Faszination Bachmannpreis – ORF-Kulturredakteurin Michaela Monschein im Gespräch

Was zeichnet einen guten Text aus? Und wie können Absolvent:innen in der Kulturbranche Fuß fassen? Michaela Monschein ist Kulturjournalistin für TV und Radio und hat 12 Jahre lang den Bachmannpreis im ORF-Landesstudio Kärnten organisiert. Mit uns hat sie als Alumna der Universität Klagenfurt über Erinnerungen an ihre Studienzeit gesprochen und lässt uns hinter die Kulissen ihrer Arbeit und des Bachmannpreises blicken.

Frau Monschein, Sie haben Germanistik und Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Klagenfurt studiert. Warum haben Sie sich für diese Studienkombination und für die Universität Klagenfurt entschieden?

Ich habe schon als kleines Kind Bücher und Literatur geliebt, also war es für mich ganz klar – das will ich studieren. Dann war die Frage, was noch dazukommt, und Medienwissenschaft hat ganz gut gepasst. Die Universität Klagenfurt war ja quasi direkt vor der Tür und ich war gefühlt schon dabei, als sie aufgemacht wurde. Als Kind bin ich dann dort gewesen und habe mir gedacht: Da will ich später einmal hin. Ein guter Ort, um zu studieren.

Waren Sie während Ihres Studiums auch im Ausland?

Ich habe Aufenthalte in Deutschland und den USA gehabt. Wir waren damals beinahe die Ersten, die vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft im Rahmen eines Auslandssemesters in die USA gekommen sind, und das war ein großes Abenteuer. Man ist dann angekommen, in meinem Fall in Topeka, Kansas, und hat erst mal schauen müssen, wie alles geht. Alleine in einem fremden Umfeld mit fremder Sprache habe ich viel gelernt, auch über mich selbst. Ich bin dann auch viel herumgefahren, war in LA und Chicago. Daher ist auch der Spaß an der Sprache geblieben, ich lese und schaue immer noch viel auf Englisch als Hobby.

Was ist Ihnen aus Ihrer Studienzeit noch am besten in Erinnerung geblieben?

Ich habe gelernt, strukturiert zu denken und kritisch zu hinterfragen, das ist ein großes Geschenk. Ich durfte viele Bücher lesen und forschen – in der Bibliothek mit einem Notebook bin ich einer der glücklichsten Menschen, die es gibt. Ich war auch mit meiner Diplomarbeit allein, weil ich da gerade in Deutschland war, und es war eine Herausforderung, selbst mit dem Thema zurechtzukommen. Meine Studienzeit war eine sehr gute Zeit und ich habe sie auch lange genug genossen, 14 Semester waren es bestimmt. Ich habe aber auch meistens nebenbei gearbeitet.

Sie halten auch regelmäßig Lehrveranstaltungen an der Universität Klagenfurt. Wie ist der Kontrast für Sie, zuerst zu studieren und dann an derselben Uni zu unterrichten?

Es macht mir Spaß, ich mag das Unterrichten sehr. Ich habe zwar keine pädagogische Ausbildung, aber ich komme gern mit Menschen ins Gespräch, stelle ihnen Dinge zum Überlegen vor und frage sie, was sie davon halten, was sie selbst dabei denken. Ich fühle mich jedes Mal geehrt, wenn ich eine Lehrveranstaltung halten darf. Leider ist es nur etwa jedes zweite Semester möglich, da ich ja auch einen Beruf habe. Wichtig ist mir dabei, keinen Monolog zu halten, sondern dialogisch zu unterrichten. Das ist viel anstrengender, aber es bewegt sich mehr, alle sind hellwach und bringen sich gerne ein. Es bringt niemandem was, wenn man halb apathisch im Seminar drinsitzt und wartet, bis es vorbei ist.

Was würden Sie heutigen Studierenden mit auf den Weg geben, die im Kulturbereich Fuß fassen möchten?

Dass es klüger ist, nur dann zu studieren, wenn es einen wirklich interessiert. Und man sich vorstellen kann, dass einen dieser Beruf lange begleitet. Nur Auswendiglernen reicht nicht, es geht um Interesse und nicht einfach nur um Abhaken von Lehrveranstaltungen. Nur wenn man selbst was wissen und verstehen will, wird es interessant. Sonst kommt dann die Realität, dass man später in so einem Unternehmen steht und den Unterschied zwischen Theorie und Praxis sieht. Ohne gewisse Begeisterung und Willen wird es schwierig.

Wie entscheidet man sich als Student:in für den richtigen Weg?

Heute haben es die jungen Menschen schwerer, es gibt viele Mitbewerber:innen und irgendwann muss man sagen, warum man geeignet ist für den Job. Man muss sich daher früh überlegen, wohin man sich entwickelt. Auf jeden Fall sollte man vorher reichlich Praktika machen, viel ausprobieren, wie der Traumberuf in der Realität so ist. Man merkt das auch bei unseren Praktikant:innen. Nur wenige sind wirklich gut.

Was zeichnet denn gute Praktikant:innen aus?

