25 Jahre Sommerkolleg Bovec
Das diesjährige internationale Sommerkolleg Bovec (Slowenien) stand im Zeichen eines besonderen Jubiläums: das 25-jährige Bestehen einer grenzübergreifenden Bildungsinitiative im Alpen-Adria-Raum, die im Jahre 1994 zum ersten Mal stattgefunden hat. Das diesjährige Motto lautete „Zusammenleben“ / Sožitje / Suživot / Convivenza / Vivi adun.
In Bovec versammeln sich in jährlich Studierende aus Österreich, Italien, Kroatien und Slowenien und lernen jene Sprachen, die den Menschen in dieser mehrsprachigen Region eine lokale Zugehörigkeit und eine sprachlich-kulturelle Identität geben. Somit lebt das Sommerkolleg Bovec seit 25 Jahren selbst die Öffnung zum Nachbarn und unterstützt aktiv die Entwicklung und das Erleben interkultureller Freundschaften unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Im Laufe dieser Zeit erwies sich das Lernen von Nachbarsprachen als zentrale Bedingung für das Überschreiten sprachlicher, sozialer, kultureller und emotionaler Grenzen sowie das Entstehen und Gestalten von gemeinsamen, über das Sommerkolleg hinausreichenden Aktivitäten.
Säule der grenzüberschreitenden Kooperation
Anlässlich des 25. Jubiläums des Sommerkollegs wurde am 17. August 2018 eine eigene Abendveranstaltung organisiert, an der neben Studierenden, Lektorinnen und Lektoren sowie Vertreterinnen und Vertreter einzelner Partneruniversitäten auch zahlreiche Personen aus der Umgebung teilgenommen haben. Valter Mlekuž, Bürgermeister von Bovec, bedankte sich bei seinen Grußworten für die die langjährige Kooperation mit der Universität Klagenfurt. Für die Gemeinde Bovec und ihre Bevölkerung ist das jährliche Treffen von Studierenden aus dem Alpen-Adria-Raum fester Bestandteil der sommerlichen kulturellen und Bildungsaktivitäten, die im Sočatal angeboten werden. Das entstandene Vertrauen zwischen den Organisatoren des Sommerkollegs und der Gemeinde solle auch in Zukunft erhalten und verstärkt werden, so der Bürgermeister, und versprach weiterhin finanzielle und organisatorische Unterstützung.
Doris Hattenberger, Vizerektorin für Lehre der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, hob in ihrer Ansprache die Bedeutung des Sommerkollegs für den gesamten Alpen-Adria-Raum hervor. „Das Sommerkolleg Bovec ist – vor allem auch durch seine Beständigkeit und Ausrichtung – eine Säule der grenzüberschreitenden Kooperationen der Universität Klagenfurt in diesem Raum – Bovec trägt insofern wesentlich zur Namensgebung bei; das Kolleg hat die Namensgebung gewissermaßen vorweggenommen“, sagte die Vizerektorin. Das Sommerkolleg Bovec stehe, so Doris Hattenberger, seit Anbeginn für die Bildung und Schärfung des Bewusstseins, in welcher Region wir leben – „Drei Staaten“ – eine Region.
Andrea Wernig, die das Sommerkolleg seit 1994 organisatorisch begleitet, erinnerte an die Anfänge und fragte die Anwesenden, ob sie sich ein Leben ohne Internet und ohne elektronische Kommunikation vorstellen könnten. Beides war 1994 wenig verbreitet. Bei der Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sei großes Augenmerk auf Sprachkenntnisse gelegt worden. Die Studierenden nahmen nämlich als gesamte Gruppe an den Lehrveranstaltungen teil, weshalb sehr gute Kenntnisse von zumindest zwei der drei Arbeitssprachen Deutsch, Slowenisch und Italienisch vorausgesetzt wurden. Englisch als lingua franca hatte im offiziellen Programm keinen Platz, man half sich, bei rechtzeitigem Eintreffen, mit übersetzten Texten oder sprachlicher Hilfe in der Situation.
Eine Gruppe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Sommerkollegs 2017 adressierte an die neuen StudienkollegInnen Empfehlungen für die Teilnahme am Sommerkolleg und ermunterten sie, sich offen und ohne Scheu am Geschehen zu beteiligen. Dabei wurde – unbeabsichtigt – auch ein Kreis hinsichtlich der Sprachenfrage geschlossen: man möge sich doch des vorhandenen Sprachenreichtums bedienen und Englisch für zwei Wochen hintan stellen.
