Buchkunst : Künstlerbuch
Mit 60 Exemplaren machen die Künstlerbücher wohl den kleinsten Sonderbestand in der Klagenfurter Universitätsbibliothek mit gesamt 900.000 Büchern aus. Gelegentlich werden einzelne daraus in der Reihe Kostbarkeiten aus der Bibliothek ausgestellt.
Warum sammelt eine dem Lehr- und Forschungsauftrag verpflichtete Universitätsbibliothek auch Bücher, deren Texte viel kostengünstiger zu haben wären? „Weil sie in Verbindung mit der künstlerischen Ausstattung eine Interpretation bieten und damit wieder eine neu performte Nachdichtung ergeben. Aufgrund ihrer geringen Auflage besitzen sie zudem teils beträchtlichen Sammlerwert“, erklärt Christa Herzog, die als Leiterin der Sondersammlungen auch den Künstlerbuchbestand wartet und vermehrt. Ihrem Sammelauftrag gemäß erwirbt die Universitätsbibliothek Klagenfurt jährlich auch Einzel-Exemplarisches an Literatur jenseits des aktuellen Studienangebots.
Künstlerbücher dienen nicht der Sachinformationsvermittlung, sondern sind Träger einer ästhetischen, künstlerischen Eigeninformation. Das Buch als Kunstwerk wird zum Thema seiner selbst, seine Abgrenzung zu Kunstobjekten bleibt undeutlich. Die Anfänge künstlerischer Bücher gehen in die 1920er Jahre zurück, als Hugo Ball, Raul Hausmann und andere Dada-KollegInnen ihre Manifeste und Pamphlete in medial erweiterten Publikationen herausgaben. Hans Arp bezeichnete seine Collagen als „Dichtung mit bildnerischen Mitteln“. Sowohl die Bauhaus- Generation als auch VertreterInnen von Konzeptkunst und Fluxus erkannten die Fähigkeit von Büchern zu Kommunikation und Vernetzung sowie der schnelleren Verbreitung von Ideen. Viele große Künstler wie Picasso, Dali und Warhol schufen explizit Künstlerbücher.
Heute sind es häufig Kunstgrafiker, die alte und neue Texte in eine mediale Mehrdeutbarkeit bringen. Formal kann die traditionelle Buchform beibehalten oder auf subtile und ironische Weise verändert werden, wie dies etwa bei Gerhild Ebels „Neue Versleere“, die zu Jahresbeginn in der Kostbarkeiten- aus-der-Bibliothek-Reihe gezeigt wurde, der Fall ist. Es können gänzlich fremde Materialen zum üblichen Buchformat verarbeitet werden, oder es entstehen Buch-Objekte, die nur noch bildhaft auf das Buch verweisen.
- Der „Sonnenhymnus des Echnaton“ (König von Ägypten, 1351–1334 v. Chr.), der erste monotheistische Text der Geschichte in einer Nachdichtung des deutschen Dichters Ralph Günther Mohnnau (geb. 1937) wurde gestaltet vom Mixed-Media-Künstler Wol Müller (geb. 1951) und erschien bei Alpha Presse 1991. Es enthält u. a. acht Papyrusblätter mit Hieroglyphen.
- „Endlos, Buch ohne Ende“ heißt das Buch von des Schweizer Mundartdichters Guggi (Gustav) Kaufmann (geb. 1956) und besteht aus 20 Siebdruckmonotypen auf handgeschöpften Papieren aus Spanien in Leporellobindung. Es enthält ein Gedicht in Mundart, das sich vorwärts und rückwärts titelgemäß unendlich weiter lesen ließe. (Alpha Presse, Frankfurt am Main, 2002)
- „Der Pyramidenrock“ von Hans Arp (1886–1966), Mitbegründer des Cabaret Voltaire in Zürich, erschien erstmals 1924. Als Künstlerbuch edierte Alpha Presse die dadaistische Gedichtsammlung 70 Jahre später mit acht hochformatigen Doppelblättern, darauf gedruckt Arps streng strukturierte Nonsensverse in 13 Schrifttypen und diversen Schnitten.
- Von Petra Maria Lorenz (geb. 1958) wurde 2016 der Bachmann-Celan-Zyklus „Zeit des Holunders“ ausgestellt. Lorenz beschäftigt sich immer wieder mit der Kärntner Dichterin. Unter dem Titel „Die Wahrheit nämlich ist dem Menschen zumutbar“ – Bachmanns Dankrede bei der Entgegennahme des „Hörspielpreises der Kriegsblinden 1959“ und ihre Grabinschrift auf dem Friedhof Klagenfurt-Annabichl – illustrierte sie Bachmann-Texte mit collagierten Originalabdrücken ihres eigenen Körpers. Die Mappe erschien in nur zehn Exemplaren 1996 bei Alpha Presse.
für ad astra: Barbara Maier