Sie sollten soziale Kompetenz und Benehmen haben, neugierig sein, gute Schreibfähigkeiten haben und Rechtschreibung beherrschen. Sie sollten Geschichten erzählen, viel selbst herausfinden wollen und nicht am Freitag zu Mittag sagen, dass sie zum Dreh nicht mehr mitfahren, weil sie zu müde sind. Auch ins Ausland zu gehen kann für die Entwicklung helfen, weil man sich ausprobieren kann und nicht mehr den geschützten Rahmen hat, wo einem nichts passieren kann. Später arbeitet man auch in der realen Welt.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?

Es gibt keinen typischen Arbeitstag. Jeder Tag ist anders. Und es kann sich auch sehr kurzfristig entscheiden, dass alles nochmals ganz anders wird. Ich bin Kulturjournalistin, mache Radio und Fernsehen, Formate in Kärnten, aber auch viel überregional wie Zeit im Bild, matinee ORF2, viel Ö1, Radiogeschichten, Beiträge fürs Kulturjournal. Besonders interessant wird es, wenn man ein Thema hat, über das man in fünf unterschiedlichen Formaten berichtet. Weil es jedes Mal anders wird und man immer eine andere Geschichte erzählt.

Was gefällt Ihnen am meisten an Ihrem Job?

Ich darf ständig dazulernen, jeden Tag. Und Menschen kennenlernen. Man darf sich Geschichten ausdenken, wie eine Sendung sein kann, wer was erzählt und wie man alles interessant gestaltet. Man muss dabei geistig beweglich bleiben, man kann sich oftmals ein noch so gutes Konzept überlegen, und dann kommt die Wirklichkeit daher. Ich versuche mich immer auf die Themen und die Menschen einzulassen. Einen Zettel mit Fragen zum Abarbeiten habe ich noch nie gehabt. Ich bereite mich auf Interviews immer gut vor, aber der Rest soll ein Gespräch werden.

Hätten Sie sich im Studium schon gedacht, dass sich Ihre Karriere so gestalten wird?

Nein, hätte ich nicht. Ich bin mit 19 zum ersten Mal in ein ORF-Studium gestolpert und habe dann angefangen, Radio zu machen, solange ich in Österreich war. Danach habe ich viele andere Sachen gemacht, habe lange im Wieser-Verlag und später im Musil-Institut gearbeitet. Dann kam irgendwann das Angebot, ob ich den Bachmannpreis organisieren möchte. Ich habe zunächst gesagt, da muss ich erstmal genau darüber nachdenken, weil damit übernimmt man ja auch eine große Verantwortung. Es waren dann 12 sehr interessante Jahre.

Sie waren von 2001 bis 2012 Organisatorin des Bachmann-Preises. Was waren Ihre Aufgaben?

Die gesamte Organisation, also Jurybetreuung, Autorenbetreuung, Sponsorenbetreuung, Mitveranstalterbetreuung, die Organisation der ganzen Veranstaltungen, die wir im Ausland gemacht haben. Also so ziemlich alles inklusive der Pressearbeit, dem Schreiben des Programmhefts – und überhaupt der Mensch zu sein, der über alles den Überblick hat und weiß, was er tun soll, wenn‘s brennt. Es war eine sehr gute Zeit, ich habe viel gelernt und konnte meine Erfahrungen aus allen meinen Jobs zusammenfügen, das Studium, Erfahrungen beim Verlag, bei einer Werbeagentur, Organisieren und Menschen zusammenbringen. Besonders schön war auch der Kontakt zur Jury und zu den Autor:innen. Es war natürlich auch anstrengend, aber hat Spaß gemacht, weil ich leidenschaftlich gern organisiere. Es gibt nichts Schöneres, als wenn eine tolle Veranstaltung dabei herauskommt, alles perfekt funktioniert hat und man als Teilnehmer:in gar nicht bemerkt, wie viel Arbeit dahintersteckt.

Was war schwierig bei der Organisation?

Ich habe immer gesagt: In den nächsten drei Minuten kann mein Handy klingeln und eine kleine Katastrophe kommt daher. Es gibt keine Sicherheit, es kann immer was passieren. Einmal musste ich kurzfristig einen Frisör organisieren vor der Eröffnungsrede einer Preisträgerin. Auch für sowas ist man zuständig. Ich habe auch zum Beispiel im Studio immer geschaut, ob nichts herumsteht oder kein Geschirr herumliegt. Man kann sich auch als Gastgeberin verstehen. Für viele war ich das tatsächlich. In Deutschland wurde ich schon öfter begrüßt mit den Worten „Da ist Klagenfurt!“, bis ich realisiert habe, dass sie damit mich meinen.

Wer ist dieses Jahr ein Anwärter auf den Bachmann-Preis? Haben Sie einen Favoriten?

Sowas ist immer extrem schwer vorhersehbar, man weiß auch nie, wie sich die Diskussion entwickelt. Eine Kollegin und ich waren uns vor ein paar Jahren bei einem Text absolut sicher, dass er der Gewinner des Bachmannpreises wird. Wurde er aber nicht. Einen Text, den ich toll finde, muss die Jury nicht auch unbedingt toll finden und umgekehrt. Eine Rolle spielt bestimmt auch, wie sich die Autoren präsentieren.

