Max Höfler und Stefan Schmitzer, Beitragsbild zur Lesungsveranstaltung am 14.05.2024

14.05.: Max Höfler & Stefan Schmitzer

Der Ritter Verlag steht für Sprachkunst, experimentelle Texte und Avantgarde in der Literatur. Dies vertreten auch Max Höfler und Stefan Schmitzer mit ihren beiden neuen Publikationen.

 

Max Höfler: Alles über alles – oder warum

Stefan Schmitzer: loop garou – invokationen

 

 

Dienstag, 14. 05. 2024

19.30 Uhr                    

Moderation: Paul Pechmann

 

Warum dreht sich am Äquator die Erde schneller? Wofür wurden Aquädukte gebaut? Max Höfler hat die Antworten parat: Es sind die Beschleunigungskräfte des flotten Springbocks und des zackigen Impalas, die den Untergrund zum Rotieren bringen, und in den Hochleitungen sollte einst der Lambrusco und Veltliner für die Haute Volée rinnen.
Es sind die Fragen des Trivial Pursuit-Spiels, die sich Höfler in Alles über alles als Ausgangspunkt für Mutmaßungen über die Beschaffenheit der Welt hernimmt, streng formelhaft und stets als Gegenfrage formuliert. Der Kanon weitgehend nutzlosen Wissens ist als Unterscheidungsmerkmal sogenannter Eliten funktionslos geworden.
Max Höfler lässt dieses in grotesken „Erklärungen“ verpuffen und treibt dessen Trägern die Bildungsdünkel aus. Eine hybride Kunstsprache, die sich der kreativen Energie der Idiome von Halbstarken, kleinbürgerlichen Poseuren und Sprücheklopfern des Privat-TV zunutze macht, usurpiert das Pädagogendeutsch des Gesellschaftsspiels.
Neuseeländische Kampfschafe und Berserker-Pinguine machen sich über das Thema Postfaktizität her und diverse, uns Lesende aufs Korn nehmende Clickbaits und Bilder stellen Hierarchien von Wissensgenerierung bloß.

Alles über alles bietet ebenso extravagante Unterhaltung wie deren Dekonstruktion, und noch mehr: Wenn der Enzyklopädist die Herkunft der roten Farbe der Golden Gate Bridge mit dem Blutzoll, den die Arbeiter bei deren Errichtung zahlten, erklärt, tippt er Wissensformationen an, die nicht nur beim trivialen Party-Spiel unter den Tisch gekehrt werden.

 

Stefan Schmitzers invokationen stellen Strategien dichterischer Zauberei auf den Prüfstand, indem sie nach deren Wirkmöglichkeiten angesichts einer Zivilisation fragen, die ihre Fühler in den Weltraum ausstreckt, selbst aber in Auflösung begriffen ist. Die Gedichte und Prosatexte dieses Bandes entrücken in eine universelle Raum-Zeit: Unter die angerufenen Olympischen Götter mischt sich ein „Prof. Dr. Freud!“, Athene erscheint in Gestalt von Arnold Schwarzenegger, Traktoren, Kinderwägen und der Moses von Michelangelo sind ebenso Sujets der Anrufungen wie GPS-Bewegungsprofile oder die Wohltaten eines Bildungssystems, das jenen weit offen steht, die zufällig nicht zu einer ethnischen Minderheit zählen.

Gestalt verleiht einem solchen Panorama eine furiose Kompilation unterschiedlicher Stilgesten zwischen klassizistischer Feierlichkeit und futuristischer Prägnanz, österreichisch gefärbtem Parlando, freien Beatrhythmen und Slang. Die aus dem Zusammenprall von Sprach-Welten resultierende Dialektik legt den Fehlschluss naiver Anverwandlung mythischen Denkens offen. Mit coolem Humor und feiner Ironie begegnet „loop garou“ der Suppression heutiger staatlicher und merkantiler Zusammenhänge samt ihrer Legitimationsdiskurse. Stefan Schmitzers wendige Poetik der Entzauberung lässt die als falsch erkannten Redeweisen ins Leere laufen.

 

Max Höfler, geboren 1978 in der Oststeiermark, lebt als Autor in Graz. Studium der Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte. Literaturreferent des Forum Stadtpark (2009–2017). Herausgeber des Leinwandliteraturmagazins Glory Hole – Nachrichten von drüben.

Stefan Schmitzer, geboren 1979 in Graz, nach dem Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik in Graz und Wien lebt er heute als Autor von Lyrik und Prosa, Performer und Kritiker in Graz.