Alles wird gut
Wirtschaftskrisen, eine Welt, in der mehr Arbeit durch Roboter als durch Menschen geleistet wird, und der Wandel, der durch ökologische Beschränkungen nötig wird − all das beunruhigt den Volkswirt Dmitri Blüschke nur wenig. ad astra hat er erzählt, warum er darauf vertraut, dass der Mensch immer zu Lösungen kommt, wenn es für ihn knapp wird.
Dmitri Blüschke ist pragmatisch und unaufgeregt: Als Sohn deutsch-russischer Eltern, die selbst nicht studiert haben, kam er mit der Familie aus Kasachstan nach Deutschland und wuchs schrittweise in ein akademisches Milieu hinein. „Ich wurde nicht mit dem Duktus geboren: Ich werde ein Wissenschaftler und werde die Welt verändern.“ Mathematik war sein Steckenpferd in der Schule, aber er wollte sie mit „etwas Menschlichem“ verbinden. Volkswirtschaft war für ihn optimal, wobei man den Anspruch an die Exaktheit der mathematischen Sprache aufgeben müsse: „In der Volkswirtschaftslehre sind die Parameter stark vom nicht vorhersehbaren Verhalten von Menschen geprägt. Jeder ist einzigartig, wir versuchen die Aggregation. Aber letztlich gibt es keine festen Gesetze.“ Nach dem Diplomstudium in Bielefeld kam er für das Doktorat nach Klagenfurt, wo er sich nun habilitieren möchte. Der Begeisterungsfunke für die Wissenschaft ist von Mentoren wie Reinhard Neck übergesprungen.
Blüschkes Forschungen beschäftigen sich mit aktuell relevanten Fragestellungen. So konnte er beispielsweise zeigen, dass Schuldenschnitte für einzelne Mitgliedsländer der Währungsunion negative Effekte auf die gesamte Europäische Union haben. Dennoch handelt die Politik anders. Ein Fakt, das ihn nicht frustriert: „Ich weiß, dass die Politik nach anderen Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Das wichtigste Ziel dort ist es nicht, dass es allen Menschen in der Volkswirtschaft gut geht, sondern wiedergewählt zu werden.“ Blüschke nimmt diesen „Lauf der Dinge“ an und sieht keinen Grund, „sich über etwas aufzuregen, was ich nicht ändern kann.“ Diese Haltung habe sich bei dem 35-Jährigen erst entwickelt. Heute verliere er sich nicht in Hoffnungen, dass seine Forschung die Welt verändern kann. Aber als Individuum und als Forscher wolle er zu einer Evolution beitragen, die gute Lösungen hervorbringt.
In Zeiten oft apokalyptisch anmutender öffentlicher Diskurse zur globalen Entwicklung wirkt Blüschkes Haltung wie Balsam auf der Seele. Seine Zuversicht begründet sich in der Historie: So gebe es Theorien, die besagen, dass die industrielle Revolution in England damit begann, dass das Holz knapp wurde. Der Mensch stieg auf Kohle und später verstärkt auf Öl um und konnte damit Maschinen betreiben. Heute werde das Öl knapp, und man rüste auf alternative Energien um. „Wenn nun ‚gutes Klima‘ knapp wird, werden die Menschen erfinderisch sein. Davon bin ich überzeugt.“ Dazu müsse das Krisenhafte aber leider erst stärker spürbar werden. So sieht er auch die Entwicklung unseres Wirtschaftssystems: „Die industrielle Revolution 4.0 wird sehr bald dazu führen, dass wir fast alle nötigen Güter mit Robotern produzieren können. Viele Jobs werden ersetzt werden. Diese neue Situation wird auch zu neuen Vorschlägen führen: Vielleicht wird es ein bedingungsloses Grundeinkommen geben. Wahrscheinlich wird der Mensch nur zehn Stunden in der Woche einer Erwerbsarbeit nachgehen und die restliche Zeit ehrenamtlich tätig sein.“
Für einen, der beforscht, wie der gesellschaftliche Austausch von knappen Gütern funktioniert, ist auch der Blick auf das Tauschmittel Geld pragmatisch: „Geld macht nicht glücklich“, sagt er und führt aus, dass es andere Anreize waren, die ihn in die Wissenschaft geführt haben. Sich mit Themen beschäftigen, die einen wirklich interessieren, und flexible Arbeitszeiten, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen, sind für ihn viel wichtiger. In der Wissenschaft arbeite man zwar häufig mehr als in der freien Wirtschaft, aber die Arbeit sei besser in das tagtägliche Leben eingebunden. Die Grenzen von Privatem und Beruflichem verschwimmen bei Dmitri Blüschke: Er kam mit seiner Frau, die auch als Projektmitarbeiterin am Institut für Volkswirtschaftslehre angestellt ist, nach Klagenfurt und teilt sich mit ihr ein Büro. Auf die Nachfrage, ob das Vor- oder Nachteile habe, zögert Dmitri Blüschke mit einer Antwort, und seine Frau Viktoria antwortet von ihrem Schreibtisch aus, lachend: „Nur Vorteile.“ Wenn Blüschke über seine Karriere spricht, kommt er immer wieder vom „ich“ zum „wir“: So hat nicht er alleine die Entscheidung darüber getroffen, wo und in welchen Umständen er leben möchte, sondern ein familiäres „wir“. Davon geprägt ist auch der weitere Blick auf die Karriere: Die Balance zwischen der notwendigen Mobilität, mit der man sich wichtige Netzwerke erarbeiten kann, und dem Wohl der Familie sei eine Herausforderung, die er optimistisch annimmt.
für ad astra: Romy Müller
Auf ein paar Worte mit … Dmitri Blüschke
Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftler geworden wären?
Banker oder Diplomat
Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Ich erinnere mich an einen Spruch meiner Eltern noch aus der Schulzeit: „Wir verstehen zwar nicht, was du da machst, glauben aber fest daran, dass du das schaffst.“
Was machen Sie im Büro morgens als erstes?
Eine Tasse Tee, E-Mails lesen, Nachrichten überfliegen
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Der Wunsch ist oft da, aber es klappt leider nicht.
Was bringt Sie in Rage?
Eigene Fehler
Und was beruhigt Sie?
Sport, Angeln und ein Küsschen von meinen Kindern bzw. von meiner Frau
Wer ist für Sie die größte WissenschaftlerIn der Geschichte und warum?
Ich mag Science-Fiction, und in der Hinsicht finde ich Schumpeter richtig großartig.
Wofür schämen Sie sich?
Wenn ich meine Versprechen nicht einhalten kann.
Wovor fürchten Sie sich?
Es gibt so viel Interessantes im Leben, ich habe einfach keine Zeit für Fürchten.
Worauf freuen Sie sich?
Ich warte nicht auf etwas Großes, ich freue mich über jede Kleinigkeit, die noch kommt.