Einblick in die Lehre… 3 Fragen an Jasmin Kulterer
In westlichen Industrieländern bedeutet Essen schon lange mehr als die bloße Nahrungsaufnahme. Essen kann Genuss bedeuten, es kann zur Veränderung benutzt werden oder andere Kulturen geschmacklich erlebbar machen. Auf sozialen Medien wird Essen inszeniert und instrumentalisiert. Was das für das Individuum bedeuten kann und wie man es kritisch analysiert und diskutiert, erfahren Studierende in diesem Proseminar.
Können Sie uns etwas Näheres zu Ihrer LV „#foodporn – Essen, Identität und Identifikation im Kontext von Foodblogs“ erzählen? Worum geht es dabei genau?
In diesem Proseminar geht es darum, dass sich Studierende mit den unterschiedlichsten Inszenierungen von Essen und Ernährung in Sozialen Netzwerken und auf Blogs aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht kritisch auseinanderzusetzen sollen. Wir, in den westlichen Industrieländern, leben in absolutem Überfluss, wodurch Essen und Ernährung schon lange nicht mehr nur die Funktion erfüllen, unseren Körper mit Energie zu versorgen. Essen und Ernährung sind zu quasi identitätsstiftenden Merkmalen in unserer Gesellschaft geworden. Die eigene Identität wird von Menschen heute mitunter auch über das Posten von Essen und Ernährungsverhalten in den diversen Online Plattformen zum Ausdruck gebracht und verhandelt. Man setzt sich durch Bilder, Beschreibungen, Hashtags, Verlinkungen usw. in Beziehung zu bestimmten kulturellen Kontexten, sozialen Gruppen und Subkulturen. Auch ethische, moralische, ökologische, ökonomische und politische Themen spielen hinein – aus all diesen Symbolwelten wird dabei geschöpft. Mit Kommentarfunktion findet ein weiterer Austausch statt, Bedeutung wird neu verhandelt und somit ist das ein sehr dynamisches und interaktives Feld in dem zahlreiche Akteur*innen sich daran beteiligen, Diskurse über Essen und Zugehörigkeit zu (re)produzieren. Mit diesen Themen befassen wir uns im Seminar zuerst aus theoretischer Perspektive und dann wenden wir die theoretischen Konzepte in gemeinsamer Diskussion und Analyse auf Beispiele an. In weiterer Folge wählen die Studierenden selbst Beispiele aus, die sie dann mit unterschiedlichen Schwerpunkten einer kritischen Analyse unterziehen, um herauszufinden, auf welche Weise durch die Verwendung visueller Codes, aber auch Texte, Hashtags, Verlinkungen usw. Bedeutung generiert wird.
Was wollen Sie Ihren Studierenden mitgeben?
Essen und Ernährungsweisen werden häufig nicht hinterfragt, speziell wenn es um kulturelle Prägungen geht. Mir ist immer wichtig, dass Studierende auch lernen, die scheinbar banalsten und alltäglichsten Dinge genauer unter die Lupe zu nehmen und sich auf einer wissenschaftlichen Ebene damit auseinandersetzen. Das was einem davor als ‚normal‘ und ‚naturgegeben‘ erscheint, entpuppt sich dann meist recht schnell als etwas das komplexen Regeln unterliegt, die durch unterschiedlichste Akteur*innen historisch, kulturell und sozial geprägt wurden. Essen wird meist als etwas sehr Individuelles verstanden, dabei ist der individuelle Umgang mit Essen und Nahrung, auch die Akzeptanz dessen, was und wie wir essen, an viel weitreichendere, kollektive Praktiken gebunden und hängt ganz eng mit unserer Sozialisation zusammen.
In all den auf Essen und Ernährung ausgerichteten Beiträgen, Blogs, Vlogs usw. liegt viel Potential für Austausch, Beschäftigung mit Ernährung, Inspiration, aber auch Druck, Desinformation und das Bewerben gesundheitlich bedenklicher Trends.
Deshalb dachte ich mir, das könnte auch für Studierende ein interessantes Thema sein, um sich damit einmal sachlich und kritisch auseinanderzusetzen. Dabei werden die positiven wie die negativen Aspekte beleuchtet und das was wir in Sozialen Medien sehen dekonstruiert, in die kleinsten Bausteine zerlegt, um die dahinterliegenden Mechanismen und Praktiken offenzulegen und zu verstehen.
Warum ist Ihre Lehrveranstaltung gerade heute relevant?
Unser Alltag ist von Medien durchdrungen und speziell durch die aktuelle Pandemie und die vielfältigen Einschränkungen des ‚normalen‘ Alltags hat sich bei vielen Menschen ein großer Teil des sozialen Lebens mangels Alternativen in ‚soziale‘ Netzwerke verlagert. Gerade letztes Jahr während der umfangreichen Lockdowns in vielen Ländern, boomten Food Blogs, Rezeptseiten und Foodfluencer in den Sozialen Netzwerken, die aber auch zuvor schon sehr präsent waren. Essen und Ernährung zählen zu den top Themen auf Instagram & Co – implizit und explizit. Alleine der Hashtag #foodporn zählt auf Instagram über 260 Millionen Beiträge. Was darunter alles gepostet wird, variiert jedoch enorm. Foodporn ist für jede/n etwas anderes und wird auf unterschiedlichste Weise medial inszeniert. Ernährung ist darüber hinaus ein Thema, das in westlichen Industrieländern in vielen Disziplinen und gesellschaftlichen Bereichen diskutiert wird. Deshalb ist das in meinen Augen ein hoch relevantes Thema, das ich gemeinsam mit Studierenden einmal aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht beleuchten wollte.
Zur Person
Jasmin Kulterer studierte an der Universität Klagenfurt und an der Universität Salzburg, wo sie auch promovierte. Sie hat Erfahrung im Content- und Projektmanagement, sie lehrt, hält Vorträge und Workshops und publiziert. Neben ihrer Lehrtätigkeit an der Universität Klagenfurt, ist sie in der Frauenförderung tätig und arbeitet im Mädchenzentrum (Standort Villach) als Betriebskontaktmanagerin und Fit(Frauen im Handwerk & Technik)-Begleiterin.