Ein Wiedersehen mit … Stefan Piëch
Stefan Piëch ist Medienunternehmer, Mitglied der International Academy of Television Arts & Sciences (“Emmy Award”) in New York und hat an der Universität Klagenfurt in Medienwissenschaften promoviert. Mit ad astra hat er über deutsche Filmgeschichte, eine neue Gründerzeit und Newton im Lockdown gesprochen.
Herr Piëch, Sie führen die Your Family Entertainment AG, ein börsennotiertes Medienunternehmen in München. War Film schon immer Ihre große Leidenschaft?
Ja, eigentlich schon, Film hat mich immer fasziniert. Als 14-jähriger Schüler habe ich meinen ersten eigenen Film „Space Schrott“ gedreht. Nach der Internationalen Schule in Wien habe ich dann auch Film & Media und Wirtschaft an der Universität Stirling in Schottland studiert.
Wie kam es dazu, dass Sie Ihr Doktorat an der Uni Klagenfurt absolviert haben?
Während des Studiums in Schottland habe ich Klaus Boeckmann, meinen späteren Doktorvater an der Universität Klagenfurt, kennengelernt. Er hat mir nach Veröffentlichung meines Diploms in einer renommierten Fachzeitschrift angeboten, bei ihm meine Dissertation „Eine Kommunikationstheoretische Analyse der Filmindustrie“ zu schreiben. Nachdem ich seit meiner Schulzeit meine akademische Laufbahn nicht auf Deutsch beschritten hatte, lag es nahe, nun in meiner Muttersprache zu promovieren. Ich habe damals in einem Zimmer an der Universität die Filmindustrie anhand des Kommunikationsmodells von Shannon und Weaver untersucht.
Da lag Ihr Interesse also noch nicht im Kinder- und Jugendfilm?
Nein, das kam später eigentlich aus Zufall. Ich bin `99 nach München gegangen und habe ein Start-up, die „OpenPictures AG“, gegründet, eigentlich mit der Idee, Filme auf innovative Weise zu produzieren. Das ist uns in einem Fall auch gut gelungen: Wir waren Co-Produzenten von „Paris je t’aime“, nach wie vor ein super Film. Außerdem haben wir Filmrechte gehandelt, unter anderem für die Michael-Moore-Dokumentation „Fahrenheit 9/11“. Mit dem Platzen der .com-Blase ist auch die Deutsche Filmbranche implodiert und viele Unternehmen haben sich aufgelöst. Da wir uns trotzdem einen Namen machen konnten, kam eine Bank mit der Frage auf uns zu, ob wir Interesse an einer Restrukturierung von „Ravensburger TV Family Entertainment AG“ hätten. Das war dann 2005. Ich hatte gerade geheiratet und überlegt, das hat mit Kindern zu tun. „Ravensburger“ kennt jeder, und so kam es dann 2006 schließlich zur Umfirmierung zu „Your Family Entertainment AG“.
Können Sie die „Your Family Entertainment AG“ kurz skizzieren?
Wir sind ein Medienunternehmen mit acht Mitarbeiter*innen und verfügen über einen großen Bestand an Kinder- und Jugendfilmen. Das sind über 170 verschiedene Serien und Filme, 3.500 Halbstunden-Programme oder 20.000 Bänder. Die Sender Fix&Foxi und RiC haben im deutschsprachigen Europa zwischenzeitlich eine sehr gute Reichweite, und wir strahlen Fix&Foxi auch in Afrika, in den USA, in Südamerika und Asien aus. Die Programme sind auf Spanisch, Englisch, Arabisch und natürlich Deutsch, und das möchten wir in Zukunft weiter aus- und aufbauen. Wir haben dabei einen speziellen Fokus auf qualitativ hochwertige, positiv ausgerichtete Kinderunterhaltung. Derzeit verbringen Kinder und Jugendliche sehr viel Zeit vor Bildschirmen, sei es am Fernseher, Tablet und Handy. Wir wollen Möglichkeiten schaffen, diese Zeit sinnvoll zu verbringen.
Worin liegt der programmatische Ansatz?
Es ist ein Dreiklang: Wir produzieren ausgezeichnete Unterhaltung, die eltern-affin, gewaltfrei und edukativ ist. In diesem Dreieck haben wir Figuren wie „Der kleine Bär“, „Fix und Foxi“, aber auch Literaturverfilmungen von Enid Blyton, Jack London, Robert Louis Stevenson oder die „Schweizer Familie Robinson“ anzubieten. In Mailand und Venedig haben wir Preise als bester Kindersender gewonnen, aber ganz besonders stolz sind wir auf den 10. Award des Internationalen Marken-Kolloquiums, mit dem wir im September ausgezeichnet werden.
Das klingt aber nach mehr als nur nach Zufall, dass Sie Programme für Kinder und Jugendliche konzipieren.
