Das Spiel mit dem digitalen Menschen
Wenn Tom Tuček über die Welt spricht, muss er stets konkretisieren: Handelt es sich um die reale Welt oder um virtuelle Welten? Der Doktorand am Institut für Informationstechnologie beschäftigt sich aktuell mit digital humans, also virtuellen Figuren, denen wir beispielsweise in Videospielen begegnen. Tom Tuček möchte gerne wissen, wie sich der Kontakt mit digitalen Menschen, die mit neuer Künstlicher Intelligenz ausgestattet werden, auf die Spieler:innen auswirkt.
„Digital humans sind Gestalten, die nur in der digitalen Welt leben und im Gegensatz zu den digital twins kein Ebenbild in der Wirklichkeit haben. Sie werden nicht von einem Menschen kontrolliert, sondern sie sind künstlich intelligent“, erklärt Tom Tuček. Momentan sind solche Figuren in Computerspielen noch nicht an der Tagesordnung: In der Regel ist fast alles, was die Figuren in einem Spiel tun, vorprogrammiert. Mit der aktuellen Entwicklung in machine learning soll das aber bald der Vergangenheit angehören: „Die Forschung wird eine Form der Intelligenz erreichen, die sich uns auch zu einem gewissen Grad entzieht: Selbst die Entwickler:innen verstehen dann nicht, warum die Figuren machen, was sie machen. Das wird sehr spannend.“ In der Spieleindustrie ist die Einbindung von generativer Künstlicher Intelligenz gerade der entscheidende Gamechanger. Abhängig von den Spieltypen ist auch der Schwierigkeitsgrad für die Unternehmen, wie Tom Tuček erklärt: „Bei kompetitiven Spielen sind die Optionen überschaubar: Ist dort die KI der Gegner des Spielenden, verfolgt sie nur das Ziel zu siegen. Wesentlich komplexer sind aber narrative Spiele, in denen es darum geht, eine Geschichte zu erzählen. Man soll dort nicht nur Auswahlmöglichkeiten für Handlungen angeboten bekommen, sondern direkt mit dem Charakter interagieren können. Das ist viel dynamischer, aber auch spannender.“
Tom Tuček ist davon überzeugt, dass die Forschung zu der Interaktion mit digital humans viel Positives bewirken kann: „Man denke an Personen, die vor allem in der Jugend Schwierigkeiten haben, mit anderen in Kontakt zu treten. Für sie könnte das Spiel dann einen sicheren Raum darstellen, wo man sich im Austausch mit digital humans darin üben kann.“ Das Game-Studies-Forschungsteam am Institut für Informationstechnologie arbeitet dazu auch in gemeinsamen Projekten mit Forscher:innen am Institut für Psychologie zusammen. Tom Tuček erläutert dazu: „In den Game Studies nennen wir den Raum magic circle. Wenn man diesen Kreis betritt, kann man tun, was man möchte. Nichts davon hat theoretisch eine Auswirkung auf die echte Welt. Das hilft, Handlungen zu setzen, die man sonst nicht wagen würde, weil man sich von sozialen Gegebenheiten eingeschränkt fühlt.“
Wer so begeistert über die Möglichkeiten von Videospielen spricht, spielt natürlich auch selbst. Wir fragen kritisch nach: Was gefällt Ihnen an dem Gedanken, mit einer VR-Brille da zu sitzen und mit einem digitalen Charakter zu interagieren? „Ich denke es handelt sich um etwas Wichtiges für die Welt und für die Gesellschaft. Aber es macht mir auch persönlich Freude.“, erklärt Tom Tuček und führt weiter aus: „Viele von uns halten soziale Interaktionen für selbstverständlich, aber durch solche Technologien werden sie für viele zum ersten Mal zugänglich.“ Die Tatsache, dass er viel seiner Zeit im Digitalen verbringt, ermöglicht ihm auch eine hohe Mobilität. Tom Tuček hat an der Technischen Universität Wien das Bachelorstudium Medieninformatik und an der Universität Wien das Bachelorstudium Japanologie abgeschlossen. Danach hat er ein Jahr in Japan kulturwissenschaftlich an Videospielen gearbeitet. Später kam er – wegen der einzigartigen Verbindung von Technik und Kultur – für das Masterstudium Game Studies and Engineering nach Klagenfurt. „Mich interessiert beides: Ich interessiere mich dafür, Spiele zu entwickeln und zu programmieren, sie aber auch in einem kulturellen Background eingebettet zu sehen.“ Die Wahl Klagenfurts als Studienort fiel ihm nicht schwer: „Weil ich viel online bin, kann ich Kontakte ortsunabhängig pflegen. Und hier finde ich es landschaftlich sehr schön. Die Berge und die Seen, das kann man im Digitalen nicht haben.“
Auf ein paar Worte mit … Tom Tuček
Was wären Sie heute, wenn Sie nicht Wissenschaftler wären?
Die offensichtliche Antwort ist wohl Videospielentwickler. Die weniger offensichtlichen Antworten sind Koch oder Hausmann.
Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Meine Eltern sind beide technikaffin und auch mit Videospielen gut vertraut. Würde also sagen, mindestens 50%.
Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?
Fenster öffnen, durchziehen lassen, und Kaffee machen
Was bringt Sie in Rage?
Wartezeiten von absolut ungewisser Dauer (mehr Angst als Rage)
Was beruhigt Sie?
Musik, Natur, Nickerchen
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Das kann ich tatsächlich (noch) ganz gut, obwohl es mir schwerfällt, mich komplett unerreichbar zu machen.
Wovor fürchten Sie sich?
Abgesehen von den zuvor erwähnten Wartezeiten, machen mir die Ignoranz und Gleichgültigkeit vieler Menschen Angst.
Worauf freuen Sie sich?
Zeit für Entspannung & nach Japan zu reisen