01.03.: Goran Vojnović: Tschefuren raus! Zweisprachige Lesung

 

Goran Vojnvić

Tschefuren raus! oder Warum ich wieder mal zu Fuß bis in den zehnten Stock musste

 

Dienstag, 01. 03. 2022, 19.30 Uhr                   

 

Moderation: Felix Kohl

Übersetzung: Natalija Natalija Milovanović

 

Marko ist einer aus der Jugo-Bande, ein Tschefur. Als Kind bosnischer Eltern ist er in Fužine groß geworden, der Trabantenstadt von Ljubljana, doch ist er in Slowenien nie richtig angekommen. Im Viertel sind die Wohnungen klein, die Familien groß und der Lebensstandard niedrig. Vor dem Wohnblock sitzen ist Nationalsport. Kein Wunder, dass Marko und seine Freunde wie alle, die von südlich oder östlich des Flusses Kolpa stammen, ein Faible für das leichte Leben, für das Fluchen, Saufen und die Frauen haben. So schlagen sie die Zeit tot, zappen durch die TV-Kanäle und können die weinerlichen Geschichten von der Sehnsucht der Väter nach dem Süden nicht mehr hören.

In der Geschichte von Marko entfaltet Goran Vojnović die fragile Suche nach Identität, die eng verbunden ist mit der Frage, was eigentlich Heimat ist. Denn Bosnien, das vom Krieg zerstörte Land der kindlichen Urlaubserinnerungen, ist es ebenso wenig wie Slowenien, das billige Arbeiter braucht, aber die Menschen an den Rand drängt.

Das Romandebüt von Goran Vojnović ist bereits 2008 in Slowenien erschienen und sorgte damals für einen Skandal: Der Polizeipräsident des Landes sah darin seine Institution beleidigt, zu offen wurden Missstände angesprochen. 2013 folgt die Verfilmung, in neun Sprachen wurde der Roman bislang übersetzt.

 

Goran Vojnović, 1980 in Ljubljana geboren, studierte Regie an der Theater- und Filmhochschule Ljubljana und gilt als einer der talentiertesten Autoren seiner Generation. Er arbeitet als Autor, Regisseur und Kolumnist. Auf deutsch erschienen sind bisher Vaters Land (2016) und Unter dem Feigenbaum (2018).

 

„Allen zeigt Tschefuren raus! ihre billigen Lebenslügen, ihre Resignation, ihre zerstörten Städte, Dörfer, Familien. Allen hält er den Spiegel vor, den Verlierern wie den vorgeblichen Siegern.“ (Frankfurter Rundschau)

 

08.02.: Gert Jonke: Mein Reich ist in der Luft

Dienstag, 08. 02. 2022
19.30 Uhr

  

Gert Jonke: Mein Reich ist in der Luft

Texte von Gert Jonke mit Musik

Dietmar Pickl (Lesung)
Gilbert Sabitzer (Klarinette, Saxophon, Bassklarinette)

 

Gert Jonke wäre am 8. Februar 75 Jahre alt geworden. Der in Klagenfurt geborene und im Jahr 2009 in Wien verstorbene Dichter ist wohl den meisten als Verfasser von Prosawerken (Geometrischer Heimatroman, Glashausbesichtigung, Die Vermehrung der Leuchttürme, Schule der Geläufigkeit u.a.) und Theaterstücken (Die Hinterhältigkeit der Windmaschinen, Sanftwut oder Der Ohrenmaschinist, Es singen die Steine, Die Vögel, Die versunkene Kathedrale, Freier Fall u.v.m.) bekannt.

Gedichte waren aber die ersten Werke, die der junge Jonke schrieb und die erstmals 1963 in der Literaturzeitschrift Der Bogen. Dokumente neuer Dichtung veröffentlicht wurden. Diese Zeitschrift wurde vom Graphiker und Schriftsteller Hans Leb, gebürtig aus Knappenberg, und dem Villacher Schriftsteller und Arzt Heinz Pototschnig herausgegeben.
Nach diesem kreativen lyrischen Beginn folgte eine lange Zeit bis zu seinem Tod – etwa 40 Jahre, in denen Gedichte keine große Rolle spielten, ein paar Handvoll sind entstanden. Allerdings ist Jonkes opus ultimum ein Gedicht.

Trotzdem können wir nicht von einer „gedichtlosen“ Zeit im Schaffen Jonkes reden. Er hat in seinen Prosa- und Bühnenwerken immer wieder in beeindruckender Art lyrische Akzente gesetzt, diese gleichsam wie Musik komponiert. Dazu stellt er in einem Gespräch fest: „Ich fühle mich eigentlich weniger als Schriftsteller, sondern mehr als Komponist. Mit meiner Sprache komponiere ich.“

Der Abend bringt neben Gedichten auch solche lyrischen Anrufungen, Chorlieder und Monologe aus seinem dramatischen Schaffen. Der Zauber der Sprache Jonkes wird darin erlebbar. Seine Fantasie in Worten und Bildern lässt dann zeitweilig die Wirklichkeit hinter sich – und das Publikum wohl auch.

Die Musik greift in den Text nicht ein. Lässt aber Zeit, ihm nachzuhören, trennt und verbindet lyrische Abschnitte zum Teil mit Musik, die Gert Jonke geliebt hat.

