Es gibt kein Zurück.
Michael Marketz, Geschäftsführer der Kärnten Netz GmbH, vertritt einen der Stifter der Professur „Nachhaltiges Energiemanagement“, die an der Universität Klagenfurt angesiedelt und mit Nina Hampl besetzt ist. Mit beiden hat ad astra über die Herausforderungen der Klima- und Energiewende gesprochen.
Herr Marketz, warum unterstützt die KELAG die Stiftungsprofessur für Nachhaltiges Energiemanagement?
Michael Marketz: Wir haben schon davor immer wieder mit der Universität Klagenfurt kooperiert, hatten aber das Ziel, die Intensität der Zusammenarbeit zu steigern. Als das Angebot kam, eine Stiftungsprofessur für Nachhaltiges Energiemanagement zu unterstützen, war uns klar, dass wir hier thematisch profitieren können. Viele Herausforderungen der KELAG und der Kärnten Netz GmbH decken sich inhaltlich mit den Themen des Lehrstuhls.
Was erwarten Sie sich von der Inhaberin des Lehrstuhls? Und bekommen Sie auch, was Sie erwarten?
Marketz: Ja, die Zusammenarbeit funktioniert ausgezeichnet. Nina Hampl hat 2015 mehr oder weniger allein mit dem Thema gestartet, mittlerweile hat sie eine ganze Abteilung aufgebaut und ein schlagfertiges Team zusammengestellt. Die Forschungsleistungen finden national und international Beachtung. Wir kooperieren im Rahmen mehrerer Projekte, vor allem zu Themenstellungen, die uns im Kontext der Klima- und Energiepolitik wesentlich betreffen.
Frau Hampl, welchen Unterschied macht es für Sie, dass Ihre Professur von einem Stiftungskonsortium finanziert wird?
Nina Hampl: Die Aufgaben eines Lehrstuhls sind ja Lehre, Forschung und die Third Mission, also der Transfer wissenschaftlicher Arbeit in die Gesellschaft. Ich glaube, in allen drei Punkten ist es sehr gewinnbringend, wenn man mit Unternehmen kooperiert. Wir haben neben der KELAG die Infineon, w&p-Baustoffe, die Privatstiftung Kärntner Sparkasse und den Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds als Partner, die uns einen direkten Zugang zur Praxis ermöglichen. Mit der KELAG haben wir zuletzt eine Doktorarbeit gemeinsam betreut. Aber auch in der Lehre ist die Zusammenarbeit eng: Ich bin ja derzeit in Karenz. Während meiner Abwesenheit übernehmen zwei Kollegen von der KELAG meine Lehrveranstaltung zu Energiemanagement. Es profitieren also auch die Studierenden davon, dass wir die Grenzen zwischen Wissenschaftsbetrieb und Praxis aufbrechen.
Eignet sich das Thema Energiemanagement besonders für die enge Kooperation?
Marketz: Die Zusammenarbeit ist nicht nur hier, aber hier besonders bedeutsam. Klima- und Energiepolitik beschäftigen uns derzeit sehr stark, nicht nur als Unternehmen, sondern das Bewusstsein ist in der gesamten Bevölkerung – nicht zuletzt dank „Fridays for Future“ – gestiegen. Die Energiewirtschaft bewegt sich ganz klar in Richtung Nachhaltigkeit: Wir müssen den Anteil an erneuerbaren Energien im Energiesystem steigern, müssen mit Energie generell effizienter umgehen und die Treibhausgasreduktion stark vorantreiben.
Hampl: Der öffentliche Diskurs und die Tatsache, dass nun auch die Politik diese Bestrebungen auf ihre Agenda setzt, bringen uns tatsächlich voran. Wir stehen in vielen dieser Problemfelder derzeit in den Startlöchern zur breiten Umsetzung. Damit einher gehen eine Reihe von Herausforderungen, beispielsweise die Akzeptanz neuer Technologien betreffend.
Sieht man den Zulauf zu den Klimabewegungen, die sehr viele Menschen auf die Straße bringen, dürfte die Akzeptanz doch kein Problem darstellen, oder?
