Jahrestagung der SWIP-Austria vom 7. bis 8. Oktober 2022

ORGANISATION: Institut für Philosophie in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Frauen- und Geschlechterstudien, Universität Klagenfurt und SWIP-Austria

KONZEPTION: Brigitte Buchhammer (SWIP), Alice Pechriggl (Universität Klagenfurt)

ORGANISATIONSTEAM: Brigitte Buchhammer, Alice Pechriggl, Julia Perschy

ORT: Universität Klagenfurt, Hörsaal Z.1.09

 

Flyer_Programm_Homepage

 

Abstracts

 

 

Vortrag: Dennis Sölch „Jenseits pädagogischer Ratgeberliteratur. Erziehungsphilosophie als philosophische Erkenntniskritik.“

Einladung zum Vortrag

„Jenseits pädagogischer Ratgeberliteratur. Erziehungsphilosophie als philosophische Erkenntniskritik.“ von

Dr. Dennis Sölch (Universität Düsseldorf) am Mittwoch, 16. März 2022, um 18:00 Uhr, im N.2.35.

 

Astract

Unter dem Label der Erziehungsphilosophie werden heute zumeist Fragen philosophischer Teildisziplinen diskutiert. Die angewandte Ethik etwa widmet sich dem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zwischen Lehrern und Schülern, während die politische Philosophie sich damit befasst, welchen Stellenwert der verpflichtende Religionsunterricht in einem säkularen Staat haben kann und darf. Obwohl solche Fragen zweifellos wichtig sind, gerät dabei doch leicht aus dem Blick, dass das Verhältnis von Philosophie und Erziehung bereits auf sehr viel grundlegendere Weise miteinander verwoben sind. Schon für Platon trifft Philosophie nicht primär dort auf Erziehung, wo es um spezifische Inhalte geht, die erst rational durchdrungen und dann vermittelt werden sollen, sondern ist in den Erziehungsprozess immer schon eingelassen. Das philosophische Geschäft geht aus Erziehungs- und Entwicklungsprozessen hervor, in denen einen neue Weise entsteht, die Welt zu betrachten und zu beschreiben, und mündet zugleich wieder in eben solche Prozesse. Vor diesem Hintergrund ist auch das Projekt einer fundierenden Erkenntnistheorie, die den Rahmen möglicher oder sinnvoller Reaktionen auf unsere Erfahrung im Voraus abstecken will, zumindest mit einem gewichtigen Fragezeichen zu versehen. Exemplarisch an Alfred North Whitehead und Bertrand Russell orientiert, soll in dem Vortrag gezeigt werden, auf welche Weise unser Philosophieverständnis durch die Reflexion auf Erziehungsprozesse geprägt werden kann. Vor dem Hintergrund eines geteilten Anliegens, der Liberalisierung des Bildungswesens, lassen sich mit Whitehead und Russell zwei fundamental verschiedene Begriffe von Philosophie aufweisen, die nicht zuletzt daraus resultieren, wie beide Autoren jeweils Erziehung und Bildung bewerten.

Zur Person

Dennis Sölch lehrt und forscht als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Institut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, wo er sich mit einer Arbeit über „Prozessphilosophien. Wirklichkeitskonzeptionen bei Alfred North Whitehead, Henri Bergson und William James“ promovierte. Er ist regelmäßiger Lehrbeauftragter an der Universität Klagenfurt, seit 2010 Geschäftsführer der Deutschen Whitehead Gesellschaft und war 2016 William James Scholar-in-residence am William James-Center der Universität Potsdam. Aus seiner Forschung sind zahlreiche Publikationen zur Philosophie und ihrer Geschichte, insbesondere zur Prozessmetaphysik, Existenzphilosophie, zum Pragmatismus und zur Kulturphilosophie, hervorgegangen. Zuletzt erschienen der gemeinsam mit Bernhard Ritter herausgegebene Band „Wittgenstein und die Philosophiegeschichte“ sowie, zusammen mit Birgit Capelle, „Literarische Philosophie – Philosophische Literatur. Formen des Philosophierens von Platon bis Heidegger.“

  

Das Institut freut sich über Ihr Kommen!

