Frauen* in der Wissenschaft: der Matilda-Effekt
Was hat eigentlich die Kernspaltung mit Matilda zu tun?
Ob in der Wissenschaft, Kunst oder anderen Feldern: Werke von Frauen* werden – im Vergleich zu Männern auch heutzutage – häufiger ignoriert, ihnen wird Anerkennung verwehrt oder sie werden anderweitig unsichtbar gemacht. Der Matilda-Effekt beschreibt diese systematische Unterschätzung oder Nichtanerkennung wissenschaftlicher Leistungen von Frauen*.
Die US-amerikanische Frauenrechtlerin, Aktivistin und Soziologin Matilda Joslyn Gage wies schon 1870 in ihrem Pamphlet mit dem Titel Woman as Inventor auf dieses Phänomen hin. In den 1990er Jahren gab dann die Wissenschaftshistorikerin Margaret W. Rossiter dieser systematische Diskriminierung den Namen “Matilda Effekt” (siehe zum Beispiel The Matthew Matilda Effect in Science).
Ein bekanntes Beispiel ist der Chemiker Otto Hahn, der den Nobelpreis für die Entdeckung der Kernspaltung erhielt. Physikerin Lise Meitner, die lange Jahre mit ihm arbeitete und grundlegend an den Erkenntnissen beteiligt war, erhielt für ihre Arbeit keinen Preis. Neben der Vergabe renommierter Preise ist der sogenannte Gender Citation Gap ein weiteres Beispiel für den Matilda-Effekt.
Wir möchten daher im Rahmen des internationalen Weltfrauentages (auch internationaler feministischer Kampftag genannt) am 8. März auf diesen Effekt aufmerksam machen.
Das barrierefreie Plakat finden Sie hier: Plakat Matilda
Wie zeigen sich solche Phänomene im Alltag?
Den Matilda-Effekt können wir auch im Alltag beobachten. In Lehrveranstaltungen, bei Vorträgen oder in Sitzungen wird Frauen* signifikant häufiger ihre Expertise abgesprochen als Männern. Sie werden öfter unterbrochen, ignoriert, kritisiert und kommentiert als Männer – auch wenn oder gerade weil sie Expertinnen sind (siehe zum Thema Lehrevaluationen zum Beispiel MacNell, Driscoll & Hunt 2014)
Wenn diese Angriffe von Personen kommen, die eine “niedrigere” Position in der Organisation einnehmen als die betroffene Frau*, sprechen wir von academic contrapower harassment. In Lehrveranstaltungen wird dies beispielsweise sichtbar, wenn sich Studierende ihren weiblichen Lehrenden gegenüber eher respektlos verhalten, ihre Autorität eher in Frage stellen, gegen sie argumentieren oder sich weigern, in der Lehrveranstaltung kommunizierte Regeln zu befolgen (siehe Lampman et al. 2016).
Dies kann natürlich auch Auswirkungen auf die betroffenen Personen haben. Sie stellen sich vielleicht selbst öfters in Frage oder versuchen, noch mehr zu leisten. Die damit einhergehenden Auswirkungen werden an der Intersektion von Geschlecht und sozioökonomischem familiären Hintergrund noch deutlicher. So halten sich beispielsweise Studentinnen, die als erste Person ihrer Familie studieren, seltener für begabt als ihre Mitstudierenden. Dies hat eine direkte Auswirkung auf ihre weiteren Erfolgschancen in der Arbeitswelt (siehe Bauer & Job 2024).
Was können wir tun?
In einem ersten Schritt geht es darum, Frauen* als Expertinnen sichtbar zu machen – durch Öffentlichkeitsarbeit, Podiumsdiskussionen und Vorträge, als Lehrende oder in Gremien. Zu diesen Zwecken kann beispielsweise in folgende Datenbanken zu Expertinnen oder Wissenschaftlerinnen geschaut werden:
- Frauen* in Forschung und Technologie
- Datenbanken Frauen- und Geschlechterforschung
- Expertinnen-Datenbank Österreich
Ally und Role Model sein:
Was kann ich als Lehrende:r, Kolleg:in, Mitstudierende:r oder Beobachter:in tun?
- Darauf aufmerksam machen, wenn Frauen* oder marginalisierte Personen weniger Anerkennung bekommen oder ihre Beiträge übersehen werden.
- Ansprechen, wenn sich jemand respektlos verhält.
- Privilegien nutzen, die wir aufgrund von Herkunft, Status oder Geschlecht etc. haben, zum Beispiel indem wir für andere Raum bei Entscheidungsfindungen schaffen oder ihre Redebeiträge unterstützen.
- Dabei unterstützen, eine gute und wertschätzende (LV-)Atmosphäre zu schaffen. Oft reicht schon aktives Zuhören – gerade wenn es andere nicht tun.
Nehmen Sie Ihre Leitungsrolle wahr:
- Ansprechen, wenn es zu solchen Situationen kommt.
- Auf Code of Conducts und Regeln der Zusammenarbeit hinweisen (oder den Frauenförderungs- oder Gleichstellungsplan)
- Rahmenbedingungen, z.B. Moderationsmethoden oder räumliches Setting, ändern.
Mit der Kampagne „Youniversity: Vielfalt feiern. Respekt leben.“ greift der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der Universität Klagenfurt in den kommenden zwei Semesetern monatlich Diversitätsthemen auf. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der Kampagne.