Befragung von Schulleiter*innen in der Pandemie: 98 Prozent konnten gut mit der außergewöhnlichen Situation umgehen
Bildungsforscher*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben im Herbst 2020 Schulleiter*innen nach ihrer Einschätzung gefragt, wie sie die pandemiebedingten Schulschließungen und -öffnungen wahrnehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass der Blick auf die Krisenbewältigung im Herbst meist positiv geprägt war. Wie es um die aktuelle Situation bestellt ist, werden Folgeerhebungen im Frühjahr und im Sommer 2021 zeigen.
Am ersten Befragungszeitpunkt im Herbst 2020 beteiligten sich 1.188 Schulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. In Österreich haben letztlich 301 Schulleiter*innen den Online-Fragebogen ausgefüllt. Mit der Untersuchung möchten die Forscher*innen herausfinden, welche Herausforderungen sich den einzelnen Schulen gestellt haben, welche Strategien die Schulen verfolgt haben und mit welchen langfristigen und nachhaltigen Effekten zu rechnen ist.
Stefan Brauckmann-Sajkiewicz, Professor am Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung an der Universität Klagenfurt, ist für die österreichische Erhebung der repräsentativen Stichprobe verantwortlich. Er erläutert ausgewählte Ergebnisse der ersten Befragung: „Besonders im Bereich Digitalisierung haben in allen Bereichen Innovationen Einzug gehalten.“ So gaben beispielsweise 42 Prozent der Schulleiter*innen an, die Lehrpersonen an ihrer Schule wären vor der Pandemie im digitalen Lernen erfahren gewesen. Wurden vor der Pandemie in etwa jeder vierten Schule Online-Plattformen vor allem für die interne Kommunikation zwischen den Mitarbeiter*innen und mit den Eltern genutzt, hat zu Beginn der Pandemie etwa die Hälfte der Schulen entsprechende Online-Plattformen eingeführt. Diese Online-Plattformen wurden nun auch verstärkt für den Austausch von Lernmaterialien (55%) sowie ferner als virtuelle interaktive Lehr-Lernumgebung in 45% der Schulen genutzt.
Bedingt durch die akut eintretende Umstellung auf Distance Learning zeigen die Befragungen, dass digitale Hilfsmittel in beinahe allen pädagogischen und organisatorischen Handlungsfeldern der Schulen Einzug gehalten haben. Als besonders herausfordernd empfanden Schulleiter*innen die Unterstützung der Schüler*innen, insbesondere jener, die durch die soziale Situation in ihrem Elternhaus vor Schwierigkeiten stehen. „Fast alle Schulleiter*innen, nämlich 99 Prozent, haben gemäß ihren Aussagen dafür Sorge getragen, dass die Lehrpersonen ein besonderes Augenmerk auf jene Schüler*innen richten, die zu Hause kaum Unterstützung für das Lernen erhalten“, so Stefan Brauckmann-Sajkiewicz.
Mit der Umstellung auf die digitale Lehre ging, so die Wahrnehmung der Schulleiter*innen, eine hohe Arbeitsbelastung der Lehrpersonen einher, die von 90 Prozent als herausfordernd wahrgenommen wurde. Um die Probleme zu bewältigen, gaben 88 Prozent der Schulleiter*innen an, die bestehenden Teamstrukturen angepasst zu haben, was für eine hohe Flexibilität der Schulen spricht.
Insgesamt fiel das Fazit der Schulleiter*innen im Herbst 2020 positiv aus. Stefan Brauckmann-Sajkiewicz führt dazu aus: „Praktisch alle Schulleiter*innen gaben an, dass sie auch mit dieser außergewöhnlichen Situation gut oder eher gut zurechtkommen (98%), dass sie Fortschritte erzielen (91%) und die pädagogische Qualität aufrechterhalten können (91%). Drei Viertel der Schulleiter*innen sind zudem zumindest teilweise überzeugt, dass sie gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Situation auch pädagogische Neuerungen in die Tat umsetzen können.“ In fast allen Schulen wird angestrebt, die Schüler*innen zu mehr Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu befähigen, digitales Lernen häufiger als bisher im Unterricht einzusetzen und den Austausch zwischen den Lehrpersonen enger zu gestalten.
Ab Februar/März 2021 finden Regionalworkshops mit den Schulleiter*innen statt, um relevante Aspekte detaillierter zu betrachten sowie den datengeleiteten Erfahrungsaustausch zwischen den Schulleiter*innen über einzelne Bundesländer hinaus zu ermöglichen. „Dies ist auch als Dankeschön für die Bereitschaft der Schulleiter*innen zu verstehen“, sagt Brauckmann-Sajkiewicz, „in solch herausfordernden Zeiten Fragen empirischer Bildungsforscher*innen zu beantworten.“
Im Februar/März 2021 werden die zweite und im Sommer 2021 die dritte Erhebung der S-CLEVER Studie stattfinden.
S-CLEVER-Konsortium (2021). S-CLEVER. Schulentwicklung vor neuen Herausforderungen. Erste Ergebnisse der Schulleiter*innen-Befragung September und Oktober 2020 für Österreich. Online: www.s-clever.org