Dorothea Rüb | Foto: aau/Müller

Geburt in den Printmedien: Zwischen Risikofaktoren und Wellness-Kreißsaal

Das Bild der Geburt in den Medien ist sehr divergent. Zu diesem Ergebnis kommt Dorothea Rüb, Doktoratsabsolventin der Alpen-Adria-Universität und bis Ende 2016 Studiengangsleiterin der Hebammenausbildung an der Fachhochschule Kärnten, in ihrer kürzlich abgeschlossenen Dissertation. Sie hat die Darstellung der Geburt in österreichischen Printmedien untersucht. 

In der medialen Berichterstattung scheint der Wunschkaiserschnitt in den hiesigen Krankenhäusern sehr verbreitet zu sein. „Das Narrativ ist häufig, dass Frauen wählen können und sie das auch tun sollen. Und dass Frauen sich in dieser Situation in einer beachtlichen Anzahl für den Eingriff entscheiden,“ so Dorothea Rüb. Allerdings ist der Anteil der Kaiserschnitte in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren gestiegen; Kaiserschnitte ohne medizinische Indikation machen jedoch nur rund 3 Prozent aus. „Hier wird also, insbesondere für meinen Untersuchungszeitraum 2007-2008, ein Bild gezeichnet, das sich dann in den Vorstellungen der werdenden Mütter fortpflanzt“, so Rüb.

Dorothea Rüb hat sich in ihrer Dissertation, die sie bei Brigitte Hipfl am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft verfasst hat, auf die Analyse von Printmedien konzentriert. Sie ortet dabei einen wesentlichen Unterschied zu den audiovisuellen Medien und dem Internet: „In den Printmedien gab es im Untersuchungszeitraum eher wenige und häufig weichgezeichnete Artikel zu diesem Thema. Die Entbindungsstation wird da oft zur Wellnessoase, in der es Angebote zu konsumieren gilt. Bebildert wird mit madonnenhaften schönen Frauen mit Babys im Arm oder nacktem Babybauch. Dagegen scheinen die Geburten in audiovisuellen Medien von Dramatisierung beherrscht zu sein, was zum Teil auch in Boulevardmedien zu beobachten war.“ Die Artikel unterzog sie einer intensiven Diskursanalyse nach Jäger.

Dorothea Rüb hat Ende der 1970er Jahre in Berlin die Hebammenausbildung absolviert und war über 30 Jahre lang als Hebamme im klinischen und außerklinischen Bereich tätig. Von 2010 bis 2016 war sie Studiengangsleiterin für Hebammen an der FH Kärnten. Sie ist seit 1994 (Chef)-Redakteurin der Österreichischen Hebammenzeitung, weshalb sie sich auch für ein Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften entschied. Rüb weiß aufgrund ihrer umfassenden Erfahrung, wovon sie spricht, wenn sie vom Bild der Geburt in der Öffentlichkeit spricht: „Eine informierte Entscheidung zur Geburt kann meines Erachtens auch heute oft noch nicht stattfinden, trotz all der Informationen off- und online. Das Internet bietet den Frauen die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch. Viele Websites verfolgen aber industrielle Interessen oder die zugänglichen Informationen sind nicht wirklich umfassend. “

Eine Narration in vielen Medien ist für Rüb der angeblich nahtlose Übergang von der Geburt in den normalen Alltag: „Promis zeigen, wie schnell Frauen selbst nach Zwillingsgeburten wieder schlank und rank sein müssen. Es scheint, als wäre alles mit einem einfachen Fingerschnippen passiert. Das setzt die Frauen oft unter großen Stress.“ Wie überhaupt das Mütterlichkeitsbild häufig großen Druck erzeugt: „In Österreich und Deutschland ist das Bild der ‚guten Mutter‘ noch sehr verbreitet. Da gibt es aber viele kulturelle Unterschiede auch in den westlichen Kulturen. Die historisch gewachsene Trennung von Privatem und Öffentlichem wirkt noch bis heute fort, weswegen viele Frauen in Konflikte geraten. Ideologisch und emotional aufgeladen, und damit für viele belastend, ist auch das Bild des Mutterglücks.“

All dies werde natürlich auch über Medien massenwirksam vermittelt: So seien in den von Rüb untersuchten Berichten Väter Randfiguren. „Dazu gehört auch der Mythos des Vaters, der im Kreißsaal umkippt. Was die jungen Mütter brauchen, ist ein sozialer Raum, der Unterstützung bei der Betreuung eines Säuglings bzw. Babys bietet. Viele Frauen sind sehr alleingelassen. Das zu verändern, ist eine wesentliche gesellschaftliche Aufgabe.“

Seit Beginn des Jahres ist Dorothea Rüb im Ruhestand und erst einmal mit ihrem Mann zu einer langen Reise nach Neuseeland aufgebrochen. Nun, zurückgekehrt, möchte sie sich weiter der Hebammenzeitung widmen und sich auch wieder verstärkt gesellschaftlich engagieren.

Auf ein paar Worte mit … Dorothea Rüb

Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Hebamme geworden wären?

Bildhauerin?

Was machen Sie morgens als erstes?

Zeitung lesen, in den Himmel und den Garten schauen

Machten Sie – vor Ihrer Pensionierung – richtig Urlaub? Ohne an die Arbeit zu denken?

Durchaus

Was bringt Sie in Rage?

Ungerechtigkeit

Und was beruhigt Sie?

Atmen, in die Natur gehen

Wer ist für Sie die größte WissenschaftlerIn in der Geschichte und warum?

Da kann ich nur mehrere nennen: Trotula (Trota), die im 11. Jahrhundert ein gynäkologisch-geburtshilfliches Standardwerk veröffentlichte und an der Fakultät von Salerno lehrte, die Künstlerin und Forscherin Maria Sybilla Merian, die im 17. Jahrhundert für ihre Naturstudien in die Tropen reiste, die Friedensaktivistin Helene Stöcker, die 1901 in der Schweiz promovierte und sich für Frauenrechte und -gesundheit engagierte, Marie Johoda, die in den 20er Jahren mit ihrer Arbeitslosenstudie bahnbrechende sozialwissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse entwickelte, und und und… Doch viele wirkten im Verborgenen oder ihre Leistungen wurden nur ihren Brüdern und Männern zugeschrieben (wie Mileva Einstein-Maric).

Wofür schämen Sie sich?

Dass wir mit unserer westlichen Konsumgesellschaft unseren Planeten und die Menschheit gefährden.

Wovor fürchten Sie sich?

Vor Donald Trump

Worauf freuen Sie sich?

Auf eine Zeit mit Freiraum, auf´s Wandern, Lesen, Reisen, FreundInnen, meine Enkelkinder. Auf´s Zeit haben.