Gemeinsam zur besseren Entscheidung

Täglich treffen wir Entscheidungen, sei es im Berufs- oder im Alltagsleben. Wir stehen oft vor komplexen Aufgaben, die wir nicht immer alleine lösen, sondern im Team besser bewältigen können. Mit wem wir gute Entscheidungen treffen, um gemeinsam Aufgaben zu lösen, damit beschäftigt sich Dario Blanco-Fernandez vom Doktoratskolleg DECIDE. 

Wie arbeiten Menschen zusammen, wenn es darum geht, gemeinsam komplexe Aufgaben zu lösen und so zu guten Entscheidungen zu gelangen? Mit dieser Forschungsfrage beschäftigt sich Dario Blanco-Ferndandez, der insbesondere die Teamkonstellationen in den Blick nimmt. Komplexe Aufgaben können aufgrund begrenzter Fähigkeiten oftmals nicht alleine gelöst werden. Jedoch durch die Selbstorganisation von Gruppen können Menschen aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten ihre Grenzen überwinden. Personen und Gruppen lernen im Laufe der Zeit, neue Wege zur Lösung der Aufgaben zu bestreiten. Das Ziel von Dario Blanco-Fernandez ist es herauszufinden, welche Auswirkungen die Instabilität der Gruppenkonstellationen auf die Leistungsfähigkeit beim Lösen von komplexen Aufgaben hat. Daran arbeitet der Doktorand vom DECIDE-Kolleg im Forschungsteam von Stephan Leitner und Alexandra Rausch von der Abteilung für Controlling und Strategische Unternehmensführung.

Never change a winning team?

In den bisherigen Forschungen ist man davon ausgegangen, dass Veränderungen der Gruppenkonstellationen zu schlechteren Leistungen führen und die Gruppenstabilität eine gewünschte Eigenschaft ist. Blanco-Fernandez sieht das anders und holt weiter aus: „Es gibt Situationen, in denen Menschen Schwierigkeiten haben, zu guten Lösungen zu gelangen. Die Gründe sind sehr vielfältig. Die Aufnahme von neuen Gruppenmitgliedern kann mitunter ein Weg sein, neues Wissen in die Gruppe einzubringen und so die Innovation und die Kreativität einer Gruppe zu fördern.“ Durch die Selbstorganisation nimmt die Gruppe diese Personen in ihre Reihen auf, so dass sie die am besten geeigneten Mitglieder hat, um eine Lösung für die komplexen Aufgaben zu finden. Somit wird Wissen generiert, das zuvor nicht verfügbar war. Diese Ergebnisse stellen die Strategie „Never change a winning team“ infrage.

„Neue Gruppenmitglieder wirken sich positiv auf die Entscheidungsfindung aus.“ (Dario Blanco-Fernandez)

Solche heterogenen Gruppen verbinden die Eigenschaften von Fachwissen und Fähigkeiten, über die eine Person alleine nicht verfügt. Für eine Person, so Blanco- Fernandez, sei es zeitlich sehr mühsam, sich neue Fähigkeiten anzueignen. „In einer heterogenen Gruppe können sie das Nötige beisteuern, und das wirkt sich sehr positiv auf die Entscheidungsfindung aus.“ Wenn sich die Gruppenmitglieder im Hinblick auf ihre Rollen und Erfahrungen zu ähnlich sind, erschwert das die Entscheidungsfindung. Blanco-Fernandez dazu: „Eine heterogene Gruppe trifft Entscheidungen effizienter, da sie verschiedene Sichtweisen ins Spiel bringt.“

