Einblick in die Lehre… 3 Fragen an Hans-Karl Peterlini
Hans-Karl Peterlini ist seit Jänner 2020 Prodekan der Fakultät für Kulturwissenschaften. In seinen Publikationen beschäftigte er sich mit den Ursachen und Bewältigungsmöglichkeiten politischer, gesellschaftlicher und kulturell bedingter Konflikte. Der Schwerpunkt in den jüngeren Publikationen liegt auf Lernen und Bildung in transkulturellen und transnationalen Räumen. In seiner Lehrveranstaltung beschäftigt er sich mit Dimensionen der Macht in unterschiedlichen Feldern pädagogischen Handelns. Machtbeziehungen in Bezug auf pädagogisches Denken und Handeln sowohl auf der Lehr- als auch auf der Lernseite zu erkennen und zu reflektieren, ist Lehr- und Lerninhalt des Seminars „Macht und Ohnmacht in pädagogischen Feldern“. Wir haben mit ihm darüber gesprochen.
Können Sie uns etwas Näheres zu Ihrer LV „Macht und Ohnmacht in pädagogischen Feldern“ erzählen? Worum geht es dabei genau?
Menschen, die im weitesten Sinne pädagogisch tätig sind, gehen meistens mit großem Idealismus an ihre Arbeit heran, vielfach folgen dann Enttäuschungen, Gefühle des Versagens, eben Momente der Ohnmacht, weil pädagogisches Handeln leider – oder zum Glück – keine Ergebnissicherheit bietet. Alles Arbeiten mit Menschen entbehrt einer sicheren Kausalität, wir können unseren Input (weitgehend) reflektieren, aber die Ergebnisse, wie Menschen unsere Inputs aufnehmen und gegebenenfalls umsetzen, haben wir nicht in der Hand. Deshalb dient das Seminar dazu, solche Erfahrungen zu reflektieren und einen Umgang damit zu suchen. Dasselbe gilt für Machtausübung. Auch da kann es zu unglücklichen Entwicklungen kommen, weil Macht erlitten oder missbraucht wird. Die Reflexion darüber üben wir in phänomenologischen Deutungen von Bildern, die die Studierenden von eigenen Macht-Ohnmachtserfahrungen zeichnen, jüngst auch mit szenischen Zugängen wie Forumtheater.
Denken Sie, dass sich Machtdimensionen im Laufe der Zeit verschoben haben? Wenn ja, wie sehen Sie diese Entwicklung und welche Vor- bzw. Nachteile hat diese Veränderung?
Wir orientieren uns vor allem an der Machttheorie von Michel Foucault, nach der Macht ja nicht ein Besitzstand ist, sondern im zwischenmenschlichen Handeln auftritt, repressiv und konstruktiv sein kann. In seiner Analyse von Institutionen geht er auf Kasernen, Gefängnisse, die Psychiatrie und die Schule ein. Hier zeigen sich sehr wohl Entwicklungen, in Humanisierung, in der Zurücknahme von repressiven zugunsten förderlicher Ansätze, wenngleich es sich um diskursive Aushandlungsprozesse handelt, die immer auch Rückschlägen oder nur besser getarnten Strategien ausgesetzt sind. Interessant finde ich den Ansatz von Byung-Chul Han, der Macht umso schwächer einschätzt, je mehr jene, die sie ausüben, auf Repression zurückgreifen müssen, während eine freundliche Macht, die sich Vermittlungsprozessen anvertraut, auf eine gestärkte Position verweist. Damit lassen sich Machtverhältnisse einer kritischen Prüfung unterziehen: Gibt es ein Bemühen um Vermittlung oder werden Ziele autoritär durchgesetzt? Letzteres rächt sich oft in weniger guten Lösungen oder destruktiven Situationen, im privaten wie im beruflichen, im gesellschaftlichen wie im politischen Kontext.
Haben Sie einen persönlichen Bezug zu dieser Thematik?
Das muss wohl sein, da ich immer wieder auf das Thema zurückkomme und auch meine Habilitationsschrift dem Thema „Lernen und Macht“ gewidmet habe. Ich ertrage autoritäre, repressive Machtverhältnisse ganz schwer, während ich immer wieder auch erleben durfte, beim Zusammenarbeiten mit anderen, wie beglückend es sein kann, wenn Macht nicht darin besteht, den eigenen Willen mit Kraft durchzusetzen, sondern sich einem freien Spiel der Ideen und des Austausches anzuvertrauen. Das wäre wohl ein Verständnis von Macht, wie Hannah Arendt es als Möglichkeit sozialer Teilhabe versteht, eine Ermächtigung von Menschen, die uns allen hilft, besser zu leben.
Zur Person
Hans Karl Peterlini ist seit September 2014 Universitätsprofessor für Allgemeine Erziehungswissenschaft und Interkulturelle Bildung am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung. Hans Karl Peterlini absolvierte 2006 das Studium der psychoanalytischen Erziehungswissenschaft sowie das psychotherapeutische Propädeutikum an der Universität Innsbruck. Zuvor war er Chefredakteur und Herausgeber gesellschaftspolitisch orientierter Medien in Südtirol sowie Autor zahlreicher Studien zu Mehrheits-Minderheiten-Fragen, Gewaltdynamiken und Prozessen des Zusammenlebens in historisch belasteten und ethnisierten Gesellschaften am Beispiel Südtirol. 2010 promovierte er an der Freien Universität Bozen. Vier Jahre später habilitierte Peterlini an der „School of Education“ der Universität Innsbruck. Von 2011 bis 2014 war Hans Karl Peterlini im Innsbrucker Forschungszentrum „Bildung-Generation-Lebenslauf“ und als Forschungsmitarbeiter der Freien Universität Bozen in Schul- und Migrationsprojekten tätig.