Hampl: Diese Frage muss man differenziert sehen. Grundsätzlich ist die Akzeptanz der erneuerbaren Energietechnologien sehr hoch. Photovoltaik, Windkraft, aber auch „alte“ erneuerbare Energieträger wie Wasserkraft werden vom Großteil der Bevölkerung befürwortet; Probleme entstehen aber häufig bei der Umsetzung. Dies sehen wir besonders bei Wind- und Wasserkraftprojekten, die häufig Widerstand auslösen. Wenn der Ausbau dieser Kraftwerke weiter forciert wird, wird das Thema der sozialen Akzeptanz stark an Bedeutung gewinnen.
Welche Ziele hat man sich bezüglich erneuerbarer Energie gesetzt?
Marketz: Die österreichische Klima- und Energiestrategie #mission2030 sieht vor, dass Österreich bis dahin im Stromsektor vollständig mit erneuerbarer Energie versorgt werden soll. Das bedeutet nach Berechnungen der E-Wirtschaft, dass drei Mal so viel Windstrom erzeugt werden muss wie derzeit, zwölf Mal so viel Solarenergie und auch die Wasserkraft ausgebaut werden muss. Die E-Wirtschaft steht hier österreichweit vor einer großen Herausforderung, die sie tatkräftig in Angriff nimmt. Aber auch die Bevölkerung muss den Wandel mittragen. Nina Hampl gibt uns mit ihren Studien einen guten Einblick in die Akzeptanz dieser Technologien; wir sehen aber, dass wir weiter stark daran arbeiten müssen. Ähnliche Fortschritte werden auch beispielsweise bei der E-Mobilität nötig sein.
Wie hoch ist die Bereitschaft der Menschen, auf elektrobetriebene Autos umzusteigen?
Hampl: Im Wesentlichen sind es zwei Punkte, die viele davon abhalten, auf E-Mobilität zu setzen: Elektroautos sind heute noch teurer als fossil betriebene Fahrzeuge. Außerdem haben viele Menschen Sorge, mit dem E-Auto irgendwo zu stranden und nicht mehr weiterzukommen. Diese so genannte range anxiety ist noch weit verbreitet. Wenn man aber beispielsweise nach Norwegen blickt, sieht man, dass E-Autos dort bereits im Massenmarkt angekommen sind. Bei uns steigt die Zahl der Neuanmeldungen kontinuierlich.
Marketz: Ich kann an dieser Stelle aus Sicht der KELAG ein Praxisbeispiel einbringen: In unserem Fuhrpark sind derzeit 60 E-Fahrzeuge im Einsatz, einige davon haben bereits eine Reichweite von 300 Kilometern und mehr. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen das Angebot, diese Autos zu nutzen, sehr gerne an.
Folgt man der öffentlichen Debatte, scheint die Energiewende derzeit von einer großen Dringlichkeit getrieben. Sind Sie selbst optimistisch, dass die nächsten Schritte noch rechtzeitig gesetzt werden?
Marketz: Grundsätzlich möchte ich betonen: Wir brauchen nicht nur einen Wandel beim Strom, sondern auch eine Wärme- und eine Verkehrswende. Energieeffizienz darf dabei nicht außer Acht gelassen werden. Ich habe aber noch kaum jemanden kennengelernt, der versucht, zuhause umfassend seinen Stromverbrauch zu reduzieren. An all diesen Punkten müssen wir arbeiten. Ich möchte aber den Eindruck nicht gelten lassen, dass wir erst jetzt reagieren. Das Thema ist nicht neu und es gab schon zahlreiche Schwerpunkte und nationale sowie internationale politische Bemühungen. Mit Greta Thunberg ist die Diskussion aber in den Familien angekommen. Grundsätzlich bin ich optimistisch: Ja, wir werden einen großen Teil unsere Ziele erreichen. Wichtig ist, dass wir jetzt mit dem Umbau der Systeme anfangen. Ein Zurück gibt es nicht mehr.
Hampl: Im Leben muss man immer optimistisch sein, und auch ich stimme zu: Es gibt kein Zurück. Die Klimakrise ist wahrscheinlich die größte Krise, vor der die Menschheit je stand. Der Energiebereich hat einen ganz wesentlichen Anteil in Bezug auf die Kohlendioxidemissionen. Wenn der Lebensstandard in den emerging economies in Afrika, Asien und Südamerika weiter ansteigt, gibt es zudem ein massives Ressourcenproblem. Beidem können wir nur mit nachhaltigen Technologien begegnen.
für ad astra: Romy Müller