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Das Institut für Philosophie, in Kooperation mit dem AK Visuelle Kultur und dem Institut für Slawistik, Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt lädt ein zum
Vortrag von Prof. Oksana Bulgakowa
Das Fremde als Eigenes. Körperbilder und Körpergedächtnis in der Zeit der Bilderwanderung
Mittwoch, 28. November 2018, 18:00 Uhr, I.1.71
Früher wurde die Sprache der Gesten von Erwachsenen an Kinder, von Erziehern an Schüler weitergegeben, in Büchern über gutes Benehmen festgehalten, in Tanzstunden eingeübt. Was passiert mit dem Körpergedächtnis, wenn die nationale Tradition neu bewertet wird, weil die Menschen Filme, die sich über nationale und soziale Grenzen hinwegbewegen, in ihre Alltagserfahrung einschließen?
Der Film entwickelte sich rasch – nicht nur als erstes Medium, das Körpersprache, Gestik und Mimik in der Bewegung konservierte, sondern er modellierte erstmalig auch Körperbilder und beeinflusste die Veränderungen in der Körpersprache der Zuschauer, da er als Apparat für die Fixierung der Bewegung – so hatten es Physiologen, Psychologen, Psychoanalytiker, Anthropologen, Soziologen, Arbeitswissenschafter und Kulturphilosophen beobachtet – die Nachahmungsfähigkeiten der Zuschauer in Bezug auf die Motorik schärfte und trainierte. Das amerikanische Programm zur „re-education of Germany“ wurde von Psychologen, Anthropologen und Politikern ausgearbeitet, und Filme spielten nach dem Dritten Reich eine nicht unwichtige Rolle bei der Erziehung der Deutschen – diesmal zur Demokratie. Hollywood wollte sein Geschäft machen, Politiker verfolgten ihr ideologisches Programm und stützten sich dabei auf anthropologische Forschungen von Margaret Mead sowie auf Vorschläge von Psychiatern wie Richard Brickner. Amerikanische Unterhaltungsfilme wurden nicht im Rahmen dieses Programms gesehen, aber auch sie sollten die „Germans in the gestures, speech and affect of democratic sociality (schulen). Germans could develop a politically enlightened culture if they could learn to act like Americans or like actors portraying Americans“, wie der OWI-Fachmann für Deutschland formulierte. Die Veränderungen in der Körpersprache und im Verhalten, wie sie in ihrer medialen (italienischen, französischen, deutschen, sowjetischen) Dimension in den frühen 1950er-Jahren unter dem Einfluss fremder medialer Bilder ausprobiert wurden, führten nur ein Jahrzehnt später zu realen Auswirkungen: zur Destabilisierung der Hierarchien – in alternativen Lebensweisen, neuen politischen Parteien und Erziehungsmodellen.
Oksana Bulgakowa ist Professorin für Filmwissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Sie studierte an der Moskauer Filmhochschule und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie hat zahlreiche Bücher über das russische und deutsche Kino verfasst und herausgegeben, bei Filmen Regie geführt, Ausstellungen kuratiert und Multimediaprojekte entwickelt (oft zusammen mit Dietmar Hochmuth). Derzeit ist sie IFK_Senior Fellow und arbeitet an einem Buch über die Lesbarkeit der Körpersprache im Film.
Publikationen (u. a.): gem. mit Dietmar Hochmuth (Hg.), Sergej Eisenstein. Das Ur-Phänomen: Kunst, Berlin 2016, engl. 2017; Das sowjetische Hörauge, Moskau 2010; Stimme als kulturelles Phänomen, Moskau 2015; Die Sinn-Fabrik/Fabrik der Sinne, Berlin 2015; (Hg.), Eisenstein. Metod/Methode, 4 Bd., Berlin 2009; Fabrik der Gesten, Moskau 2005; Sergej Eisenstein. Eine Biographie, Berlin 1998, engl. 2002, russ. 2017; Sergej Eisenstein: drei Utopien. Architekturentwürfe zur Filmtheorie, Berlin 1996; (Hg.), Die ungewöhnlichen Abenteuer des Dr. Mabuse im Lande der Bolschewiki, Berlin 1995.