Das Fingerspitzengefühl der Roboter
Hubert Zangl forscht an Sensoren: Sie sollen Robotern in Zukunft eine bessere Zusammenarbeit mit Menschen ermöglichen, aber auch „Umgebungen mit Wahrnehmung“ ausstatten.
Von den Visionen der Science-Fiction-Autor*innen sind wir noch weit entfernt: Hubert Zangl, der am Institut für Intelligente Systemtechnologien der Universität Klagenfurt zu Sensorik und Robotik forscht, gibt einen ernüchternden Einblick zu dem, was Roboter in der Interaktion mit Menschen können. „Menschen kommunizieren untereinander auch nonverbal. Sie nehmen einander wahr und können so abschätzen, was der andere in einem nächsten Schritt vorhat. Roboter müssen wir noch mit den Wahrnehmungstechniken ausstatten, damit sie sicher, effizient, dynamisch und schnell mit dem Menschen zusammenarbeiten können“, erklärt er.
Roboter, die als quasi eigenständige Wesen diverse Aufgaben erkennen und erledigen können, seien demnach noch ganz klar Zukunftsmusik. Konkret seien es aktuell vor allem Aufgaben in der Industrie, die stark nachgefragt werden, wie am Beispiel des Verpackens von Objekten gezeigt werden kann. Daran ließe sich auch erklären, was Roboter gut und was sie weniger gut können. „Ein Roboter ist geschickt darin, immer gleichartige Objekte zu ergreifen und in eine Verpackung zu geben. Dabei ist er dem Menschen gegenüber im Vorteil: Er ermüdet weniger, kann sehr genau arbeiten und kann über einen relativ langen Zeitraum hinweg viel Kraft aufbringen“, erklärt Hubert Zangl. Ein Roboter würde aber schon an seine Grenzen stoßen, wären die einzupackenden Objekte deutlich unterschiedlich oder bestünden sie aus schwer greifbaren oder empfindlichen Materialien. Dafür brauche es Fingerspitzengefühl: „Der Mensch erfasst über seine Sinne schnell, ob ein Objekt rutscht, ob er es schlecht im Griff hat oder ob es aufgrund seines Materials ganz vorsichtig zu behandeln ist. Wir müssen diese Sensorik für Roboter nachbauen, um sie für ähnliche Aufgaben zu rüsten.“
Hilfreich sei dabei auch die Bilderkennung und Klassifizierung. Wenn also der Einpack-Roboter aus unserem Beispiel etwas sehr Filigranes am Förderband heranrollen sieht, sollte er erkennen, dass dies vorsichtiger handzuhaben ist. Aus der Ferne sei dies selbst für Roboter mittlerweile schon gut machbar, aber, so berichtet Hubert Zangl weiter: „Wir fokussieren in unserer Arbeit auf die Wahrnehmung in der Nähe, also von den letzten 20 bis 40 Zentimetern bis hin zur Berührung.“
Dieser Bereich sei insbesondere wichtig, wenn der Mensch und der Roboter zusammenarbeiten sollen. Ein Roboter soll dazu in der Lage sein, auf den Menschen zu reagieren und je nach Status der Zusammenarbeit schneller und langsamer zu werden, Objekte zu übernehmen oder loszulassen. Derzeit sind die klassischen Industrieroboter typischerweise aus starren Materialien gebaut und relativ steif. Der menschliche Körper ist hingegen bis zu einem gewissen Grad elastisch und nachgiebig. Forscher*innen wie Hubert Zangl arbeiten daher mit so genannten „struktur elastischen“ Robotern, die beispielsweise nachgeben, wenn sie angestoßen werden. Beim Interview zu diesem Artikel zeigt uns Hubert Zangl auch einen weichen Roboter-Finger, der mit nachgiebigen Komponenten ausgestattet ist. Ihn versucht man mit Sensorik so auszustatten, dass er der Funktionsweise eines menschlichen Fingers möglichst nahekommt.
