Der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen steht auf der Agenda so gut wie jeder Regierung. Bisher hat man dabei aber wenig Augenmerk auf die Nachwuchskräfte gelegt, die als Pädagog*innen in den Einrichtungen tätig sein sollen. Forscher*innen an der Universität Klagenfurt unter der Leitung von Veronika Michitsch und am Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) unter der Leitung von Roland Löffler haben nun im Auftrag des Bildungsministeriums die Bildungs- und Berufsverläufe von Absolvent*innen der Bildungsanstalten und Kollegs für Elementarpädagogik untersucht. Die Erkenntnisse sind alarmierend: Selbst bei Beibehaltung des bisherigen (wenig optimalen) Fachkraft-Kind-Verhältnisses werden 2023 voraussichtlich 13.700 Fachkräfte fehlen. Zu viele Pädagog*innen und Betreuer*innen verlassen den Beruf bzw. arbeiten in Teilzeit. Das Forscher*innenteam hat daher einen Bericht mit Handlungsempfehlungen veröffentlicht.
Wer später in einem Kindergarten arbeiten will, besucht eine so genannte Bildungsanstalt für Elementarpädagogik (BAfEP), wo die Kompetenzen für Kindergarten-, Hort- und Früherziehungspädagogik vermittelt werden. Im Schuljahr 2020/21 waren es rund 11.000 Schüler*innen, die die Grundform (Abschluss mit Matura) oder ein Kolleg (nach der Matura) besuchten. Nur rund die Hälfte will sofort nach der Ausbildung in den Beruf einsteigen. Auch später hadern viele mit dem Beruf: Zu wenige Aufstiegsmöglichkeiten, zu wenig Wertschätzung für die Relevanz von frühkindlicher Bildung, zu wenig (Geschlechter-)Diversität und ein verbesserungswürdiges Verhältnis zwischen der Anzahl der Kinder und der Anzahl der Fachkräfte seien für die Pädagog*innen und Betreuer*innen herausfordernd. Der Beruf wird von vielen als psychisch und physisch fordernd beschrieben; passende Unterstützungsformate oder Sabbaticals gibt es bisher kaum. Hinzu kommt, dass viele Fachkräfte in Teilzeitmodellen tätig sind. Eine Vollzeitbeschäftigung (36 bis 40 Wochenstunden) üben nur 40 Prozent der Beschäftigten aus. Die Schwierigkeit, Personal zu rekrutieren, wird von den Betreiber*innen als hoch eingeschätzt. Mehr als drei Viertel der Einrichtungen meinen, dass es im Vergleich zum Zeitraum von vor zehn Jahren (viel) schwerer ist, geeignete Leitungskräfte zu finden, die Besetzung von Stellen von Elementarpädagog*innen schätzen mehr als 86% der Einrichtungen als (viel) schwerer ein. Derzeit fehlen rund 1.800 Fachkräfte, die vielfach händeringend gesucht werden.
„Elementarpädagogik ist ein eigenständiges Forschungsfeld, aus dem auch Erkenntnisse zu idealen Betreuungsrelationen hervorgehen“, ist den Studienautor*innen wichtig zu betonen. So sollen in Gruppen von unter Dreijährigen 3 bis 4 Kinder von eine*r Pädagog*in betreut werden, in Gruppen von Drei- bis Sechsjährigen 6 bis 8 Kinder und in Gruppen von Fünf- bis Sechsjährigen rund 10 Kinder. Die Situation in den österreichischen Betreuungseinrichtungen stellt sich aber in der Realität deutlich schlechter dar. Veronika Michitsch, Leiterin der Studie an der Universität Klagenfurt, betont: „Viele Fachkräfte haben den Eindruck, den Anforderungen nicht gerecht werden zu können, weil sie zu viele Kinder auf einmal betreuen müssen, ihnen zu wenig Vorbereitungszeit zur Verfügung steht und sie zu wenige Unterstützungssysteme vorfinden.“ Die alltägliche Arbeit der Fachkräfte sei zunehmend komplexer geworden, ergänzt Roland Löffler (öibf): „In vielen Gruppen gibt es eine hohe Anzahl an Kindern mit Migrationshintergrund und die elementarpädagogischen Fachkräfte haben breite, differenzierte Aufgabenfelder erhalten, die zu ihrer bisherigen Arbeit hinzukommen.“ In vielen Fällen sei auch eine stärkere Verschränkung mit anderen sozialen Berufsfeldern wie beispielsweise der Sozialen Arbeit erforderlich, um die Kinder bestmöglich zu unterstützen.
In ihrem Bericht stellen die Studienautor*innen einen Qualitätsrahmen mit 10 möglichen Perspektiven zur Verbesserung des elementarpädagogischen Berufsfeldes vor. Dazu gehören unter anderem Maßnahmen gegen Personalabgänge, ein besserer Betreuungsschlüssel und neue Arbeitszeitmodelle für ältere Mitarbeiter*innen. Auszeiten und Ausfälle von Pädagog*innen sollen nicht zu einer Mehrbelastung führen, dafür soll ein Pool an Springer*innen und Ersatzkräften geschaffen werden. Des Weiteren schlägt das Team vor, umfassender in die Ausbildung zu investieren und – beispielsweise über den Zivildienst – neue (vermehrt männliche) Zielgruppen anzusprechen. Notwendig sei auch die Vereinheitlichung von Rahmenbedingungen in allen Bundesländern und eine einheitliche gute Entlohnung.
Artikel auf SCIENCE APA: Kindergärten könnten 2030 bis zu 13.700 Fachkräfte fehlen (apa.at)
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