E-Learning gegen Corona: Ein Interview mit Cristina Gavagnin
Die Maßnahmen aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie (Corona) machen es derzeit nötig, auf Präsenzlehre zu verzichten und die Lehre digital durchzuführen. Cristina Gavagnin ist Senior Lecturer am Institut für Romanistik. Derzeit ist sie im Home-Office in Venedig. Wir haben mit ihr gesprochen, um zu erfahren, wie es ihr dort geht, wie sie E-Learning einsetzt und wie sie die derzeitige Situation meistert.
Wie geht es Ihnen im Home-Office?
Ich bin in Venedig, uns gehts allen gut. Mein Mann ist auch im Home-Office und mein Sohn hat heute, über verschiedene digitale Plattformen, 3-4 Stunden mit seinen Lehrern zusammengearbeitet. Jetzt sehen wir mal, wie es weitergeht. Wir leben sozusagen in der Ungewissheit.
Wie geht es Ihnen in Italien?
Für uns hier ist die Situation dramatisch. Es war schön zu wissen, ich bin im Alpen-Adria-Raum zuhause und kann mich frei hin und herbewegen, kann mit dem Direktzug von Venedig nach Klagenfurt. Das ist nun anders.
Wir Italiener*innen mussten schon Anfang März für 14 Tage die häusliche Quarantäne einhalten. Da ich am Wochenende immer bei meinem 14-jährigen Sohn in Italien bin, hatte ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich bleibe in Italien oder ich fahre nach Österreich, um dort zu unterrichten, kann dann aber nicht mehr nach Italien zu meinem Sohn. Das war für mich unmöglich! Deshalb wurde ich freigestellt. Die Frage war nun, wie kann ich meine Kurse online anbieten und Studierenden die Möglichkeiten bieten, im Studium weiterzukommen.
Welche Programme oder digitalen Lösungen nutzen Sie, um mit Ihren Studierenden in Kontakt zu bleiben? Auf welche E-Learning-Methoden setzen Sie?
Wie auch viele andere arbeite ich mit Moodle. Dort sollen Studierende aber nicht nur Materialien finden, sondern auch wirklich interaktiv zusammenarbeiten können. Wir arbeiten mit Big Blue Button (BBB), das ist in Moodle integriert.
Hat das Programm auch eine Videoübertragung?
Ja, das ist praktisch ein virtueller Klassenraum. Es gibt eine Tafel und per Videoübertragung kann man sich auch sehen. In meiner LV habe ich das mit den Studierenden bereits letzte Woche ausprobiert. Sie haben sich sehr gefreut alle zu sehen. Wir haben sowohl mit dem Buch gearbeitet als auch verschiedene Übungen mündlich gemacht, was ja das Schwierigste ist.
E-Learning bietet viele Chancen. Sehen Sie Grenzen?
Ja, es gibt viele Grenzen. Wenn die Technik nicht funktioniert, dann geht gar nichts mehr. Außerdem braucht man das passende Equipment: einen PC, vielleicht ein Headset. Viele Kolleg*innen sind auf die Situation nicht vorbereitet und haben zuhause keinen PC, der gut funktioniert oder videofähig ist. Und dann gibt es Lehrende, die mit den Online-Methoden nicht vertraut sind und sich nun unter Zeitdruck diese Fertigkeiten aneignen müssen.
Wie ist das Feedback Ihrer Studierenden auf das neue Angebot der digitalen Lehre?
Sehr gut, aber da ich einen aufbauenden Kurs habe, sind es Studierende, die mich und meine Lehrmethoden kennen. Sie sind es also gewohnt, dass es zumindest einen Teil immer auch über Moodle gibt. Aber vor einer Woche hatten wir das erste Mal eine digitale Klasse. Ich wusste nicht, ob es funktioniert aber man muss sich auch trauen, neue Dinge zu probieren. Dass wir uns neben den Übungen auf Moodle auch sehen und miteinander sprechen konnten, war sehr schön. Da merkt man, die Präsenzlehre fehlt dann schon.
Aus dieser Krise können wir für die Zukunft des E-Learnings also auch lernen?
Genau, das erhoffe ich mir. Beispielsweise einen Mix aus Präsenzlehre und Online-Lehre, ein Blended Learning. Ich denke aus dieser Herausforderung können wir auch viel Gutes und Neues gewinnen. Präsenzlehre ist meiner Meinung nach unverzichtbar, aber es gibt viele Formen und Formate des E-Learnings, die sogar effektiver sein können als Präsenzlehre. Außerdem ist E-Learning auch für unsere Umwelt nachhaltigerWir brauchen viel weniger Papier und reduziertes Anreisen zur Uni bedeutet weniger CO2-Emissionen.
Es gibt noch, insbesondere im Bereich der Humanwissenschaften, viele Skeptiker*innen. Vielleicht ist jetzt die Zeit gekommen, ihnen zu zeigen, dass E-Learning auch eine Möglichkeit ist, um effektiv lehren und lernen zu können.
Zur Person
Cristina Gavagnin ist seit 2015 Senior Lecturer für italienische Sprache, Kultur und Sprachdidaktik an der Universität Klagenfurt. Sie hat für das italienische Bundesministerium für Bildung und Forschung gearbeitet und war an verschiedenen italienischen Projekten im Rahmen „Distance-Learning“ beteiligt.