Kinder sind unsere Zukunft, das heißt, unsere Zukunft gibt es schon, sie geht heute in den Kindergarten oder in die Volksschule, und deshalb sollten wir uns mit dieser Generation beschäftigen, sie ist die Entscheiderin von morgen. Deshalb sind Kinder so wichtig. Wir sollten ihnen die Möglichkeit geben, sich kreativ zu entfalten bzw. kreatives Denken zu erlernen. Die zukünftigen Probleme und Herausforderungen unserer Kinder kennen wir heute noch gar nicht und natürlich auch nicht deren Lösungen. Deshalb müssen wir alles daransetzen, der neuen Generation Kreativität, Einfallsreichtum und Initiative als Handwerkszeug mitzugeben.
War es für Sie immer klar, dass Sie sich eines Tages selbstständig machen werden?
Ja, irgendwie schon, ich war immer bestrebt, einen Fußabdruck zu hinterlassen. Selbstständigkeit ist aber schwieriger als man glaubt – und das erlebt man erst, wenn man einmal ins kalte Wasser gesprungen ist. Wir sind als Unternehmen durch viele Krisen gegangen, das muss man einfach sagen, und inzwischen gibt es kaum mehr Medienunternehmen in unserem Segment.
Woran liegt das?
Hauptsächlich liegt es an mangelnder Solidarität von öffentlich-rechtlichen Sendern wie beispielsweise dem Deutschen Kinderkanal (KIKA). Das ist in Deutschland ein großes Problem. Die Motivation der Entscheider, lokal einzukaufen, ist in Deutschland einfach nicht gegeben. Es wird fast nur international eingekauft und co-produziert und dadurch ist die deutsche Branche letztlich zu Fall gekommen. In Italien, Frankreich, Spanien oder Großbritannien ist das nicht so, aber in Deutschland gab es wirklich einen Exodus in den letzten 15 Jahren.
Sie engagieren sich sehr für heutige Gründer*innen. Wie verändert die Pandemie das Gründen?
Menschen, die heute Schritte als Unternehmer*innen setzen, haben gerade Chancen wie selten zuvor, weil auch die Digitalisierung in allen Bereichen jetzt erst so richtig durchstartet. Wenn man der Pandemie überhaupt etwas Gutes abgewinnen kann, dann, dass sie zu einem Zeitpunkt stattfindet, wo einerseits die technologischen Möglichkeiten dazu geschaffen sind, die Krise halbwegs zu bewältigen, Stichwort Videokonferenzen, und andererseits der Zinssatz für Investitionen aktuell auf einem Rekordtief liegt. Newton ist der Apfel auch während der Pest bzw. während des Lockdowns der Pest auf den Kopf gefallen! Jetzt passieren gerade sehr viele Dinge, das sieht man in den Fortschritten der Medizin im Biotech-Bereich. Die Pandemie funktioniert hier wie ein Beschleuniger: Viele Dinge, die noch vor ein paar Jahren undenkbar waren, werden jetzt rasch umgesetzt. Ich glaube, das wird sich so fortsetzen, weil unsere Kinder mit digitalen Werkzeugen aufwachsen.
Wo liegt der Schlüssel zum Erfolg?
Heutzutage können fast alle Kinder einen Rechner bedienen. Sie sind damit „Digital Natives“ per Definition. Das unterscheidet sie von allen Generationen vor ihnen. Daraus ergeben sich riesige Chancen, gerade im Bildungsbereich. Ich war in Bootcamps des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Tokyo und Boston und sie sprechen von “invertieren”, was frontales Lernen betrifft. Also den Frontalunterricht zu Hause am Bildschirm zu absolvieren und „Hausaufgaben” gemeinsam in der Uni oder in den Klassen zu machen. Die Digitalisierung birgt so viele Möglichkeiten wie nie zuvor, und der klassische Karriereweg ist spätestens jetzt mit der Pandemie beendet. Maschinell erlernbare Jobs sind noch austauschbarer geworden, und Maschinen können diese Aufgaben sogar noch besser bewältigen als wir Menschen. Damit wird sich der Mensch zukünftig neben gewonnener Freizeit vor allem auf das Thema Kreativität, Forschung, Entwicklung, aber auch Kultur- und Geisteswissenschaften konzentrieren müssen. Mein zweiter Doktorvater war der großartige Peter Heintel, ich werde mich immer an seine Wissenschaftstheorie-Vorlesungen erinnern. Die Verdrängung des Humanistischen aus der Naturwissenschaft birgt die Gefahr, dass man dort Maschinen ohne Moral das Feld überlässt. Kreativität ist der Anfang von allem und das Kulturelle ist das Menschliche, das es für die nächste Generation zu schützen, fördern und zu fordern gilt.
für ad astra: Theresa Kaaden