Ist der Bachmannpreis noch ein wichtiger Teil Ihres Lebens?

Ich freue mich immer auf den Bachmannpreis, ich verbringe dann die ganzen Tage vor dem Fernseher und schreibe die Timecodes mit, das ist schon spannend. Ich mache auch gerne Radio-Liveeinstiege, bei denen ich den Leuten einfach vom Bewerb erzähle. Die Literaturwissenschaftlerin in mir bleibt dabei jedoch zuhause, es geht eher darum, den Menschen eine Geschichte zu erzählen. Man begibt sich auf die Suche nach Themen, die den Texten gemeinsam sind, oder nach Texten, die völlig woanders hinwollen. Die Rede von Tanja Maljartschuk, der Bachmannpreisträgerin von 2018, ist dieses Jahr besonders aufregend. Sie ist sehr nahe an uns und der Ukraine. Es nehmen auch immer mehr Autor:innen am Bachmannpreis teil, die international sind, das finde ich besonders toll.

Was macht einen guten Text aus?

Für einen guten Text gibt es drei Möglichkeiten. Erstens: Er ist sprachlich experimentell und versucht etwas ganz Neues über Sprache zu verhandeln, wobei die Handlung in dem Fall eine weniger große Rolle spielt. Zweitens: Der Text will eine geniale Geschichte erzählen, die man so noch nie gehört, gedacht oder verstanden hat. Oder drittens: Er setzt sich mit unserer Welt auseinander, mit Konflikten, mit Krieg, wo es besonders nah dran geht und auch weh tut.

Muss sich Literatur mit der Gegenwart beschäftigen?

Hier stellt sich immer die Frage, wie sehr sich Literatur mit dem Hier und Jetzt beschäftigen soll. Muss beispielsweise Klimawandel eine Rolle spielen oder nicht? Natürlich kann er es, aber es sollte auf keinen Fall erzwungen sein, sonst macht es keinen Sinn. Ähnlich verhält es sich dann, wenn Autor:innen zu einem Thema schreiben, nur weil es gerade „in“ ist. Literatur kann aber auch oft prophetisch sein. Stadtschreiber Elias Hirschls Roman „Salonfähig“ wurde auch schon als Satire auf die Ära Kurz gesehen – was aber nicht sein kann, da er ja 3 oder 4 Jahre daran geschrieben hat und einfach nur das, was ihn interessiert hat. „Salonfähig“ ist übrigens ein sehr empfehlenswertes Buch. Eher ungern mag ich dagegen beispielsweise Befindlichkeitsprosa, man muss sich nicht durchgehend mit sich selbst beschäftigen und das auch noch aufschreiben.

Was ist das Faszinierende am Bachmann-Preis?

Ganz klar: Dass die Menschen real da sind und über Literatur reden, und das gibt es auch noch im Fernsehen in voller Länge. Und das ist heute fast ein Wunder, denn abgesehen von einigen wenigen Sendungen kommt es kaum noch vor. In unserem ORF-Studio laufen viele Leute herum, die ganze Stadt ist sehr lebendig, das tut der Stadt und allen Beteiligten sehr gut. Viele reisen extra aus Deutschland, der Schweiz und von überallher an. Eine tolle Visitenkarte für Klagenfurt und das Landesstudio.

Was würden Sie Ingeborg Bachmann fragen, wenn Sie noch die Möglichkeit dazu hätten?

Ich würde fragen: „Warum hast du nie über deinen Vater geredet?“ Matthias Bachmann hatte es durchaus in sich. Mich mit Ingeborg Bachmann zu unterhalten, wäre toll gewesen und bestimmt sehr spannend.

Was machen Sie in Ihrer Freizeit zum Ausgleich?

Kunst ist ein wichtiger Teil meines Lebens, genauso wie die Menschen, die ich kennen darf. Reisen hoffentlich auch bald wieder, am liebsten ans Meer. Ich bin eine richtige Wasserratte, sich am Rücken im Meer treiben zu lassen ist einfach nur schön. Ich gehe auch gern ins Theater, treffe mich mit Freunden, lese oder liege mit meiner Katze auf dem Sofa. Der rechte Arm gehört ihr und mit dem linken darf ich lesen oder surfen. Ist nur blöd, wenn die Bücher zu schwer sind.

Was ist der Unterschied, wenn Sie Kunst privat oder beruflich erleben?

Beruflich scanne ich jedes Detail in Hinsicht darauf, wie es anschließend vermittelt werden kann. Privat kann ich aber sehr gut abschalten und die Kunst in Ruhe genießen.

Was ist Ihr Lieblingsort?

Das Schloss Lind knapp vor Neumarkt in der Steiermark, natürlich auch wieder ein Kunst-Ort. Aber das Schloss, der viele Platz dort herum und die Menschen dort sind einfach großartig.