Robert Rebhahn ist tot – keine gemeinsamen Uniratssitzungen, Tagungen und Tagungsnachbesprechungen, kein gemeinsames Frühstück beim Wienerroither, kein schneller Kaffee im Büro zwischendurch, kein gemeinsames Konzert mehr; das macht unendlich traurig.
Robert Rebhahn kenne ich mehr als 26 Jahre lang, zunächst als Dienstvorgesetzten, nach seiner Wegberufung als stets aufmerksamen und kritischen Berater, Begleiter und Freund, zuletzt waren wir durch seine Funktion als Universitätsratsvorsitzender auch institutionell wieder verbunden. Robert Rebhahn hatte viele ganz besondere Eigenschaften. In der Wissenschaft steht er für mich für Grenzüberschreitungen, für universelles Denken. Sein Lebenslauf ist durchzogen von disziplinenübergreifendem Arbeiten. Schon die ihm 1984 verliehene Lehrbefugnis für „Arbeits-, öffentliches Dienst- und Sozialrecht“ zeugt davon. Mit der Ernennung zum außerordentlichen Professor an der Universität Klagenfurt 1986 übernahm er eine heute kaum mehr vorstellbare Mammutaufgabe; er forschte und lehrte zu einer Vielzahl öffentlich-, privat- und steuerrechtlicher Themen; er hielt die öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Einführungsvorlesung ebenso wie das Spezialseminar zum Gesellschafts-, Steuer- oder öffentlichem Wirtschaftsrecht. Keiner hätte diese Aufgabe besser erfüllen können als er; seine Forschungsarbeit war seit jeher den klassischen Kanon an Disziplinen überschreitend angelegt, seine Fähigkeit, sich auf neue Themen einzulassen war bewundernswert, das Streben nach umfassenden Wissen seine große Leidenschaft.
Die Breite seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit fand sinnfälligen Ausdruck in den weiteren Stationen seines akademischen Werdeganges. 1995 wurde er an der Universität Klagenfurt zum Ordentlichen Professor für „Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Privatrecht“ ernannt, die Ausrichtung der Professur hätte umfassender kaum sein können; von 1996 bis Anfang 2003 war er Inhaber eines Lehrstuhles für Bürgerliches, Arbeits- und Gesellschaftsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin; am 1. April 2003 folgte die Ernennung zum Universitätsprofessor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien. Trotz dieses makellosen akademischen Werdeganges trieb ihn in früheren Jahren die Ungeduld, seine Karriere ging ihm zu langsam voran. Erst mit der Berufung an die Universität Wien schien er seine Berufung gefunden zu haben.
Es wäre anmaßend, seine wissenschaftlichen Fähigkeiten und Leistungen bewerten, ja vielleicht auch nur ermessen zu wollen; sein überaus reichhaltiges Publikations- und Vortragsverzeichnis spricht für sich. Drei seiner Werke möchte ich aber stellvertretend hier erwähnen: da ist zum einen die Monographie zur „Zwangsvollstreckung und Insolvenz bei Gemeinden“ aus dem Jahre 1989, ein Querschnittsthema angesiedelt zwischen öffentlichem und Insolvenzrecht, das viele Jahre später gerade in Kärnten höchste Aktualität erlangen sollte. Des Weiteren seine 714 Seiten zählende Abhandlung zur „Staatshaftung wegen mangelnder Gefahrenabwehr“ aus 1997; wiederum ein Thema an der Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Recht von hoher Aktualität. Zuletzt sei die Monographie zur „Solidarität in der Wirtschafts- und Währungsunion“ erwähnt, in der Rebhahn weit über die Grenzen der Rechtswissenschaften hinaus die Frage der finanziellen Solidarität der Mitgliedstaaten bearbeitete.
