Spotlight IfEB März 24: Patricia Premitzer „Der Zusammenhang unserer Sprache mit Inklusion, Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit Lernschwierigkeiten. Inklusion – Exklusion – Konstruktion“

Welches Thema hast Du bearbeitet und was bedeutet es für Dich?

Ich habe mich im Rahmen meiner Masterarbeit mit dem Zusammenhang unserer Sprache mit der Inklusion, Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit Lernschwierigkeiten auseinandergesetzt. Als pädagogische Fachkraft in der Begleitung von Menschen mit Behinderungen/Lernschwierigkeiten lernte ich bereits verschiedenste (sprachliche) Benachteiligungsformen kennen, mit denen diese Personengruppe in ihrem Alltag konfrontiert ist. Es ist mir ein großes Anliegen, mich für gelingende gesellschaftliche Inklusionsprozesse und ein besseres gesamtgesellschaftliches Miteinander einzusetzen, weshalb ich mein Masterprojekt dafür nutzte, einen wichtigen Aspekt, nämlich die Rolle und die Macht unserer Sprache und Kommunikation, zu bearbeiten und in Form eines partizipativen Forschungsprozesses, die Folgen für die Betroffenen, sowie potenzielle Lösungsstrategien darzustellen.

Wie ist dieses Thema mit Deinem Studium verbunden?

Aufgrund von persönlichem Interesse sowie meines bisherigen Berufsweges wählte ich im Rahmen meines Masterstudiums unter anderem den Schwerpunkt „Disability Studies“. Die Disability Studies stellen einen bedeutenden Schwerpunkt im sozialpädagogischen Teilbereich der Sozialwissenschaften dar. Überdies absolviere ich auch das Studium „Diversity & Disability Studies“ an der FH Klagenfurt. Somit bearbeitete ich bereits verschiedenste Thematiken im Behinderungskontext und konnte mir ein umfassendes Wissen dazu aneignen. In Bezug auf mein Masterprojekt war schnell klar, dass ich mich auch hier mit einem Thema im Bereich der Disability Studies auseinandersetzen möchte. Da ich selbst schriftstellerisch tätig bin und die Sprache ein weiteres persönliches Interessensfeld von mir darstellt, entschied ich mich, diese beiden Schwerpunkte miteinander zu verbinden.

Wie bist Du im Forschungsprozess vorgegangen?

Da zur Beantwortung der Forschungsfrage subjektive Sichtweisen und Erlebnisse eine wesentliche Rolle spielten, habe ich als Erhebungsmethode das qualitative Verfahren des Leitfadeninterviews gewählt. Die Leitfadenerstellung erfolgte anhand des SPSS-Prinzips nach Helfferich, welches für mich sehr hilfreich war. Insgesamt fanden acht Interviewgespräche mit Menschen mit Lernschwierigkeiten statt. Als Auswertungsmethode eignete sich die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring, um das umfassende Material an erhobenen kommunikativen Inhalten ordnungsgemäß zu analysieren. Die Auswertung erfolgte mithilfe der Software MAXQDA, welche ich dafür zum ersten Mal verwendete. Trotz anfänglicher Skepsis wurde ich relativ schnell vertraut mit dem Programm und konnte mir damit unheimlich viel Zeit und Aufwand ersparen. Ein großes Plus ist außerdem, dass die AAU die Software kostenlos zur Verfügung stellt.

Was möchtest Du anderen Studierenden an Erfahrungen und Tipps mitgeben?