Dario Blanco-Fernandez arbeitet vor allem mit Simulationsmodellen, um eine komplexe Aufgabenumgebung zu schaffen. Basis ist das agentenbasierte NK-Modell, das aus der Biologie stammt, aber auch für organisatorische Fragestellungen anwendbar ist. Noch wird die menschliche Komponente, wie z. B. Entscheidungsfehler oder begrenzte Voraussicht im Simulationsmodell, nicht berücksichtigt. Jeder „Agent“ handelt im Modell autonom. Im organisatorischen Kontext sind Agenten Expert*innen in einem Bereich wie z. B. Controlling oder Marketing. Diese verfügen innerhalb ihres Fachbereichs über begrenzte (kognitive) Fähigkeiten und sind gefordert, neue Wege zur Erfüllung der Aufgaben zu erlernen. Sie können ihre Aufgabe nicht alleine bewältigen, sondern müssen mit anderen Agenten zusammenarbeiten. Sie bilden eine autonome Gruppe und können von Zeit zu Zeit umorganisiert werden. „Wir nehmen Modelle und simulieren sie mit verschiedenen Variablen am Computer, wie etwa die Häufigkeit des Austauschs der Gruppenmitglieder und wie sich die Zusammensetzung auf die erreichte Aufgabenleistung auswirkt“, erläutert Blanco-Fernandez. Jener Agent, der den höchsten Nutzen zur Erfüllung der Teilaufgabe signalisiert und am besten geeignet ist, wird für die Gruppe ausgewählt. Blanco-Fernandez stellte fest, dass Gruppen, die ihre Mitglieder öfter austauschen, als relativ instabil gesehen werden.

„Gruppen sollen sich anzupassen, wenn das individuelle Lernen gering ist.“ (Dario Blanco-Fernandez)

Der Forscher kommt zu dem Ergebnis, dass innovative Gruppen, die mit komplexen Entscheidungen konfrontiert sind, ihre Gruppenmitglieder möglichst nicht austauschen sollten, damit es zu keinem Leistungsrückgang kommt. Weniger innovative Gruppen hingegen sollen ihre Mitglieder auf selbstorganisierte Weise ersetzen, um die Leistung zu steigern. Die Analysen berücksichtigen weiters die zeitliche Dauer der Zusammensetzung einer Gruppe und die Auswirkung verschiedener Lebensdauern auf die Leistung.

„Die Forschungsarbeit hat gezeigt, dass die Auswirkungen von Teamveränderungen sehr stark vom individuellen Lernen abhängen“, so Blanco-Fernandez, der weiter ausführt: „Wenn Menschen auf der Ebene des individuellen Lernens Schwierigkeiten haben, dann wirkt sich eine Gruppenveränderung positiv auf die Aufgabenerfüllung aus.“ Begründet wird das damit, dass man der Gruppe die Möglichkeit zur autonomen Gruppenbildung und -anpassung gibt, indem die Mitglieder durch andere Personen ersetzt werden. Die Untersuchungen führten zum Ergebnis, dass Lernen und Veränderungen sich gegenseitig beeinflussen. Die Selbstorganisation von Gruppen kann die Aufgabenleistung verbessern, je nachdem, wie komplex die Aufgabe und wie ausgeprägt das individuelle Lernen ist. „Gruppen sind daher gut beraten, sich anzupassen, wenn das individuelle Lernen gering ist“, fasst Dario Blanco-Fernandez zusammen.

Auf die Frage, welche Gruppenzusammensetzung nun die beste wäre, antwortet der Forscher: „Das ist diejenige, in der alle Gruppenmitglieder gemeinsam zur besten Lösung finden.“

für ad astra: Lydia Krömer

Doktoratskolleg DECIDE


Das Doktoratskolleg „Decision-Making in a Digital Environment (DECIDE)“ beschäftigt sich mit dem Entscheidungsverhalten im Digitalen Zeitalter: Dabei geht es sowohl um den Einfluss digitaler Technologien auf das menschliche Entscheidungsverhalten, um die Frage, wie sich Meinungen in (sozialen) Netzwerken bilden, um neue technologische Möglichkeiten der Entscheidungsunterstützung im Sinne von Insight (Data Science, Machine Learning), aber auch um die Möglichkeiten und Grenzen technischer Systeme, die autonome Entscheidungen treffen. Zur Beantwortung derartiger Fragen bedarf es eines interdisziplinären Teams, das wirtschaftswissenschaftliche, technische und psychologische Perspektiven integriert. Derzeit arbeiten acht internationale PhD-Studierende an den interdisziplinären Projekten.

Zur Person


Dario Blanco-Fernandez ist seit 2019 Senior Scientist und Doktorand im Kolleg DECIDE am Digital Age Research Center (D!ARC). Er studierte Economics an der Universidad de Oviedo (Bachelor) und an der Universidad Carlos III de Madrid (Master). In seinen Forschungen beschäftigt er sich mit dynamischen Entscheidungsverhalten und Gruppenbildung im digitalen Zeitalter und arbeitet vor allem mit Simulationsmodellen.