Ein Sprachenstudium geht weit über den Erwerb der linguistischen Fähigkeiten hinaus. Das Kennenlernen der Kultur und Literatur eines Sprachraums stehen genauso im Fokus des Studiums. Die LV führt Studierende in die Literatur von Italo Calvino ein, einem bedeutenden italienischen Schriftsteller der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Können Sie uns etwas Näheres zu Ihrer LV „La trilogia fantastica I nostri antenati di Italo Calvino“ erzählen? Worum geht es dabei genau?
Es geht um drei Romane des italienischen Schriftstellers Italo Calvino. Il visconte dimezzato (1952) erzählt die Geschichte des in den Türkenkriegen zweigeteilten Medardo di Terralba, dessen böse und dessen gute Hälfte ihr Unwesen treiben bis sie sich schließlich duellieren und seine Ganzheit wiederherstellen.
Der zwölfjährige Cosimo Piovasco di Rondò aus Il barone rampante (1957) steigt aus Protest gegen die elterliche Autorität auf einen Baum und verbringt dort die weiteren vier Jahrzehnte seines Lebens. Von den Bäumen aus wird er zum Zeugen einer historischen Epoche – des fortgeschrittenen 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts mit deren politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen – und gleichermaßen zum Sinnbild des Schriftstellers.
Die Hauptfigur aus Il cavaliere inesistente (1959) dient im Heer Karls des Großen und vereint in sich alle Qualitäten eines vorbildhaften Ritters – abgesehen von dem Makel, dass es ihn nicht gibt und er als leere Rüstung auftritt.
In der Lehrveranstaltung geht es darum, verschiedene Facetten der Phantastik Calvinos zu untersuchen. Ausgestattet mit einem feinen Sinn für Humor bringt Calvino auf spielerische Weise intertextuelle wie auch selbstreflexive Bezüge ein und schafft in diesen Erzählungen, die in früheren Epochen angesiedelt sind, zahlreiche Anspielungen auf Probleme der Gesellschaft seiner Zeit.
Was wollen Sie Ihren Studierenden mitgeben?
Mit der Lehrveranstaltung möchte ich das Interesse der Studierenden am Werk Italo Calvinos und an der italienischen Literatur im Allgemeinen wecken. Das Werk Calvinos eignet sich dazu, den Übergang der Literatur der Moderne zu derjenigen der Postmoderne zu beleuchten und über Ironie, Phantastik, Intertextualität und Selbstbezug in der Literatur zu reflektieren. Es eignet sich insbesondere auch dazu, die allegorische Anlage und lebensweltliche Verankerung einer scheinbar evasiven Phantastik zu untersuchen.
Was ist Ihr persönlicher Bezug zu dieser Thematik?
Ein Schwerpunkt meiner Forschungsinteressen liegt in der fantastischen Literatur der Moderne. Den besonderen Reiz des Werks von Calvino macht für mich die Kombination von Sinntiefe mit Heiterkeit, Fantasie und Verspieltheit aus. Meine erste Begegnung mit diesem Autor geht auf den Italienischunterricht meiner Schulzeit zurück. Nämlich auf die Lektüre von Erzählungen aus Marcovaldo ovvero Le stagioni in città von 1963.
Zur Person
Martina Meidl lehrt im Bereich Literaturwissenschaft am Institut für Romanistik der Universität Klagenfurt. Sie leitet das interuniversitäre Forschungsprojekt „The Exercise of Judgment in the Early Modern Age“ und ist Mitglied des Editorial Boards bei „Investigaciones: Forschungen zu Lateinamerika“