Mir persönlich haben fixe, regelmäßige Schreibzeiten beim Verfassen der Masterarbeit sehr geholfen und die Einplanung von Zeitpuffern. Es gibt Tage, an denen das Schreiben leicht fällt und andere Tage, an denen die Stunden vergehen und sich kein Fortschritt einstellen will. Das ist vollkommen okay. Mit der Zeit merkte ich, dass es sinnvoller ist, sich einer anderen Tätigkeit zu widmen, als stundenlang vor dem Bildschirm zu sitzen und krampfhaft auf die Tastatur zu tippen, wenn einmal nichts weitergehen mag. Es kann nicht immer gut laufen. Viel wichtiger ist, sich am Tag darauf (oder je nachdem wann die nächste Schreibeinheit geplant ist) erneut möglichst positiv gestimmt dazuzusetzen. Nur nicht verzweifeln. Auch der Austausch mit anderen Studierenden kann sehr hilfreich und bestenfalls motivierend sein. Die beste Voraussetzung ist meiner Meinung nach, sich für ein Thema zu entscheiden, welches auf dem eigenen Interesse basiert, denn das macht den Forschungsprozess umso spannender für eine*n selbst. Ganz oft hab ich mir in mühsamen Phasen auch gedacht: „Es haben schon so viele geschafft, also werde ich das auch schaffen.“ – Und genau so ist/war es auch. Das Wichtigste ist: dabeibleiben.

Spotlight IfEB Jänner 2024: Laura Teresa Napetschnik „Vereinsleben und damit verbundene Lern- und Bildungsprozesse“

Welches Thema bearbeitest Du und was bedeutet es für Dich?

Ich habe mich in meiner Masterarbeit mit dem Thema des Vereinslebens und den damit verbundenen Lern- und Bildungsprozessen von Personen ab 60 Jahren auseinandergesetzt.

Der Anstoß für dieses Thema war die Verkettung zweier Ereignisse:

Meine Großmutter, welche lange Zeit aktiv in Vereinen tätig war, wurde durch einen schweren Unfall und dem zeitgleich auftretenden ersten Lockdown abrupt aus ihrem (Vereins-)Leben gerissen. Die Folgen der verminderten sozialen und physischen Aktivitäten waren verheerend für ihren Allgemeinzustand.

Ein Jahr später besuchte ich bei Frau Irene Cennamo die Lehrveranstaltung „Community that (trans)forms: Vergangene und gegenwärtige Konzepte, Methoden und Diskurse einer am Gemeinwesen und Gemeinwohl orientierten Erwachsenenbildung“, welche mir die Tragweite eines aktiven und erfüllten Lebens in einer Gemeinschaft, welcher Art auch immer, nochmals deutlich vor Augen führte.

Trotz eines komplizierten Bruchs und einer langen Zeit des (coronabedingten) Alleinseins erholte sich meine Großmutter erstaunlich gut von ihrem Unfall. Die Ärzt:innen sagten meiner Mutter, sie seien überzeugt, dass das aktive (Vereins-)Leben meiner Großmutter wesentlich zu ihrer Genesung beigetragen habe.

Blickt man auf die österreichische Geschichte, wird einem rasch klar, dass Vereine ein wesentlicher Teil der Kultur waren und immer noch sind. Die damit verbundenen Aufgaben und Tätigkeiten stellen Mitglieder oft vor neue Herausforderungen. Lernprozesse, die damit einhergehen, sind meist nicht intendiert und damit den Personen häufig nicht bewusst.

Mir war es wichtig, mit meiner Arbeit ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Bildungs- und Lernprozesse nicht immer auf offiziellen Dokumenten festgehalten werden können und sollen. Meine Interviewpartner:innen profitieren von ihren Vereinstätigkeiten in einer Weise, die sich durch ein soziales Miteinander sowie durch gesteigerte Konfliktfähigkeit und durch einen empathischen und sensiblen Blick auf ihr Gegenüber auszeichnet. Insgesamt habe ich in der Fülle meiner Ergebnisse vier Kategorien herausgearbeitet, auf welche ich in meiner Ergebnispräsentation den Fokus legte. Die vier Dimensionen waren „Infrastruktur“, „Mehrwert der Vereinsarbeit“, „Hürden“ und „Lebensbegleitendes Lernen“.  Zu jeder Rubrik gestaltete ich mithilfe des Programms MAXQDA 2022 eine MindMap in der ich die Unterkategorien sammelte. Anschließend formulierte ich Thesen zu jeder Dimension, welche ich mit Ausschnitten aus meinen Interviews belegte. Daraufhin sichtete ich passende Literatur zu den Thesen, die damit gestützt oder widerlegt wurden.

Wie ist dieses Thema mit Deinem Studium verbunden?

