Advanced ERC-Grant für Helmut Haberl

Die Forschungspreise des Europäischen Forschungsrats gehören zu den höchst angesehenen Förderungen, die Forscherinnen und Forscher in Europa einwerben können. An den Humanökologen Helmut Haberl (Institut für Soziale Ökologie) wurde nun ein Advanced ERC-Grant vergeben. Er ist mit knapp 2,5 Millionen Euro über 5 Jahre dotiert. Helmut Haberl wird sich mit der Rolle der Materialbestände für die Entwicklung zu einer nachhaltigen Gesellschaft beschäftigen.    

„Für den Wandel zu einer nachhaltigeren Gesellschaft braucht es grundlegende Veränderungen in der Verwendung biophysischer Ressourcen wie Energie, Materialien oder Land“, so Helmut Haberl. Die aktuelle Forschung zum gesellschaftlichen Stoffwechsel beschäftigt sich damit, wie und wieviel Energie oder Materialien in der Wirtschaft verwendet werden: Rohmaterialien und Energie werden in Produktion und Konsum umgesetzt und schließlich als Abfall und Emissionen an die Natur abgegeben. Haberl erklärt weiter: „Dieser Ansatz hat uns für die Wissenschaft wichtige Einsichten in ökologische Effizienz und Langzeit-Treiber von Ressourcennutzung gebracht. Wir fokussieren dabei aber bisher vor allem auf die Material- und Energieflüsse. Dabei wissen wir noch viel zu wenig über die Rolle von Materialbeständen wie Infrastrukturen, Gebäuden und Maschinen für die Umwandlung von Rohstoffen in jene Dienstleistungen, die wir eigentlich brauchen.“ Zum Beispiel: Gebraucht wird angenehm temperierter und beleuchteter Wohnraum. Wieviel Energie für die Bereitstellung dieser Dienstleistung gebraucht wird, hängt vom Gebäude und vom Heiz- und Beleuchtungssystem ab. Diese Forschungslücke möchte er mit seinem Projekt MAT_STOCKS schließen. Ziel ist es, eine konsistente Typologie sowie Indikatoren und eine entsprechende Datenbasis von Materialbeständen und ihren Leistungen zu erarbeiten. Dabei will er auf die Materialflussanalyse aufbauen. „Die Ergebnisse sollen es uns ermöglichen, fehlende Verbindungsglieder zwischen Beständen, Flüssen und Services zu verstehen. Bisher sind unsere Ansätze limitiert: Wir verbinden häufig Ressourcennutzung und Emissionen mit Bevölkerungszahlen und Wirtschaftswachstum. Die Einsichten sollen auch dazu beitragen, neue Optionen für die Entkoppelung dieser Größen zu entwickeln, die die Basis für innovative Handlungsräume für eine nachhaltige Gesellschaft sein könnten.“ Der Advanced ERC-Grant gibt Helmut Haberl nun die Möglichkeit, diese Fragen umfassend zu bearbeiten.

Helmut Haberl, geboren 1965, studierte Biologie und Mathematik an den Universitäten Salzburg und Wien, wo er 1995 in Ökologie promoviert wurde. Seine Habilitation in Humanökologie schloss er 2001 an der Universität Wien ab. Seit 1991 ist er an der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Alpen-Adria-Universität in Wien am Institut für Soziale Ökologie (bzw. deren Vorläuferorganisationen) tätig, dem er derzeit vorsteht. Haberl ist Autor zahlreicher Beiträge in hochrangigen Journals und arbeitete sowohl am „Global Energy Assessment“ der IIASA als auch am 5. Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) mit. Seine Forschungsschwerpunkte sind Energie und Umwelt, Klimawandel, Integrierte Landsystem-Forschung, Bioenergie, Nachhaltigkeit und Gesellschaft-Natur-Interaktion, Sozio-ökologische Langzeitforschung (LTSER) und menschliche Aneignung von Nettoprimärproduktion (HANPP).

Helmut Haberl wurde Wissenschaftler, weil dies für ihn ein Lebenstraum war. Ob die Realität nun dem entspricht, was er sich erträumt hat? „In manchem schon, es gibt aber auch positive und negative Abweichungen. Ich habe mir nie erträumt, in eine Position vorzudringen, in der meine bzw. unsere Ergebnisse und Ideen zu Fragen der Nachhaltigkeit weltweit gehört werden. Gleichzeitig wurden viele Träume getrübt durch die Einschränkungen, die Budgetierungs- und Steuerungslogik in der Wissenschaftspolitik bereithalten.“ Der Advanced ERC-Grant ist nun, so die Zielrichtung des Europäischen Forschungsrats, eine gute Basis für eine exzellent ausgestattete, ergebnisoffene Grundlagenforschung. Für Helmut Haberl ist diese Offenheit von besonderer Bedeutung: „Heute werden große Würfe von langer Gültigkeit selten. Immanuel Kant könnte heute nicht mehr als neu bestellter Professor jahrelang spazierengehend nachdenken, obwohl das offenbar für seine späteren bahnbrechenden Werke nötig war. Ich verstehe, dass die Gesellschaft Ergebnisse sehen will, denke aber auch, dass es Freiräume braucht, um ergebnisoffen zu arbeiten. Diese gilt es nun gewinnbringend und effizient zu nutzen.“

 

Helmut Haberl | Foto: Pilo Pichler

Helmut Haberl | Foto: Pilo Pichler