Die menschlichen Zellen erneuern sich bis zu einem gewissen Grad ständig. Für Roboter müssen wir ähnliche Effekte auf andere Weise erreichen.
(Hubert Zangl)
Die Anforderungen, die die Sensoren erfüllen sollen, sind dabei vielfältig: Sie sollen ebenfalls nachgiebig, sensibel und möglichst energieeffizient sein, und sie sollen lange halten, obwohl sie einer ständigen mechanischen Belastung ausgesetzt sind. „Die menschlichen Zellen erneuern sich bis zu einem gewissen Grad ständig. Für Roboter müssen wir ähnliche Effekte auf andere Weise erreichen“, erklärt Zangl. In seinem Forschungszweig ist es ständig notwendig, sich auch an den menschlichen Gegebenheiten zu orientieren, will man doch eine Kollaboration zwischen Mensch und Maschine erzielen. „Ähnlich wie Dummies für Crash-Tests brauchen wir in der Forschung Modelle des Menschen, die sich hinsichtlich der Sensoreffekte ähnlich zu echten Menschen verhalten“, so Zangl weiter, und er zeigt uns dazu das Modell eines „Standardkopfes“, mit dem sich vergleichbare und reproduzierbare Experimente durchführen lassen.
Wie nimmt man technologische Zukunftsvisionen nun als jemand wahr, der mittendrin in den relevanten Forschungsfeldern arbeitet? „Vieles ist in den letzten Jahren schneller gegangen, als ich es mir erwartet habe. Das betrifft zum Beispiel die Kommunikationsthematik. Heute können wir mit einem kleinen mobilen Gerät gleichzeitig telefonieren, Videos ansehen und spielen. Viel von dieser Kommunikationstechnologie hat die Grundlage für andere technologische Entwicklungen geschaffen.“ Als besonders spannend empfindet Zangl die Entwicklung des autonomen Fahrens, denn: „Eigentlich hat der Roboter, also das Auto, ja ‚nur‘ die Aufgabe, auf dem Weg von A nach B nirgends hinein zu fahren. Dennoch ist die Technik sehr komplex, weil die Interaktion mit unbekannten Umgebungen und dem Menschen hinzukommt. Darin liegt auch hier eine große Herausforderung.“
Doch nicht nur Roboter müssten mit mehr Sensoren und damit mehr Sinneseindrücken ausgestattet werden, sondern auch ganze Umgebungen. Das Forschungsteam rund um Hubert Zangl betreibt gemeinsam mit Silicon Austria Labs das „Ubiquitous Sensing Lab (USE-Lab)“, in dem man Umgebungen mit Wahrnehmung ausstatten will. „Intelligente Umgebungen wie smarte Gebäude sind nur dann ‚intelligent‘, wenn sie das Geschehen wahrnehmen können“, so Zangl. Es sollen also Sensoren „überall“ hingebracht werden, ohne die eigentliche Funktion der Umgebung zu beeinträchtigen. Auch hier sind die Anforderungen hoch: Die Sensoren müssen wartungsarm sein, zuverlässig arbeiten, möglichst ohne Kabel miteinander kommunizieren können und wenig Energie verbrauchen bzw. diese selbst aus der Umgebung holen. Anwendungsfelder liegen beispielsweise in der Gebäudetechnik, aber auch in der Überwachung von Brücken und anderer Infrastruktur in Hinblick auf ihre Sicherheit.
Hubert Zangl und seine Kolleg*innen arbeiten viel mit Simulationen am Computer, aber auch mit Experimenten im Labor. Vieles davon sei auch verschränkt, so sind manche Maschinen so klein, dass sie auch auf dem Schreibtisch Platz finden. Gleichzeitig komme kein Labor ohne die Rechenleistung von Computern aus. „Die reale und die Cyberwelt rücken auch in unserer Arbeit immer näher zusammen“, so Zangl.
für ad astra: Romy Müller