Das Lernen im und durch den Verein kann durch viele erwachsenenpädagogische Brillen betrachtet werden.

In meiner Masterarbeit habe ich mich dafür entschieden, den Symbolischen Interaktionismus als Forschungsparadigma zu wählen. Dieser wurde wesentlich durch die Pragmatisten James, Dewey, Peirce und Mead geprägt (vgl. Denzin 2019, S. 136). Der Symbolische Interaktionismus formuliert acht Grundannahmen, die im Wesentlichen darin zusammengefasst werden können, dass Menschen mit anderen Personen und „Dingen“ interagieren und damit ein wechselseitiges aufeinander Einwirken geschieht. Durch diesen Prozess erhalten Menschen und Dinge subjektive Bedeutungen (vgl. Denzin 2019, S. 138f.).

Im Laufe des Bachelor- und Masterstudiums lernt man eine Vielzahl an Forschungsmethoden kennen. Da der Ausgangspunkt meiner Arbeit ein Interview mit meiner Großmutter war, habe ich mich für die Forschungsmethode der Grounded Theory entschieden. Der Forschungsprozess der Grounded Theory ist triadisch und besteht im Grundlegenden aus dem Erheben von Daten, dem Codieren dieser und dem Verfassen von Memos (vgl. Hildebrand 2019, S. 33). Mithilfe der Grounded Theory werden auf Basis empirischer Forschungen Theorien formuliert, die ein bestimmtes Phänomen erklären und beschreiben (vgl. Böhm 2019, S. 475f.).

Eine eigene Lehrveranstaltung im Studiengang Erwachsenenbildung und berufliche Bildung beschäftigt sich mit den verschiedenen erwachsenenpädagogischen Lerntheorien. Eine davon ist die Erneuerte Interessetheorie nach Anke Grotlüschen (2010). Ich habe meinen Forschungsgegenstand aus der Sicht dieser Lerntheorie betrachtet.

Grotlüschen weist daraufhin, dass das Entstehen von Interessen sowohl auf vergangenen Ereignissen und Erfahrungen als auch auf Zukunftsplänen beruht. Dabei stehen der subjektive Geschmack, die Gewohnheiten sowie die Zugehörigkeitswünsche einer Person im Spannungsverhältnis mit Bewertungen und Einflüssen der Außenwelt. Außerdem zeigt die Autorin auf, dass sich das Interesse an Gegenständen und Themen im Laufe der (Bildungs-)Biografie verändern kann (vgl. Grotlüschen 2010, S. 290).

Selbstverständlich gibt es noch weitere Berührungspunkte mit meinem Studium. Schlagwörter hierfür wären unteranderem „Active Aging“, „Bildungsbe(nach)teiligung über die Lebensspanne“ sowie die Unterscheidung zwischen dem formellen, dem non-formalen und dem informellen Lernen.

Wie gehst Du im Forschungsprozess vor?

Ich bin ein ordnungsliebender Mensch, der die präzise Planung sehr schätzt. Während meines Forschungsvorhabens für meine Masterarbeit musste ich lernen, dass Forschungsentwürfe keine starren Checklisten sind, die in einem linearen Prozess abgehakt werden können. Dies hat mir vor allem am Beginn meiner Masterthesis Probleme bereitet. Dementsprechend groß war mein Lernerfolg diesbezüglich. Die Grounded Theory, welche mir während meines Bachelorstudiums immer ein wenig suspekt vorkam, ist mittlerweile eine meiner präferierten Methodologien.

Die Basis für meine Masterarbeit war ein Interview mit meiner Großmutter zu ihrem Vereinsleben. Nach der Transkription habe ich wesentliche Schlagwörter geclustert und daraus, in Abstimmung mit meiner Betreuungsprofessorin Frau Cennamo, eine vorläufige Forschungsfrage formuliert. Ich habe während der Erarbeitung des theoretischen Inputs drei weitere Interviews geführt und infolgedessen die Wahl meiner Literatur und Schwerpunkte in meiner Masterarbeit gewählt.