Offene Grenzen und Visionen
Vladimir Wakounig, Leiter des Sommerkollegs, wies in seiner zweisprachigen Ansprache darauf hin, dass die 25 Jahre des Sommerkollegs Bovec vor allem deshalb etwas Besonderes sind, weil es sich um eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen einer Grenzgemeinde mit einer spezifischen historischen, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung und den umliegenden Universitäten (Klagenfurt, Udine, Triest, Koper, Ljubljana und Rijeka) handelt. Trotz unterschiedlicher Kulturen, Philosophien und Aufgabenstellungen, die die einzelnen Institutionen mit sich bringen, gelingt diese Kooperation in erster Linie deshalb, weil man sich vom Sommerkolleg langfristig Impulse für die Förderung der Mehrsprachigkeit, die transnationale Kooperation und das Zusammenwachsen der Menschen ohne Vorurteile im Alpen-Adria-Raum erwartet. Der Wunsch nach offenen Grenzen und die Vision von offenen Grenzen, die die Anfänge des Sommerkollegs in den 1990er Jahren prägten, sind heute mehr denn je aktuell.
Die Feier wurde vom AAU-Trio (Aleksander Ipavec, Stefan Gfrerrer und Emil Krištof) musikalisch umrahmt und schloss mit einer von Štefan Pinter erstellten eindrucksvollen Diashow auf die 25 Jahre des Sommerkollegs ab.
Zusammenleben / Sožitje / Suživot / Convivenza / Vivi adun
Das Generalthema des diesjährigen Sommerkollegs stand im Zeichen des Themas „Zusammenleben / Sožitje / Suživot / Convivenza / Vivi adun«. Das einführende Referat dazu hielt der Klagenfurter Universitätsprofessor Hans Karl Peterlini vom Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung. In seinem dreisprachigen Vortrag ging er von der Überlegung aus, dass die Gestaltung des Zusammenlebens nie konfliktfrei verläuft, obwohl es immer wieder von der Idee der Harmonie begleitet wird. Die Konflikte entzünden sich vor allem am Spannungsfeld zwischen den individuellen Lebenswelten von Menschen und den übergeordneten politischen, sozialen, religiösen und ethnischen Systemen bzw. Kollektiven, denen sie angehören. Seine Thesen und Ausführungen belegte Hans Karl Peterlini mit zahlreichen Beispielen aus dem Mehrheits-Minderheitendiskurs, die bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für lebendige Diskussionen sorgten.
Im Verlauf des Sommerkollegs wurde das Generalthema „Zusammenleben“ in sprachlich unterschiedlichen Parallelworkshops vertieft und erweitert. Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekamen dadurch die Möglichkeit, der Frage nachzugehen, wie gerechtes, menschenwürdiges und den Bedürfnissen entsprechendes Leben im Alltag ohne Ausgrenzung stattfinden kann. Die Workshops zeigten, dass das Thema „Zusammenleben“ sehr viele Facetten hat und in unzähligen Lebenskontexten von Menschen sichtbar wird. „Zusammenleben heißt Konflikt: zur Rolle der Architektur im öffentlichen Raum“, „Wer ist mein Nächster?“, „Kommunikative Kompetenz und kulturelle Integration“, „Entsteht aus Zusammenleben Leben?“, „Frieden schließen – Zusammenleben sichern?“ sind nur einige der Themen, die in den Workshops mit unterschiedlichen Methoden bearbeitet wurden. Insgesamt lösten die Workshops intensive, mitunter auch widersprüchliche Diskussionen aus.
Annäherung durch Spracherwerb
44 Studierende aus Österreich, Kroatien, Slowenien und Italien nahmen am diesjährigen Sommerkolleg im August teil, um in einem mehrsprachigen Lernumfeld in neue Sprachen einzutauchen und die Geschichte des Grenzortes Bovec im Sočatal/Isonzotal kennenzulernen. Neben den Sprachkursen am Vormittag (Slowenisch, Deutsch, Italienisch, Kroatisch und Friulanisch) und den Workshops am Nachmittag hatten die Studierenden die Möglichkeit, mit lokalen Exkursionen den historischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Kontext der Umgebung von Bovec zu erforschen und kennenzulernen. Das vielfältige und oft schwierige Leben an und mit der Grenze im Laufe der Geschichte war ein Thema, das besonders durch Erkundungen bestimmter Institutionen (wie dem Museum des ersten Weltkriegs in Kobarid) und Orte (z. B. Wanderung entlang der Soča/Isonzo und Besichtigung der Trdnjava/Festung Kluže) sichtbar wurde.
Für die Leitung und Organisation des Sommerkollegs zeichnen Vladimir Wakounig und Andrea Wernig verantwortlich.