Robert Klinglmair hat an der Universität Klagenfurt in Volkswirtschaftslehre zum Thema Bildungsarmut in Kärnten promoviert und ist seit August 2018 Bildungsdirektor für Kärnten. Im Interview mit ad astra erzählt der gebürtige Oberösterreicher, warum sich das Thema Bildung durch sein Leben zieht, was ihn an der Volkswirtschaftslehre fasziniert und was er an Kärnten schätzt.
Herr Klinglmair, wie waren Sie als Schüler?
Ich war ein begeisterter Schüler und bin auch gerne zur Schule gegangen, aber es wäre vermessen zu sagen, dass ich in allen Fächern gut war; gerade kreative Fächer wie Musik, Bildnerische Erziehung
oder Werken gehörten nicht zu meinen Steckenpferden. Je stärker allerdings die Spezialisierung auf Wirtschaft und Zahlen in der Sekundarstufe II wurde, desto mehr Spaß machte mir auch die Ausbildung.
Sie sind seit August 2018 neuer Bildungsdirektor für Kärnten, in einer neu entstandenen Behörde. Können Sie kurz skizzieren, was das bedeutet?
Die Bildungsdirektion für Kärnten hat nach 150 Jahren den bisherigen Landesschulrat abgelöst und bringt nachhaltige Strukturänderungen in der Schulverwaltung und -entwicklung mit sich. Bundes- und
Landesagenden wurden erstmals in einer gemeinsamen und effizienten Verwaltung zusammengeführt, die künftig für alle Schularten in Kärnten zuständig ist. Zudem wurden mit dem „Autonomiepaket“ weitere zentrale Neuerungen im Rahmen der Bildungsreform wirksam und für Schulen – durch pädagogische, aber auch organisatorische Freiräume – wesentlich größere Gestaltungsspielräume als Antwort auf die regionalen und demographischen Anforderungen der Schulstandorte sowie die individuellen Bedürfnisse von Schulgemeinschaften geschaffen, die es nachhaltig für das Kärntner Bildungswesen zu nutzen gilt. Beispielsweise wurde gemeinsam mit der Industrie, dem Land Kärnten sowie dem KWF ein neuer HTL-Chemieschwerpunkt entwickelt, um eine passgenaue Facharbeiterausbildung für den Wirtschaftsstandort voranzutreiben; der Kampf um die besten Köpfe hat bereits begonnen.
Sind es diese Handlungsmöglichkeiten, für die Sie die Wissenschaft verlassen haben?
Ja. Seit 2012 habe ich als Volkswirt an der AAU und zuvor am Institut für Höhere Studien (IHS) Kärnten angewandte, regionale Forschung für Kärnten betrieben und mit vielen Stakeholdern wie etwa der WK, der AK und vor allem dem Land Kärnten intensiv zusammengearbeitet. Gemeinsam mit KollegInnen konnte ich zahlreiche Untersuchungen zu Bildungsthemen durchführen, u. a. habe ich zwölf Jahre
lang das Kapitel „Bildung, Beschäftigung und Arbeitsmarkt“ des Wirtschaftsberichtes des Landes verfasst und damit einen profunden Überblick zum Bildungssystem in Kärnten bekommen. Da war es naheliegend, im nächsten Schritt von der Analyse in die Umsetzung zu wechseln.
Welche Ziele verfolgen Sie als Bildungsdirektor?
Die bildungspolitischen Schwerpunkte setzen auf zwei Ebenen an: Im Bereich der Allgemeinen Pflichtschulen ist – neben einem qualitativen und quantitativen Ausbau von ganztägigen Schulformen
und Bildungszentren – der Hauptfokus darauf gerichtet, Grundkompetenzen weiter zu verbessern wie auch die Chancengerechtigkeit zu erhöhen. Im höheren Schulbereich zielen regionsspezifische
Angebote und Spezialisierungen auf eine kompetenzorientierte und zeitgemäße Ausbildung unter besonderer Berücksichtigung der modernen Anforderungen von Arbeitsmarkt und Gesellschaft ab. Eine
Querschnittsmaterie über alle Schulstufen stellt – zusätzlich zur Initiierung und Weiterführung von Projekten zur Internationalisierung und Mehrsprachigkeit – der Erwerb digitaler Fähigkeiten dar, die
bereits frühzeitig neben Lesen, Schreiben und Rechnen als vierte Grundkompetenz implementiert werden sollen, ohne dabei SchülerInnen zu überfordern.
War Bildung schon immer ein großes Thema für Sie?