Für die Universität Klagenfurt und im Speziellen das Institut für Rechtswissenschaften hat er Großes geleistet. Aus einem „Ein-Personen-Fach“ Rechtswissenschaften wurde 1986 ein eigenes Institut, das beständig wuchs und an dem mittlerweile drei Professoren, neun wissenschaftliche MitarbeiterInnen und drei Administrativkräfte beschäftigt sind. Aus einem Servicefach „Recht“ wurde ein zur Hälfte mit Rechtsfächern bespieltes eigenes Studium auf Bachelor- und Masterebene und seit dem WS 2017/18 wird auch ein Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften angeboten. Hervorhebenswert ist auch die von Rebhahn initiierte Tagungsreihe zum Kärntner Landesrecht, eine Veranstaltungsreihe, die in dieser Art einmalig geblieben ist. Für diese Leistungen und seine Tätigkeit als Vorsitzender des Universitätsrates seit 2013 wurde ihm 2016 das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Kärnten verliehen.
An sich selbst stellte Robert Rebhahn stets höchste Ansprüche; nahm er sich eines Themas an, so tat er es umfassend. Ich habe keine Diskussion erlebt, in der er auf eine Frage nicht hätte wohlbegründet antworten können; es schien immer, als hätte er geradezu alles bedacht, durchgedacht. Als akademischer Lehrer forderte Robert Rebhahn konsequent ein, aber er förderte auch. Das fachliche wie auch private Gespräch mit ihm konnte zuweilen auch anstrengen, stets war es aber gewinnbringend und anregend. Unablässig verwies er auf die Bedeutung einer präzisen Ausdrucksweise und des sorgfältigen und gründlichen Abwägens verschiedener (möglichst aller) Argumente.
Mit seiner Meinung hielt er nicht hinter dem Berg; er drückte sich nicht vor unangenehmen Botschaften, weil er überzeugt davon war, dass nur so eine gute Weiterentwicklung möglich ist. Er war stets bestrebt, mit sachlichen Argumenten zu überzeugen. Umgekehrt ließ aber auch er sich überzeugen. In Diskussionen liebte er den Widerspruch, Zustimmung machte ihn eher ungeduldig und skeptisch. Und besonders geschätzt habe ich seine Kritikfähigkeit – er wollte für seine Aussagen und Sichtweisen (fachlicher oder privater Natur) kritisiert werden und nahm Kritik stets wohlwollend und wiederum sorgfältig prüfend auf und an. Das zeichnete ihn gegenüber vielen anderen aus.
Der Universität Klagenfurt blieb Robert Rebhahn auch nach seinen Wegberufungen auf das Engste verbunden. Lange Zeit als „Besucher“, der schnell einmal am Institut oder bei den KollegInnen vorbeischaute – immer interessiert an den Entwicklungen des Instituts und der Universität. Es war daher geradezu „konsequent“, ihn zum Mitglied des Universitätsrates der Universität Klagenfurt zu bestellen. Als Vorsitzender dieses Gremiums sah er seine Rolle darin, der Universität als kritischer Berater und Begleiter zur Seite zu stehen und nur dann zu intervenieren, wenn er es für unerlässlich hielt. Eine gute Entwicklung der Universität war ihm ein großes Anliegen.
Seine Wohnung in Klagenfurt hat Robert Rebhahn nie aufgegeben. Seine freie Zeit verbrachte er hier – die Universität, die vielen Freundinnen und Freunde waren seine Familie. Er war hier auch gesellschaftlich so stark „verpflichtet“, dass es zuweilen schwer war, einen Termin für ein Mittagessen zu finden. Seine Liebe galt dem „guten Gespräch“ mit KollegInnen – da fühlte er sich wohl, das konnte ihm gar nicht lange genug dauern. Gesundheitlich wurde er mehrfach hart geprüft, die schwerwiegende Diagnose zuletzt hat er mit bewundernswerter Ruhe und Gelassenheit angenommen – lange Zeit war er ein Getriebener, mir schien es aber, als hätte er schon vor geraumer Zeit seine innere Ruhe gefunden.
Sein plötzlicher Tod ist ein Schock, ein schrecklicher Verlust. Ich war der festen Überzeugung, dass er es neuerlich schaffen würde, eine schwere Krankheit zu besiegen. Sein guter Rat wird uns fehlen. Es stimmt unendlich traurig, dass er jetzt nicht mehr auf einen Kaffee vorbeischauen wird.
Doris Hattenberger
Feierliche Überreichung des Großen Goldenen Ehrenzeichens des Landes Kärnten