Während des Schreibens habe ich mir laufend Notizen gemacht, an welchem Punkt ich bei meiner Masterarbeit einhaken kann und wo ich Potenzial für ein weiteres Forschungsvorhaben sehe.

Was möchtest Du anderen Studierenden an Erfahrungen und Tipps mitgeben?

Die Masterarbeit ist eine wunderbare Gelegenheit, sich mit einem Thema intensiv auseinanderzusetzen und während des Schreibens und Forschens Neues zu lernen.

Das Wichtigste vorab: Du musst das Rad nicht neu erfinden. Räum dir genügend Zeit ein, um bereits vorhandene Literatur und Forschungsprojekte zu sichten und dir Inspiration für deine Masterarbeit geben zu lassen.

Vor allem am Beginn kann es etwas dauern, bis du in den Schreibprozess hineinfindest. Übernimm dich nicht, sondern versuche mit kleinen Arbeitseinheiten zu beginnen und diese mit der Zeit größer werden zu lassen. Lass dich nicht verunsichern, wenn du einmal einen Schritt zurückmachst. Vertraue auf deine Fähigkeiten und dann wird dein Masterprojekt gelingen. Du wirst mit der Zeit für dein Thema sensibler werden und Verknüpfungen, die für dein Vorhaben relevant sind, in deinem (Studien-)Alltag wiederfinden.

Für die Sammlung und Verwaltung deiner Literatur kann ich dir das Literaturverwaltungsprogramm Citavi ans Herz legen. Damit hast du eine übersichtliche Auflistung deiner Literatur. Du kannst außerdem PDF-Dokumente wie Artikel oder Forschungsberichte in deinem Citavi Projekt hinterlegen. Zusätzlich unterstützt das Tool dich beim Zitieren, indem es sich mit deinem Word Dokument verknüpfen lässt. Damit kannst du gewährleisten, dass deine Zitierweise einheitlich und korrekt ist.

Citavi kannst du kostenlos über die Website der Universität Klagenfurt downloaden.


Literaturverzeichnis:

Denzin, Norman K. (2019): Symbolischer Interaktionismus. In: Uwe Flick, Ernst von Kardorff und Ines Steinke (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. 13. Auflage. Reinbek bei Hamburg: rowohlts enzyklopädie im Rowohlt Taschenbuch Verlag (rororo Rowohlts Enzyklopädie, 55628), S. 136–149.

Hildenbrand, Bruno (2019): Anselm Strauss. In: Uwe Flick, Ernst von Kardorff und Ines Steinke (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. 13. Auflage. Reinbek bei Hamburg: rowohlts enzyklopädie im Rowohlt Taschenbuch Verlag (rororo Rowohlts Enzyklopädie, 55628), S. 32–41.

Böhm, Andreas (2019): Theoretisches Codieren: Textanalyse in der Grounded Theory. In: Uwe Flick, Ernst von Kardorff und Ines Steinke (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. 13. Auflage. Reinbek bei Hamburg: rowohlts enzyklopädie im Rowohlt Taschenbuch Verlag (rororo Rowohlts Enzyklopädie, 55628), S. 475–485.

Grotlüschen, Anke (2010): Erneuerung der Interessetheorie. Die Genese von Interesse an Erwachsenen- und Weiterbildung. Wiesbaden: VS Verlag fur Sozialwissenschaften GmbH (Theorie und Empirie Lebenslangen Lernens Ser). Online verfügbar unter https://ebookcentral.proquest.com/lib/kxp/detail.action?docID=748867.

Spotlight IfEB Dezember 2023: Sinan Güney „Ist die Sommerschule 2020 ein geeignetes Werkzeug zur Behebung der Bildungsungleichheit in Österreich?“

Welches Thema bearbeitest Du und was bedeutet es für Dich?