28.01.2022: Valerie Fritsch, Richard Obermayr, Stephan Roiss, Lesung und Gespräch

Valerie Fritsch

Richard Obermayr

Stephan Roiss

 

Lesung, Werkstattgespräch

Freitag, 28. 01. 2022

19.30 Uhr                    

 

 

author@musil: Das RMI / KLA lädt Autor/innen ein, für einen Zeitraum von drei oder vier Monaten Gast-Mitarbeiter/in am Institut zu sein. Sie beteiligen sich an Forschungsschwerpunkten des Instituts, geben Einblick in die eigene Schreibarbeit, wirken am Veranstaltungsprogramm des RMI durch Planung und Mitgestaltung einer eigenen Reihe mit oder leiten Schreibwerkstätten.

Stephan Roiss ist nach Mladen Savić und Eva Schörkhuber der dritte Autor, der auf Einladung des RMI/KLA in Klagenfurt sein wird. Im Rahmen seines Aufenthalts wird er sich mit den Hörspielen Werner Koflers auseinandersetzen und bietet einen Schreibworkshop für Jungautor:innen an.

 

An diesem Abend stellt er sich als neuer „author@musil“ vor und hat dazu auch Gäste, Valerie Fritsch und Richard Obermayr, zwei von ihm sehr geschätzte Kolleg:innen, eingeladen, die mit ihm das Podium teilen und sich mit ihm über das Schreiben unterhalten werden. Er selbst liest in diesem Rahmen Ausschnitte aus seinem Roman Triceratops und Werkstatt-Texte, Valerie Fritsch aus Herzklappen von Johnson & Johnson und Richard Obermayr aus Epimetheus, Skizzen zu einem sich in Arbeit befindlichen Roman.

 

 

Valerie Fritsch, 1989 in Graz geboren, wuchs in Graz und Kärnten auf. Nach ihrer Reifeprüfung 2007 absolvierte sie ein Studium an der Akademie für angewandte Photographie und arbeitet seither als Photokünstlerin. Sie ist Mitglied des Grazer Autorenkollektivs plattform. Publikationen in Literaturmagazinen und Anthologien sowie im Rundfunk. 2015 erschien Winters Garten im Suhrkamp Verlag, 2020 folgte Herzklappen von Johnson & Johnson. Ausgezeichnet mit dem kelag-Preis und dem BKS-Publikumspreis bei den Tagen deutschsprachigen Literatur 2015 und zuletzt mit dem Brüder-Grimm-Preis der Stadt Hanau 2020. Sie lebt in Graz und Wien.

 

Richard Obermayr, geboren 1970 in Ried, aufgewachsen in Schwanenstadt. Er studierte in Wien und veröffentlichte literarische Texte in verschiedenen Zeitschriften. 1998 erschien sein erster Roman Der gefälschte Himmel im Residenz Verlag, 2010 der Roman Das Fenster bei Jung und Jung. Ausgezeichnet u.a. mit dem Reinhard-Priessnitz-Preis (2011) und dem Heimrad-Bäcker-Preis (2020). Er lebt in Oberösterreich und Wien.

 

Stephan Roiss, 1983 in Linz geboren, lebt als freier Autor und Musiker (Äffchen & Craigs, Fang den Berg) in Ottensheim und Graz. Er absolvierte den Masterstudiengang am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und schreibt Prosa, Lyrik, Texte für Graphic Novels sowie szenisch-performative Texte. Seine Hörspiele wurden u. a. via SWR, MDR und Deutschlandradio Kultur ausgestrahlt. Triceratops ist sein erster Roman, für den er 2020 für den Deutschen Buchpreis nominiert war.

21.01.: Stefan Schmitzer: liste der künstlichen objekte auf dem mond

 

Stefan Schmitzer

liste der künstlichen objekte auf dem mond

Lesung und Soundcollage

 

Freitag, 21. 01. 2022, 19.30 Uhr

 

1959 schlug als erstes irdisches Objekt die sowjetische Raumsonde Lunik 2 im Palus Putredinis auf. Seitdem brachten 66 Missionen Tonnen von Menschen erzeugtes Gerät zum Erdtrabanten. Vieles davon ist funktionslos geworden, darunter Teile, deren einstige Bestimmung sich nicht mehr eruieren lässt.

Stefan Schmitzer nahm sich solches Material als lexikalisches Stoff-Reservoir für sein Langgedicht liste der künstlichen objekte auf dem mond und lässt aus dem Wortschatz von Technik und Naturwissenschaften vielfältige Evokationen zünden. Die Chronik von Initialereignissen im Zuge ausgesuchter Expeditionen erzählt von einem unaufhaltsamen Prozess immer dichter werdender Daten. Gleich den im Mondstaub erhaltenen Abdrücken zieht der Text Spuren durch Historien von Politik, Forschung und Medien, von einer auf assyrische Tontäfelchen geritzten Himmelfahrt bis zu Suchmaschinenalgorithmen unserer Tage.

In wechselnden, treibenden Rhythmen inszeniert Stefan Schmitzer eine energiegeladene Dichterrede, deren Ton kraftvoll zwischen archaisierender Weissagung und flackernden Beat-Gesten wechselt: Eine singuläre Formfindung lunarer Poesie!

 

Stefan Schmitzer, 1979 in Graz geboren, nach dem Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik in Graz und Wien lebt er heute als Autor von Lyrik und Prosa, Performer und Kritiker in Graz. Sein erster Gedichtband moonlight on clichy erschien 2007 bei Droschl, weitere Veröffentlichungen, u.a.: wohin die verschwunden ist, um die es ohnehin nicht geht (Roman, 2009), gemacht/gedicht/gefunden (poetologische Streitschrift mit Helwig Brunner, 2011), okzident express (Falsch erinnerte Lieder, 2019).

 

„Schmitzer – frech, angriffslustig, skurril. Eine phantastisch politische Stimme mit poetischer Wucht.“
(Aus der Jury-Begründung für das Gisela-Scherer-Stipendium (2018))