Eingetaucht ins Wörtermeer: Poetische Metaphern
Die Situation kennen alle: Sie sitzen vor einem Gedicht und fragen sich: Was hat denn der Autor oder die Autorin damit gemeint? Und: Wie ist die eine oder andere Metapher zu verstehen? Carina Rasse, ÖAW-DOC-Stipendiatin am Institut für Anglistik und Amerikanistik, wird in den kommenden zwei Jahren erforschen, wie Metaphern entstehen und wie sie von den Lesenden entschlüsselt werden.
Damit sie die Autorinnen und Autoren nach den Kreationsprozessen der Metaphern befragen kann, hat sich Carina Rasse auf zeitgenössische lyrische Werke spezialisiert. In einem ersten Schritt hat sie sich an 50 Autorinnen und Autoren im englischsprachigen Raum gewandt und nachgefragt: Wie beschreiben Sie Ihre Metaphern? Welche Rolle spielen sie in Ihren Werken? Wie entstehen die Metaphern? 30 Dichterinnen und Dichter haben geantwortet. Einer von ihnen, der amerikanisch-kanadische Dichter und Assistenzprofessor James Arthur, hat Carina Rasse zu sich an die Johns Hopkins University nach Baltimore eingeladen, wo sie im Februar 2020 Arthur’s Creative Writing Seminare besuchen wird, um aus erster Hand mitzuerleben, wie angehende Dichterinnen und Dichter Metaphern kreieren. Des Weiteren haben sich aus den zahlreichen Rückmeldungen der Interviews für Carina Rasse interessante Fragestellungen ergeben, denen sie weiter nachgehen möchte. Dabei gelte es nicht, nur einzelne Begriffe als Metaphern in Gedichten herauszunehmen, sondern ein Gedicht müsse häufig als Gesamtkonstrukt metaphorisch verstanden werden. Die konzeptuelle Metapherntheorie, die die Linguistik für die Untersuchung von Metaphern häufig heranzieht, sei allein nicht für diesen Zweck geeignet, da Gedichte zu komplex seien. Carina Rasse wird daher in den nächsten Monaten an einem innovativen theoretisch-empirischen Konzept feilen, mit dem sie sich ihrem Untersuchungsgegenstand nähern kann.
Mit diesem Projekt hat Carina Rasse, die bisher auf literaturwissenschaftliche Aspekte der Anglistik und Amerikanistik spezialisiert war, die Brücke zur Sprachwissenschaft geschlagen. Dass ihr Interesse den Sprachen gilt, war auch durch ihre familiäre Ausgangssituation geprägt. So ist Russisch ihre zweite Muttersprache, in der Schulzeit kamen Englisch, Italienisch und Latein hinzu. „Dennoch kann ich, indem ich Gedichte bearbeite, auch der Literatur treu bleiben“, erklärt sie uns im Interview. Ihre Arbeit wird von Alexander Onysko betreut. Das Young Scientists Mentoring Programm der AAU hat es Carina Rasse ermöglicht, den angesehenen Kognitionspsychologen Raymond W. Gibbs als Mentor zu gewinnen.
Carina Rasse hat davor sowohl das Bachelor- als auch das Master-Studium der Anglistik und Amerikanistik in Klagenfurt absolviert. Mit dem Studium „Media and Convergence Management“ hat sie sich ein zweites Standbein geschaffen. Ihr Plan A ist aber die Forschung, wie sie uns berichtet: „Der Aufwand für den Projektantrag war hoch, aber die Bemühungen haben sich nun gelohnt.“ Mit dem ÖAW-DOC-Stipendium für das Projekt mit dem vollen Titel „Poetic Metaphors: Creativity and Interpretation” kann sie für fast zwei Jahre all ihre Energie der wissenschaftlichen Arbeit widmen.
Auf ein paar Worte mit … Carina Rasse
Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin wären?
Wahrscheinlich Dolmetscherin oder Übersetzerin
Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Größtenteils. Vor allem mit meiner Mama spreche ich viel über meine Arbeit.
Was machen Sie im Büro morgens als erstes?
Meine Kolleginnen und Kollegen begrüßen, E-Mails lesen und beantworten
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Ich denke auch im Urlaub hin und wieder an die Arbeit. Das stört mich aber nicht, da durch die neuen Eindrücke oft interessante Ideen entstehen.
Was bringt Sie in Rage?
Hinterlistigkeit, Falschheit
Und was beruhigt Sie?
Spaziergänge mit meinem Hund
Wer ist für Sie die/der größte WissenschaftlerIn der Geschichte und warum?
In meinem Forschungsgebiet sind es George Lakoff and Mark Johnson, die den Zusammenhang von Denken, Erleben und Sprechen radikalisiert und gezeigt haben, dass die grundlegenden Strukturen unseres täglichen kognitiven Funktionierens metaphorischer Natur seien. Für mich persönlich sind zudem mein Betreuer, Alexander Onysko, und mein Mentor, Ray Gibbs, in vielerlei Hinsicht großartige Wissenschaftler.
Wovor fürchten Sie sich?
Verluste
Worauf freuen Sie sich?
Ich freue mich sehr auf die gemeinsame Zeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen und den Studierenden; darauf, neue Projekte zu entwickeln, an Konferenzen teilzunehmen und Lehrveranstaltungen zu leiten.