In meiner Abschlussarbeit erforsche ich am Beispiel der Sommerschule 2020 der Caritas, wie außerschulische Bildungsangebote die Bildungsungleichheit in Österreich verringern können. Mit dieser Arbeit möchte ich zum einen die Bildungsungleichheit in unserer Gesellschaft und deren Entstehungsbedingungen aufzeigen, zum anderen versuche ich zu analysieren, wie sich diese Bildungsungleichheit im Zuge der Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen im Kampf gegen die COVID-Pandemie verstärkt hat. Ferner zielt dieses Forschungsvorhaben darauf ab, die Wichtigkeit von außerschulischen Bildungsangeboten zu unterstreichen. Das Thema ist für mich wichtig, da ich selbst während der COVID-Pandemie als ehrenamtlicher Lernhelfer tätig war. Dabei konnte ich all die Schwierigkeiten in Hinblick auf Lernen in jener Zeit hautnah miterleben und hatte das Gefühl, Dankbarkeit von Eltern und Kindern für die außerschulischen Lernangebote wahrzunehmen.

Wie ist dieses Thema mit Deinem Studium verbunden?

Im Zuge meines Praktikums wurde ich ehrenamtlicher Lernhelfer bei der Caritas. Deren Angebote für Schüler*innen dienen nicht zuletzt der sozialen Inklusion, viele der Kinder, die sie in Anspruch nehmen haben Migrationshintergrund und sind mehrsprachig. Niedrigschwelligen Angebote mit einem kostenlosen Zugang sind gut geeignet, um bei einer erfolgreichen Bildungsaspiration zu helfen. Dieses Lernangebot trat flankierend zu dem System „Familie“ und dem „System“ Schule auf. Hier konnte den Kindern eine Art „Nachhilfe“ angeboten werden und es war zudem ein sozialer Treffpunkt für die Kinder in einer Zeit, in der außerschulische Einrichtungen, bspw. Jugendzentren und Sportvereine, geschlossen waren. Gerade Familien mit niedriger Kapitalausstattung nahmen dieses Angebot an, da besonders sie durch distance learning und homeschooling benachteiligt waren.

Wie gehst Du im Forschungsprozess vor?

Mein Forschungsinteresse wurde durch die Arbeit als ehrenamtlicher Helfer im Zuge meines Praktikums geweckt. Die anfängliche Literaturrecherche fand im Rahmen des Masterseminars statt. Nach dem Masterseminar wurden Interviews mit Kindern sowie Eltern durchgeführt. Besonders die Interviews mit den Kindern waren eine spannende Herausforderung. Mittlerweile ergänze ich die theoretischen Herleitungen mit den getätigten Aussagen der Kinder sowie deren Eltern und bringe damit die Ergebnisse meiner Interviewanalyse mit der Theorie und Ergebnissen anderer Studien in Verbindung.

Was möchtest Du anderen Studierenden an Erfahrungen und Tipps mitgeben?

Ich empfehle den Studierenden mit offenen Augen durch ihr Studium zu gehen und neugierig zu sein. Der Austausch mit anderen Kommilitonen ist sehr wichtig und eröffnet Forschungs- bzw. Berufswege, die man selbst nicht im Blick hatte. Das Schreiben einer Masterarbeit mitten im Berufsleben ist zwar anspruchsvoll, aber wenn das Berufsfeld Verbindungen zum Forschungsfeld aufweist können sich beide Bereiche sinnvoll ergänzen und die berufliche Erfahrung die Qualität der Masterarbeit steigern.

Spotlight IfEB, November 2023: Cora Bieß „Wie kann Konfliktsensibilität Zivilcourage fördern?“

– Welches Thema bearbeitest Du und was bedeutet es für Dich?

In meiner Promotion gehe ich der Frage nach, wie machtkritische Konfliktsensibilität Zivilcourage fördern kann. Konfliktsensibilität wird in der Friedensarbeit häufig mit dem Qualitätsstandard „Do No Harm“ (Schadensvermeidung) definiert. In meiner Arbeit reformuliere ich das etablierte Verständnis von Konfliktsensibilität, indem ich Do No Harm mit dem HEADS UP-Tool von Vanessa de Oliveira Andreotti (Mitglied des Gesturing Towards Decolonial Futures Collective) in Verbindung setze. Mit dieser theoretischen Grundlage analysiere ich den digitalen Raum als Konfliktkontext und betrachte koloniale Kontinuitäten, die sich im digitalen Strukturwandel auf unterschiedlichen Ebenen reproduzieren. Damit leiste ich einen Beitrag zum Forschungsgebiet der Friedensbildung.

