Der Tod im Mittelalter und in der frühen Neuzeit
Am Institut für Romanistik wird in einem neuen FWF-Projekt der „Pariser Totentanz“ mit dem Ziel untersucht, einen Beitrag zur interdisziplinären Forschung über die europäische Todeskultur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit zu leisten. Besondere Aufmerksamkeit wird im Rahmen der Untersuchung der Herausbildung eines Textkanons des Makabren in der romanischen Welt geschenkt.
Der ursprüngliche Danse Macabre (Totentanz) wurde 1424-1425 an der Mauer des Pariser Friedhofes Des Innocents gemalt. Diese bildliche Darstellung, die in einer Reihe von allegorischen Gruppen die Gewalt des Todes über das Menschenleben veranschaulichte, wurde im 17. Jahrhundert zerstört. Das ursprüngliche Kunstwerk verband Text und Bild miteinander. In der Folge wurde der Stoff in dramatischen Dichtungen und entsprechenden Aufführungen verwendet und in Dialogen zwischen dem Tod und weiteren Figuren verarbeitet. Das Totentanz-Motiv findet sich in bildender Kunst und Dichtung bis in die Gegenwart.
Alina Zvonareva will nun am Institut für Romanistik unter Beteiligung von Raymund Wilhelm die erhaltenen Handschriften, Inkunabeln und Wandmalereien analysieren, die verschiedene Versionen der Danse Macabre enthalten. Der mittelfranzösische Text der Danse Macabre erfuhr sowohl in Frankreich, als auch in anderen europäischen Ländern eine weite Verbreitung, und er wird als ein Schlüsselwerk in der Dissemination von Totentanzliteratur und –malerei angesehen.
Die Untersuchung wird sich auf die textuellen Elemente konzentrieren, wobei vor allem die Beziehungen zwischen den verschiedenen Fassungen des Texts im Mittelpunkt stehen. Zu diesem Zweck sollen sämtliche fünfzehn französische Handschriften und die frühesten Drucke der Danse Macabre analysiert werden; zudem werden italienische und katalanische Texte herangezogen.
Eine besondere Aufmerksamkeit wird dem Übergang von der Wandmalerei zur Handschrift und zum Druck und von einer Sprache in die andere geschenkt werden. „Die Untersuchung der Verbreitung des Textes in den romanischen Sprachen soll es ermöglichen, die Bedeutung der französischen Danse Macabre in der europäischen Kultur am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance deutlicher zu herauszuarbeiten,“ so Projektleiterin Alina Zvonareva. Sie führt dazu weiter aus: „Ich möchte insbesondere herausfinden, wie in der Danse macabre die europäischen Gesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts dargestellt werden. Dafür bietet sich gerade dieses ‚dynamische‘ Werk an, das sich immer wieder neuen historischen und kulturellen Zusammenhängen anpasst, indem etwa neue Figuren hinzugefügt oder bereits vorhandene Figuren neu interpretiert werden.“ Die Romanistin betont darüber hinaus, dass die Ergebnisse dieses vom FWF geförderten Grundlagenforschungsprojekts auch praktikablen Charakter haben könnten: So könnten sie auch zur Verbesserung und zur Diversifizierung des Angebots des europäischen Kulturtourismus beitragen.