie sich?
Manche gesellschaftliche Entwicklungen bereiten mir Unbehagen …
Worauf freuen Sie sich?
Auf den Abschluss meiner Dissertation und die Rückkehr in den Anwaltsstand.