– Wie ist dieses Thema mit Deiner Arbeit verbunden?

Fragen nach strukturellem Rassismus und reproduzierenden kolonialen Ungerechtigkeiten bewegen mich über die Wissenschaft hinaus auch in der Praxis der Friedensarbeit. Ich bin Referentin bei der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung. Im Rahmen des Projekts „Friedensarbeit verändern- rassismus- und machtkritisches Denken und Handeln in der Zivilen Konfliktbearbeitung“ ist es meine Aufgabe, kolonialismuskritische Reflexionsprozesse anzustoßen. Dabei trage ich rassismuskritische sowie post- und dekoloniale Impulse in die zivile Konfliktbearbeitung, um eine machtkritische Haltung zu stärken. Im Verständnis einer Hegemonie(selbst)kritik stehen hierbei die eigenen Verstrickungen mit den bis heute andauernden kolonialen Kontinuitäten im Fokus, die das Selbstverständnis von Nord-Südpartner*innenschaften über Jahrzehnte geprägt haben. (siehe auch Veränderung anstoßen – Haltung entwickeln. Blogbeitrag von Cora Bieß, herausgegeben von EIRENE)

Darüber hinaus arbeite ich seit 2019 bei Berghof Foundation im Bereich Friedensbildung und interessiere mich dafür, wie die kritische Reflexion von kolonialen Kontinuitäten in der Friedensbildung gestärkt werden kann.

Derzeit arbeite ich bei Berghof als Redakteurin des Kinderportals Frieden-Fragen.de. Auf diesem Internetportal können Kinder Fragen zu Krieg, Streit, Gewalt und Frieden stellen. Diese Aufgabe fasziniert mich, weil ich die komplexen Theorien und Zusammenhänge in einfacher Sprache herunterbrechen muss, um sie altersgerecht verständlich erklären zu können. In einem Comic zum Thema Warum gibt es Krieg und wie können Kinder Frieden schaffen? versuche ich beispielsweise, Kindern Inspirationen zu geben, wie sie sich in ihrem Umfeld für Frieden einsetzen können.

– Wie gehst Du im Forschungsprozess vor?

Der digitale Strukturwandel ermöglicht neue Mobilisierungsformen, eröffnet neue Räume und kann somit auch verändern, wer die Konfliktakteur*innen sind. Gleichzeitig führt die Digitalisierung zu mediatisierten Kindheiten. Bei der Nutzung des Internets durch Heranwachsende ereignen sich Interaktionen und Dialogräume zunehmend virtuell, ihre Sozialisierung findet zunehmend online statt. Jugendliche sind dadurch nicht mehr nur Medien-Konsumierende, sondern verantworten, eröffnen und kreieren Dialogräume in der Onlinekommunikation. Damit verbunden werden sie zu Kontaktperson in der Kommunikation von und mit Dritten. Heranwachsende werden somit Teil einer konflikthaften digitalen Umgebung. Daher braucht es ein neues Verständnis von Konfliktsensibilität. Dafür müssen Erwachsene lernen, die Perspektiven von Jugendlichen in Bezug auf gewaltvolle Konflikte in der Onlinekommunikation zu hören und zu verstehen, um sie zu stärken, Zivilcourage zu zeigen. In meinem Forschungsprozess erhebe ich in Workshops hierfür, wie Jugendliche Konflikte und Gewalt in der Onlinekommunikation wahrnehmen. Anhand verschiedener kreativer Methoden tauschen sich Jugendliche über mögliche Formen zivilcouragierten Handelns aus. In einer Methode arbeite ich beispielsweise mit verschiedenen Szenarien, die unterschiedliche Diskriminierungsformen in der Onlinekommunikation darstellen.

– Was möchtest Du anderen Studierenden an Erfahrungen und Tipps mitgeben?

Gehe den Fragestellungen nach, die dich intrinsisch motivieren. Bleibe neugierig, und gestalte einen wechselseitigen Reflexionsprozess zwischen Impulsen aus der Praxis und der Wissenschaft 😊