Gastvortrag: Luca Basso“ Ein Verein freier Menschen”. Gesellschaft und Individuation bei Karl Marx

Einladung zum Gastvortrag

„Ein Verein freier Menschen”. Gesellschaft und Individuation bei Karl Marx

von Luca Basso (Universität Padua)

am Mittwoch, 17. November 2021, 18:00 Uhr, O.0.01 (Stiftungssaal)

 

Abstract

Der Ausgangspunkt des Vortrags ist die Überzeugung, dass die Frage der individuellen Verwirklichung eine entscheidende Rolle in der Marx’schen Reflexion spielt. Wenn wir die bürgerliche Gesellschaft analysieren, realisieren wir nach Marx, dass die Freiheit des Individuums und dessen Subsumption unter eine gesellschaftliche Macht zwei Seiten derselben Medaille sind. Gesellschaft und Individuation konstituieren nach Marx nicht zwei Gegenpole, sondern sie setzen sich beide gegenseitig voraus. Es ist wichtig, die Ambivalenz der beiden Elemente zu betonen: auf der einen Seite wird die Gesellschaft nicht nur geschätzt, sondern aus ihren Herrschaftsstrukturen heraus auch kritisiert; auf der anderen Seite wird die Individuation nicht nur kritisiert, sondern bildet eine Basis für eine Dynamik, die zu einer anderen Perspektive als der gegenwärtigen kapitalistischen führen kann. Es geht Marx darum, die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft auf eine andere Weise als die Theoretiker des modernen Naturrechts und als die Exponenten der klassischen politischen Ökonomie zu interpretieren. Es ist bezeichnend, dass Marx im Kapital den Kommunismus als „Verein freier Menschen“ definiert. Dadurch versucht Marx, eine wechselseitige dynamische Implikation zwischen dem “Individuellen” und dem “Gesellschaftlichen”, zwischen “einem jeden” und “allen” zu schaffen.

 

Zur Person

Luca Basso ist Professore ordinario am Dipartimento di Scienze Politiche Giuridiche e Studi Internazionali an der Università degli Studi di Padova. Er hat Philosophie in Padua, an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin studiert. Er wurde 2004 mit einer Arbeit über Individuum und Gemeinschaft in der politischen Philosophie von Gottfried Wilhelm Leibniz an der Università di Pisa promoviert. An der Università degli Studi di Padova war er Ricercatore, Professore aggregato, Professore associato und ist seit 2020 Professore ordinario. Er hat ausgedehnte Forschungsaufenthalte im Ausland absolviert: Berlin (Freie Universität, Technische Universität, Staatsbibliothek und MEGA-Edition), Potsdam (Leibniz-Edition), Weimar (Stiftung Weimarer Klassik), München (Staatsbibliothek), Hannover (Leibniz-Archiv), Wolfenbüttel (Herzog August Bibliothek), Paris (Bibliothèque Nationale, Bibliothèque de l’Ecole Normale Supérieure) und London (Queen Mary University, Brunel University und British Library). Im Zentrum seiner Forschung steht die Frage nach dem Verhältnis zwischen individuellem Subjekt und kollektivem Subjekt in der modernen und zeitgenössischen Philosophie. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Tradition. Sein langjähriges Interesse gilt der politischen Philosophie und der Naturrechtstheorie von Leibniz und dem Zusammenhang zwischen Individuum, Gesellschaft und Gemeinschaft bei Marx und in der marxistischen Tradition. Seit einigen Jahren hat er auch einen Forschungsschwerpunkt zur französischen politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts aufgebaut, mit einem besonderen Interesse an der Philosophie Jean-Paul Sartres.

 

Monographien

Individuo e comunità nella filosofia politica di G. W. Leibniz, Rubbettino, Soveria Mannelli 2005.

Socialità e isolamento: la singolarità in Marx, Carocci, Roma 2008; Übersetzung: Marx and Singularity. From the Early Writings to the “Grundrisse”, Brill, Leiden-Boston 2012.Agire in comune. Antropologia e politica nell’ultimo Marx, ombre corte, Verona 2012; Übersetzung: Marx and the Common. From “Capital” to the Late Writings, Brill, Leiden-Boston 2015.

Inventare il nuovo. Storia e politica in Jean-Paul Sartre, ombre corte, Verona 2016.