„Das Spiel ist der Modus unserer Zeit“
Egal wo wir uns heute in der Welt umschauen, es scheint alles spielerischer zu werden, so die Einschätzung des Literaturwissenschaftlers und Games-Forschers Felix Schniz, der als Doktorand und Universitätsassistent am Institut für Anglistik und Amerikanistik tätig ist. Er beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Erfahrungen, die man im Videospiel sammeln kann.
Erfahrung ist grundsätzlich etwas, das wir mit unseren Sinnen wahrnehmen und über das wir uns austauschen können. Für Felix Schniz ist das nur ein Spektrum von Erfahrung, das er um subjektiv innere Erfahrungen ergänzen möchte: „Es gibt Erfahrung von Schönheit oder die Erfahrung im philosophischen Sinne, also wie erfahre ich die Welt, ganz allgemein. Oder es gibt auch spirituelle Erfahrungen.“ Er möchte in seiner Dissertation zeigen, dass Videospiele in den Spielerinnen und Spielern Erfahrungen hervorrufen können. Zu den privaten, subjektiven Erfahrungen hat man wissenschaftlich kaum Zugang, daher hat er den Aspekt des britisch-kulturellen Hintergrunds ausgewählt, um zu beleuchten, inwiefern Computerspielerinnen und –spieler in ausgewählten Titel „britishness“ erfahren. Dazu gäbe es viele Beispiele: „Man kommt zum Beispiel in einem Spiel an einer Szenerie vorbei, wo ein paar Schuhe mit zusammengeknoteten Schnürsenkeln über eine Stromleitung geworfen sind. Das ist ein ganz typisches Bild für Mobbing unter Schülerinnen und Schülern in den 1960er Jahren.“ Der kulturelle Kontext ist für Schniz für das Erfahren von „britishness“ ganz wesentlich: So gibt es, auch Spiele, die bewusst die Zeit der Industrialisierung als historische Kulisse für ihre Geschichte wählen um England als Mutterland der industriellen Revolution künstlerisch verarbeiten.
Gefragt danach, was er denn physisch und intellektuell tue, wenn er an Videospielen forscht, antwortet Schniz: „Als Literaturwissenschaftler arbeite ich hermeneutisch, das heißt, ich interpretiere, ich werfe einen detaillierten Blick, ich versuche mich im close reading des Spiels – genauer gesagt an einer stark modifizerten Idee davon, die dem Medium gerecht wird. An einzelnen Elementen in den Spielen möchte ich erkennen, wie diese Erfahrungswerte für die Spielerinnen und Spieler zustande kommen.“ Dabei konzentriert er sich auf Spiele des Entwicklungsstudios „The Chinese Room“. Für Schniz ist „das Spiel der Modus unserer Zeit“ und daher sei es auch legitim, sich ihm mit den selben Methoden, mit denen die Wissenschaft Text analysiert, zu nähern. Videospiele sind in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen: „Wir haben Spieler im Alter von 3, 4 oder 5 Jahren. Und wir haben welche mit über 60 oder 70 Jahren.“ Gespielt wird nicht mehr nur von Nerds, sondern von Menschen aus allen Milieus. Für Schniz gilt: „Es ist wichtig, dass wir dieses Medium verstehen lernen, das einen so großen Bestandteil unseres Lebens ausmacht. Mir ist es auch ein Anliegen den Kunstgehalt im Medium bewusst zu machen.“ Felix Schniz ist, wie sich leicht vermuten lässt, selbst passionierter Videospieler. Warum er das so gerne macht? „Ich habe mich in den Videospielen immer auf sehr positive Weise verloren, weil ich dort aktiv in die Erzählung eingebunden war. Mir wurde schnell bewusst, dass das eine sehr besondere Art von Erfahrung ist, über die ich mich auch immer gerne mit anderen ausgetauscht habe.“ Schniz hat Anglistik an der Universität Mannheim studiert und ist dann thematisch „von der Literaturwissenschaft immer mehr in den Film gerutscht und schließlich beim Computerspiel gelandet.“ In Mannheim hat er sich auf Prozesse der Modernisierung spezialisiert. An der Alpen-Adria-Universität, wo er seit Anfang März als Universitätsassistent und Doktorand tätig ist, hat er ein Umfeld gefunden, das den Kunstwert in den Games sieht und wo mit René Schallegger auch einer der führenden Experten in den kulturwissenschaftlichen Game Studies an seiner Seite steht. Das Masterstudium „Game Studies & Engineering“, das nun ab Herbst 2017 angeboten wird, soll nun auch zunehmend Studierenden einen akademischen Zugang zum Thema Videospiel ermöglichen. Schniz fungiert hierfür als Studienprogrammleiter und steht Studieninteressierten und zukünftigen Studierenden mit Rat und Tat zur Seite.
Kann man nun auch im Videospiel „Lebenserfahrung“ sammeln? Felix Schniz holt zur Beantwortung dieser Frage aus: „In der Philosophie trifft man eine Unterscheidung zwischen einer primären und einer sekundären Erfahrung, also eine Erfahrung, die ich selber mache, oder eine, die ich von einem Medium wie z.B. dem Film vermittelt bekomme. Im Videospiel ist man sehr massiv eingebunden, es ist so immersiv, wie kein anderes Medium davor. Ich will auch wissen: Ist das Videospiel eine primäre Erfahrung, auch wenn ich sie in einem virtuellen Raum mache? Was ich jetzt schon weiß: Das Videospiel verbindet, in dem Sinne, dass man sich austauscht. Man berichtet über seine Erfahrungen in einer Runde von anderen. Und: Egal, von welcher Erfahrung wir reden, sie wird einem erst richtig bewusst durch den Austausch mit anderen.“ Demnach sei das Bilden von Gemeinschaft eine wichtige Facette des Videospiels. Weitere Aspekte bilden das Regelwerk, narrative Erfahrungswerte, ästhetische Komplexe, Wettbewerb. Das Videospiel ist für Schniz ein objet ambigu, es kann so viel mehr leisten, als man einordnen kann. „Es überfordert einen auf positivste Weise.“
Auf ein paar Worte mit … Felix Schniz
Was würden Sie jetzt machen, wenn Sie nicht Wissenschaftler geworden wären?
Alles daran setzen, einer zu werden!
Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Meine Mutter sieht ihre Spielkonsole mittlerweile mit anderen Augen 🙂
Was machen Sie im Büro morgens als erstes?
Kaffee.
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an die Arbeit zu denken?
So gut es geht – dass ich auch in meiner Freizeit gerne Videospiele genieße, macht es nicht immer einfach.
Was bringt Sie in Rage?
Wie rückständig in den Medien oft noch über Videospiele berichtet wird, irgendwo zwischen Kinkerlitzchen, Kinder-, oder Killerspiel.
Und was beruhigt Sie?
Das Bergpanorama meiner neuen Heimat Klagenfurt.
Wer ist für Sie die größte WissenschaftlerIn in der Geschichte und warum?
Da gibt es zu viele, um alle zu nennen. Gerade, weil ich dieses Fragespektrum gerne auch um Autoren und Künstler erweitern würde!
Wofür schämen Sie sich?
Immer wieder gerne für einen Bad-Hair-Day.
Wovor fürchten Sie sich?
Zumeist vor der Furcht selbst.
Worauf freuen Sie sich?
Auf den nächsten Critical Game Lab an der AAU!