Gleichzeitig Multimedia-Inhalte konsumieren: Ab wann merken NutzerInnen Verzögerungen im Videostreaming?
Stefan Petscharnig (Institut für Informationstechnologie) hat sich in seiner Masterarbeit mit Evaluationsmethoden beschäftigt, die aufzeigen sollen, bis zu welcher Verzögerung Nutzerinnen und Nutzer von gestreamten Multimedia-Inhalten „Gleichzeitigkeit“ wahrnehmen. Dafür wurde er mit dem Würdigungspreis des BMWFW ausgezeichnet.
Worum geht es in Ihrer Arbeit?
Es geht mir um die Qualität des Konsumierens von Multimedia-Inhalten. Das klassische Wohnzimmerszenario – Freunde und Familie treffen sich im Wohnzimmer und konsumieren Multimediainhalte zusammen – wird allmählich von moderneren Arten des Multimediakonsums überholt. Im Anwendungsfall SocialTV konsumieren mehrere Benutzerinnen und Benutzer an verschiedenen Orten dieselben Multimediainhalte zur selben Zeit. Ein wichtiger Aspekt des SocialTV ist die soziale Komponente: die einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind mittels moderner Kommunikationsmethoden untereinander vernetzt und somit in der Lage, sich über das gemeinsame Erlebnis auszutauschen. Die technischen Probleme des zeit-synchronen Abspielens und des Ausgleichs der Asynchronität sind von aktueller Forschung mit gut funktionierenden Methoden abgedeckt. Die Frage, ob eine Synchronisation überhaupt notwendig ist, verbleibt jedoch offen.
Womit haben Sie sich konkret auseinandergesetzt?
Der Masterarbeit zugrunde liegt die Frage, ab wann Benutzerinnen und Benutzer im SocialTV-Szenario merken, dass die Multimediainhalte nicht zeit-synchron abgespielt werden.
Wie sind Sie dieser Frage nachgegangen?
Wir haben ein Vorgehen zur Evaluation vorgestellt, das Methoden von Human Computation, Crowdsourcing und Gamifizierung vereint. Diese, einem Spiel sehr ähnliche Evaluationsmethode, ist eigens dafür entwickelt, um den Einfluss von Asynchronität auf das Zusammengehörigkeitsgefühl, den Grad der empfundenen Verärgerung, die subjektiv erlebte Fairness und die so genannte Quality of Experience zu messen.
Wie haben Sie die StudienteilnehmerInnen gefunden?
Dafür haben wir die Plattform Microworkers verwendet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden mit kleinen Beiträgen bezahlt.
Welche Personen konnten Sie damit gewinnen?
Es handelt sich um eher junge Menschen. Aber der Markt ist auch besonders groß bei Online-Spielen, die gestreamt werden. Da gibt es beispielsweise eine Plattform, wo Computerspiele übertragen werden, die dann andere Personen kommentieren. Auch in diesem Bereich ist Synchronisation besonders wichtig.
Wo liegt der Schwellenwert, bis zu dem Synchronisation als solche erlebt wird?
Dieser liegt bei 400 Millisekunden. Bis zu diesem Wert merkt man Verzögerungen nicht wirklich. Liegt die Verschiebung aber höher als eine dreiviertel Sekunde (750ms), fühlen sich die Personen in der Regel nicht mehr in der gewünschten Weise ‚zusammengehörig‘ und die allgemeine Erlebnisqualität leidet.
Wie ist derzeit der Standard?
Derzeit funktioniert die gewünschte Synchronisation häufig noch nicht, da die Lösungen aus der Forschung eine gewisse Anlaufzeit benötigen, um marktreif zu werden.
Was kann man technisch veranlassen, damit die Übertragung synchroner abläuft?
Die Daten gehen von Servern aus. Dann läuft das Streaming über die verschiedenen Geräte im Netzwerk, wobei immer einzelne Knoten bevorzugt werden müssen. Das hängt auch von der physischen Distanz zwischen den Geräten ab – liegt beispielsweise der Server in Wien, brauchen die Daten länger, um nach Australien zu gelangen, als wenn ich das Video in Klagenfurt ansehen möchte. Im Wesentlichen handelt es sich immer um eine kooperative Strategie, das heißt, es muss jemand warten, oder es muss auf jemanden gewartet werden. Mit der Idee der „Interdestination multimedia-synchronisation“ werden zwischen den einzelnen Multimedia-Peers Zeitstempel darüber ausgetauscht, wo diese gerade im Video stehen. Dann gibt es Möglichkeiten, diese Abstände auszugleichen.
Herr Petscharnig, Sie wurden für Ihre Arbeit mit dem Würdigungspreis des Wissenschaftsministeriums ausgezeichnet. Möchten Sie daran – oder in einem anderen wissenschaftlichen Bereich – weiterarbeiten?
Diese Arbeit ist für mich abgeschlossen. Momentan bin ich Projektassistent am Institut für Informationstechnologie im Projekt KISMET. Meine Aufgabe ist die Einbettung von Expertenwissen in Algorithmen zur automatischen Videoanalyse endoskopischer Videos.
Wollen Sie in der Wissenschaft bleiben?
Ja, das wäre mein Ziel. Hier gibt es interessante Fragestellungen, besonders in der Grundlagenforschung, denen man in der Privatwirtschaft nicht in gleichem Maße nachgehen kann. Man kann sich mit neuer Technologie beschäftigen und an den Theorien dahinter arbeiten.
Was würden Sie einem jungen Menschen sagen, der vor technischen Studiengängen zurückschreckt?
Ich glaube, dass jede und jeder seinen eigenen Interessen nachgehen muss. Der Bereich bietet aber viele Chancen, zumal ein gewisses technisches Grundverständnis heute auch für jeden nötig ist.
Zur Person
Stefan Petscharnig, geboren 1990, absolvierte sein Bachelor- und Masterstudium (Informatik) an der Alpen-Adria-Universität. Für seine Masterarbeit wurde er mit dem Würdigungspreis des BMWFW (Staatspreis für die besten Diplom- und Masterabschlüsse) ausgezeichnet. Mit diesem Preis, der aus Mitteln der Studienförderung finanziert wird und mit 3.000 EUR dotiert ist, werden seit 1990 jährlich die 50 besten Diplom- und Masterabschlüsse an allen österreichischen Universitäten und Fachhochschulen (von insgesamt 16.000 Abschlüssen jährlich) gewürdigt.