„Beim Studieren geht es auch um Austausch und um das sozio-emotionale Lernen.“
In den letzten zwei Jahren waren wir immer wieder dazu aufgerufen, soziale Kontakte zu reduzieren. Auch das Präsenzangebot an der Universität war eingeschränkt, worunter viele Studierende litten und leiden. Wir haben mit Eduard Gutleb gesprochen, der seit November 2021 die Psychologische Studierendenberatung in Klagenfurt leitet.
Wie ergeht es den Studierenden aktuell, die Ihre Unterstützung in Anspruch nehmen?
Wir merken, dass es mehr Bedarf gibt. In den letzten Monaten war wieder ein Großteil dessen angehalten, was wir gemeinhin Leben nennen. An einer Universität geht es im Studium nicht nur um das Erwerben von Lerninhalten, sondern auch um Austausch und um das sozio-emotionale Lernen. Wir werden erwachsen im Miteinander. Diese Entwicklungsschritte im jungen Erwachsenenalter sind nun größeren Hemmnissen unterworfen. Insofern sind viele, insbesondere die jungen Studierenden, von der aktuellen Krise sehr betroffen.
Wie wird das Leiden sichtbar?
Viele beschreiben Symptome wie Einsamkeit, Niedergeschlagenheit und Ängste. Auch Sinnkrisen treten auf. Viele fragen sich: Wie geht es weiter? Die momentane Krise zeichnet sich dadurch aus, dass die Idee eines Danach für die postpandemische Zeit sehr vage ist. Die Unsicherheit bringt viele ins Strudeln. Sie sind sich dann häufig nicht nur ihrer selbst nicht mehr gewiss, sondern stellen oft auch die Studienwahl in Frage. Damit einher geht häufig auch ein Blick in die Familie: Habe ich mich wirklich selbst für dieses Studium entschieden? Kann ich die Entscheidung bestätigen oder angeleitet eine neue gute Entscheidung treffen? Wir unterstützen bei solchen Prozessen.
Unsere Zukunft ist immer ungewiss. Jetzt wird uns diese Unsicherheit aber stärker vor Augen geführt. Kann man aus dieser Situation auch für künftige Krisen lernen?
Sicher. Wir sind positiv gegenüber dem Leben eingestellt und glauben an die Krise als Chance. Der Zustand des Angehaltenseins schockiert. Er gibt aber auch Gelegenheit zum Überdenken, Hinterfragen, Neuausrichten. Viele sagen zu mir: „Die Krise soll aufhören. Ich möchte wieder in mein altes Leben zurück.“ Ich frage daraufhin oft: „Heißt das, dass Sie wieder zurück in Ihr Hamsterrad wollen, wo Sie vorher vom Stress gebrochen und dem Burnout nahe zu mir gekommen sind? Wollen Sie tatsächlich dorthin wieder zurück?“
Durch die Pandemie gewinnt die Familie wieder an Stellenwert. Wie ergeht es den jungen Menschen, wenn sie wieder stärker familiär orientiert sind?
Im ersten Lockdown wurde ersichtlich, dass die Familie wieder mehr im Fokus war. Man hatte plötzlich mehr Zeit füreinander. Da und dort konnte auch ein neues gelungenes Miteinander entstehen. In der Begegnung steckt aber auch eine Herausforderung, oft auch deswegen, weil man zuvor gewissen Konflikten aus dem Weg gegangen ist. Nun muss man sich den Themen stellen. Angeleitet und unterstützt kann man das auch nutzen, um zu einer besseren Beziehungsqualität in Familien zu finden.
Besonders ungünstig ist die Lage, wenn junge Erwachsene in ihren Herkunftsfamilien gleichzeitig Nähe und Ablösung bewerkstelligen müssen, oder?
Richtig, wie gesagt stellt das junge Erwachsenenalter einen Übergang dar. Man möchte und sollte ja in dieser Phase auch in sein Leben finden können sowie Familie hinter sich lassen dürfen. Besonders schwierig ist es, wie bereits angedeutet, wenn es „Zuhause“ aktuelle Konflikte gibt. Viele fühlen sich mit dieser Aufgabe überfordert und alleingelassen. Auch hier kann Beratung wichtig und richtig sein.
Die erste Lockdown-Kampagne, die in Deutschland an junge Menschen gerichtet war, spielt mit dem Generationenvergleich. „Unsere Couch war die Front und unsere Geduld war unsere Waffe“, heißt es dort aus dem Mund eines alten Mannes, der auf seine „Heldentaten“ zurückblickt. Tatsächlich kommt von älteren Generationen immer wieder der Vergleich mit dem Leid, dem sie in Krieg und Armut ausgesetzt waren. Die jetzige Situation wäre vergleichsweise einfach auszuhalten. Was würden Sie dem entgegnen?
Was bedeutet „ausgehalten“? Wir müssen bedenken, dass wir die Nachkommen einer Generation sind, die kriegstraumatisiert war und ist. Ja, man hat überlebt, man hatte etwas ausgehalten, aber das hatte Konsequenzen, die transgenerational bis heute nachwirken. Wir sollten heute dankbar sein, dass wir keinen Krieg haben, es geht uns gut, wiewohl auch die Pandemie traumatisierend wirken kann. Glücklicherweise haben wir aber heute die Möglichkeit, uns aus einem großen Spektrum von Hilfsangeboten die passende professionelle Hilfe zu wählen. Das unterscheidet uns von vorangegangenen Generationen.
Weitere Informationen unter www.studierendenberatung.at!