Nach meinem Diplomstudium der Volkswirtschaftslehre an der JKU Linz habe ich im Jahr 2006 am IHS Kärnten begonnen. Der damalige Geschäftsführer Professor Bodenhöfer, der ebenfalls an der AAU
Volkswirtschaft lehrte, hat mich – im Sinne eines Mentors – sehr geprägt und mich für Themen der Bildungssoziologie bzw. Bildungsökonomik begeistert. Im Jahr 2008 haben wir bei einer renommierten
Bildungskonferenz erstmals einen Beitrag zum Thema bildungsbenachteiligte Jugendliche, Probleme und mögliche Lösungsansätze eingereicht. Von da an wurde ich mit dem „Bildungsökonomik-Virus“ infiziert; daraus hat sich dann auch meine Dissertation ergeben.
Was war das Thema Ihrer Dissertation?
Es war eine empirische Analyse zu den Determinanten von Bildungsarmut bei Jugendlichen in Kärnten. Im Speziellen bin ich der Frage nachgegangen, welche Faktoren dazu führen, dass SchülerInnen
frühzeitig und ohne Abschluss ihre formale Ausbildung abbrechen. Generell drehten sich die meisten meiner Forschungsarbeiten rund um das Thema Bildung; dies war zugleich die Basis für meine jetzige
berufliche Tätigkeit.
Was fasziniert Sie so an der Volkswirtschaftslehre?
Das große Ganze! Dass man kreativ und in Zusammenhängen denken muss und nicht nur einen einzelnen Aspekt betrachtet; das wäre mir zu fad.
Gilt das auch für die Position als Bildungsdirektor?
Ja, in dieser Position sollte man vielseitig sein und ein umfassendes Verständnis von verschiedenen Bereichen mitbringen. Neben fachlichem Know-how, um gemeinsam mit KollegInnen entsprechende
Reformvorhaben zu entwickeln und zu implementieren, sollte man zusätzlich auch die Medien und Bildungspolitik verstehen. Außerdem ist ein gutes Netzwerk von Vorteil; bei der Vielzahl an unterschiedlichen Berufsfeldern von Verwaltung über Pädagogik bis hin zur Schulpsychologie ist zudem eine gewisse Menschenkenntnis unabdingbar.
Wie viele MitarbeiterInnen hat die Bildungsdirektion Kärnten?
Insgesamt sind es knapp 190 MitarbeiterInnen (inkl. Außenstellen), die mich direkt in der Verwaltung unterstützen. Zusätzlich ist die Bildungsdirektion für unsere 7.100 PädagogInnen in insgesamt 310 Pflichtschulen, 50 BMHS mit zusammen 60.700 SchülerInnen zuständig. Damit zählen wir zweifelsfrei zu den größten „Unternehmen“ Kärntens.
Was machen Sie für Ihren beruflichen Ausgleich?
Ich bin erst seit rund einem halben Jahr Bildungsdirektor und lege meinen Fokus auf die vielfältigen Aufgaben in der neuen Tätigkeit. Früher habe ich rund zehn Stunden Sport pro Woche betrieben, war viel auf den Bergen beim Skifahren, Touren gehen oder Bergsteigen unterwegs. Das ist momentan leider nicht in diesem Umfang möglich, ich freue mich aber, wenn dafür wieder mehr Zeit bleiben wird. Angesichts meiner vielen Abendtermine nutze ich gegenwärtig das Wochenende eher, um meinen Akku wieder aufzuladen und verbringe Zeit mit Familie und FreundInnen.
Welche Bildungsstrategie würden Sie heutigen Studierenden mit auf den Weg geben?
In einer von Akademisierung geprägten Wissensgesellschaft nimmt die Zahl der Studierenden zu; für entsprechende Karrierechancen erscheint es mir deswegen notwendig, sich aus der Masse hervor zu tun. Vor allem sollte man jene Chancen nachhaltig nutzen, die man an der AAU erhält: Neben einer fachlich hervorragenden Ausbildung gilt es das gute Betreuungsverhältnis sowie die zahlreichen Möglichkeiten eines Auslandsaufenthaltes hervorzuheben.
Sie sind Oberösterreicher. Was schätzen Sie an Kärnten?
Abgesehen von meiner neuen beruflichen Aufgabe die Berge, die Seen, die Lebensqualität; außerdem gefällt mir die Nähe zu Italien. Auch das Lebensgefühl, die freundlichen Menschen und die südlichere
Mentalität sprechen mich an. Das kenne ich so nicht von Oberösterreich, da ist alles etwas strikter und weniger locker.