Faszination und Kritik: Medienkunst im öffentlichen Raum

Ob Kunst oder Kommerz, oder Mischformen: Der öffentliche Raum wird immer mehr zum Schauplatz für Bewegtbilder, die uns auf digitalen Screens oder projiziert auf Häuserfassaden begegnen. Martina Tritthart, Medienkünstlerin und Postdoc-Assistentin an der Abteilung für Visuelle Kultur, spricht im Interview über Momente der Faszination, aber auch kritische Facetten der allgegenwärtigen Bilder.

Woher rührt Ihr Interesse für Medienkunst im öffentlichen Raum?

Das ist ein Bereich, der sich in den letzten fünfzig Jahren sehr stark entwickelt hat. Neue Medien und neue Technologien haben massiv ausgeweitete Möglichkeiten geschaffen. Für mich ist es sehr spannend herauszufinden, wie uns diese Medienkunst im negativen Sinne manipulieren oder im positiven Sinne inspirieren kann.

In welchen Formen begegnen wir der Medienkunst?

Inhaltlich liegt vieles, was wir sehen, an der Schnittstelle zwischen Kunst und Kommerz. Einerseits ist einiges davon Werbung, auf der anderen Seite gibt es aber auch große Medienkunstfestivals. Vielerorts wird die Architekturfassade von Gebäuden selbst zum Medium. Das finde ich besonders spannend, weil hier ein realer Ort physisch vorhanden ist, der mit digitalen Inhalten bespielt wird.

Wenn Sie in Ihrer Arbeit historische Vergleiche anstellen, reichen diese wie weit zurück?

Bewegtbilder im öffentlichen Raum sind gar nicht so neu wie man meinen würde. Die Camera obscura gab es beispielsweise schon in der Antike. Eigentlich handelt es sich dabei um einen dunklen Raum mit einer sehr kleinen Öffnung, durch die das bewegte Bild von außen mit nur einem Lichtstrahl in einen Innenraum projiziert wird. Auch das war schon eine Art kinematographische Erfahrung. Es gab also schon früher nicht nur das Plakat oder das statische Bild, sondern für mich als Wissenschaftlerin gibt es auch in der Mediengeschichte viel zu entdecken.

Wo finden Sie heute Ihr Material?

Ich besuche viele Ausstellungen, Festivals und lese spezifische Literatur. Da ich auch selbst als Medienkünstlerin arbeite, bin ich in einer Szene, in der aktuelle Positionen stark diskutiert werden. Meine künstlerische und wissenschaftliche Arbeit lässt sich auch nicht immer leicht voneinander trennen. Die Erfahrungen aus der künstlerischen Praxis verwende ich für die künstlerische Forschung.

Steigt die Fülle an Medienkunst im öffentlichen Raum?

Ja! Der Times Square oder der Piccadilly Circus waren schon früh Hotspots, auf denen Werbebilder in bunten Farben auf Bildschirmen leuchteten. Heute sehen wir in vielen asiatischen, schnell wachsenden Städten wie beispielsweise in China, wie  ganze Architekturfassaden zu digitalen Screens werden . Aber auch in historischen Städten wie Wien begegnen wir immer mehr Infoscreens, vor allem überall dort, wo Menschenmassen vorbeikommen. Filme wie Blade Runner aus den 1980er Jahren haben vorausgesagt, wie so eine urbane Welt in der Zukunft mit allgegenwärtigen Bewegtbildern aussehen wird. Vielerorts sind wir dort angekommen.

Die hohe Dichte verstärkt den Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Wie wirkt sich das auf die Inhalte aus?

Auf Medienfestivals sehen wir, dass diese Projektionen immer spektakulärer werden. Früher haben viele Künstler:innen noch mehr mit den Fassaden gespielt, das ist zwar noch da, aber in den Hintergrund gerückt. Die technologischen Möglichkeiten mit immer lichtstärkeren Hochleistungsprojektoren überstrahlen vielerorts die Architektur. Die Betrachterin kann darüber sogar vergessen, wo sie sich überhaupt befindet. Dabei steht oft die Illusion und die Überwältigung mit Bild und Ton im Vordergrund. Ich sehe hier einen Widerspruch zu den Problemen unserer Zeit: Je mehr Spektakel, desto weniger denkt man darüber nach, wo wir sind und welche Beziehung wir zu unserer Umgebung haben. Darin sehe ich auch die Problematik. Ich bin einerseits fasziniert und andererseits bin ich auch kritisch, was mit der Gesellschaft passiert.

Wie gehen Städte mit der allgegenwärtigen Medienkunst um? Gibt es dafür Reglements?

Es gibt dazu eine Debatte, die auch immer wieder von Stadtforscher:innen, Künstler:innen, Architekt:innen  oder Kulturwissenschaftler:innen angestoßen wird. Zu jeder Bewegung gibt es ja auch immer eine Gegenbewegung. Weil wir hier aber an einer Schnittstelle zwischen Kunst und Kommerz agieren, ist die Stimme der Kritik oft recht leise. Letztlich ist Marketing und Werbung ein Geschäft, für das auch starkes Lobbying betrieben wird. Aber es gibt auch ein gesteigertes Interesse an zeitgenössischer Medienkunst von Firmen, die Werbescreens betreiben. Vor Kurzem wurden an Sonntagen Videos von mir und anderen Künstler:innen im Zentrum Wiens auf Infoscreens gezeigt.

Zum Abschluss eine Frage an Sie als Künstlerin: Wie geht es Ihnen damit, dass Ihre Medienkunst im Gegensatz zu einem statischen Bild nach der Ausstellung verschwindet?

Ich habe nicht das Bedürfnis, etwas für die Ewigkeit zu machen. Mich interessiert vor allem der Ort. Für den Ort gestalte ich meine Werke. Am Ende bleiben die Dokumentation und hie und da auch eine Publikation. Aber in Summe möchte ich an dem spezifischen Ort so wenig Spuren wie möglich hinterlassen.

Zur Person



Martina Tritthart studierte Architektur an der TU Graz, wo sie auch mit der Schrift „Lichträume – Raummodelle der Wahrnehmung. Phänomene der visuellen Raumwahrnehmung anhand ausgewählter Beispiele der bildenden Kunst und ihr Potenzial für die Architektur“ promovierte. Sie war in den letzten zwanzig Jahren unter anderem als Lehrende an Universitäten und Fachhochschulen tätig. Sie war zuerst Universitätsassistentin an der TU Graz und von 2003 bis 2005 Universitätsassistentin an der Kunstuniversität Linz. Seit 2020 ist sie eine der beiden Kurator:innen des „Freien Kinos“ (Im Stadtkino Wien und Factory des Künstlerhauses). Martina Tritthart ist neben ihrer wissenschaftlichen und kuratorischen Tätigkeit als Licht- und Medienkünstlerin aktiv. Seit Oktober2023 ist Martina Tritthart Postdoc-Assistentin an der Abteilung für Visuelle Kultur an der Universität Klagenfurt, seit 2024 auch Studiengangsleiterin.