Die 24/7 Online-Working-Generation
Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit lost sich durch die digitale Verfügbarkeit immer mehr auf. Medienwissenschaftlerin Caroline Roth-Ebner hat Fakten gesammelt und macht Vorschlage, wo die Steuerung ansetzen musste.
Nach dem Aufstehen, vor dem Schlafengehen und im Urlaub die beruflichen Mails zu checken gehört derzeit für einen guten Teil der digital arbeitenden Menschen zum Alltag. Nicht immer zum Vorteil von ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn. Die Zusammenhänge zwischen einer Always-On-Arbeitskultur und gesundheitlichen Problemen ist durch mehrere Studien belegt. So weisen etwa ArbeitnehmerInnen mit einem hohen Ausmaß an Erreichbarkeit doppelt so viele Depressionserscheinungen auf wie Personen, die kaum oder wenig verfügbar sind.
Doch ist die permanente Erreichbarkeit auch in der Freizeit vom Arbeitgeber überhaupt gewünscht? Hier liefern die von Caroline Roth-Ebner und anderen durchgeführten Studien aufschlussreiche Fakten. Die meisten Menschen bleiben auf freiwilliger Basis erreichbar. Nur in drei Prozent der Fälle wird die ständige Erreichbarkeit von der Unternehmensleitung explizit verlangt. Die Medienwissenschaftlerin folgert, dass hier unausgesprochene Regeln befolgt werden: „Viele MitarbeiterInnen denken, es würde von ihnen erwartet, ständig auch für die Firma online zu sein. Und ein großer Prozentsatz weiß es genau, dass man es nicht muss, und tut es dennoch.“ Hinter dieser vermeintlichen Freiwilligkeit stehe ein allgemeiner Unternehmensdruck oder der Druck des Arbeitsmarkts. Andererseits solle oft durch die demonstrativ zur Schau gestellte Erreichbarkeit die eigene Unentbehrlichkeit für das Unternehmen zum Ausdruck gebracht werden.
Die Entscheidung über die Verfügbarkeit über die reguläre Arbeitszeit hinaus bleibt also meist dem Individuum überlassen. Diese Situation hält Roth-Ebner für ambivalent: „Jeder Einzelne ist immer mehr dazu aufgefordert, für sich selbst Lösungen zu finden, weil es die kollektiven nicht mehr gibt, die universell passend sind. Zum einen kann das eine Selbstermächtigung bedeuten, die sehr positiv sein kann, zum anderen kann dies zur völligen Selbstausbeutung führen. Die Politik und die Gewerkschaften sind gefordert, Regularien zu entwerfen, was Zeit benötigt, die angesichts der rasanten techno-sozialen Entwicklung aber fehlt.“ Roth-Ebner hält es für wünschenswert, dass Unternehmensleitungen stärker und regulierend eingreifen oder die sich sonst von selbst etablierende Unternehmenskultur in eine gute Richtung lenken.
Eine weitere Folgeerscheinung der technisierten Arbeitswelt ist die Reduktion von persönlichen Begegnungen aufgrund der weitgehenden Verlagerung in digitale Kommunikationsformen. Virtuelle Meetings würden zwar hohe Reisekosten ersparen, aber eine gute Arbeitsbeziehung käme nicht gänzlich ohne den persönlichen Kontakt aus, haben ihr weltweit agierende ManagerInnen in Interviews bestätigt: „Die Ausstrahlung eines Menschen lässt sich über den Bildschirm nicht 1:1 vermitteln.“ Ebenso wenig wollen Menschen ausschließlich in ihren Home Offices arbeiten. Für EinzelunternehmerInnen seien Co-Working-Spaces ideal. Erfolgsmodelle seien alternierende Formen, wie Roth-Ebner es selbst auch handhabt. „Der Mensch ist ein zutiefst soziales Wesen. Der Computer kann ihm das nicht geben.“
Was jedoch generell mehr einzugrenzen sei, ist der Communication Overflow: „Bei Social Media geht es ja oft weniger um die Weitergabe von Informationen als um eine Präsenzanzeige im Plauderton.“ Das aber wieder sei eine Frage der Medienkompetenz des Einzelnen. Hier herrsche noch massiver Nachholbedarf bei allen Generationen: „Die technische Kompetenz ist weitgehend vorhanden, aber bei der Einbeziehung von reflexiven Komponenten stehen wir am Anfang.“ Aus diesem Grund engagiert sich Roth-Ebner für die Medienkompetenzförderung unterschiedlicher Zielgruppen und forscht auch in diesem Bereich.
für ad astra: Barbara Maier
Zur Person
Caroline Roth-Ebner ist Assoziierte Professorin am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft mit Forschungsschwerpunkten digitale Medien & Kommunikation sowie Medienkompetenz. Ein FWF-Projekt zu Digital Literacy ist in Vorbereitung.